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Digitale Spekulation: Eine virtuelle Kopie der Erde wird versteigert

Earth 2 ist ein futuristisches Konzept einer zweiten Erde, das in der Game-Szene heiß diskutiert wird. Auf einem Google Maps-artigen Interface kann man sich Land in Form von Kacheln kaufen. Steckt dahinter eine weitere Abzocke der digitalen Spekulationsblase oder eine utopische Zukunftsvision?

Echtes Geld gegen virtuelles Land – das ist das Konzept von Earth 2. Im Angesicht der Tatsache, dass immer mehr Anzeichen darauf hindeuten, dass unsere Erde Nummer 1 innerhalb der kommenden Jahrzehnte aufgrund von Überbevölkerung, Klimawandel und Ressourcenknappheit immer weniger bewohnbar sein wird, haben die Entwickler von Earth 2 schon jetzt vorgesorgt: „Earth 2 ist der Anfang der virtuellen Existenz unserer Welt und heute hast du die Chance, einen Teil dieser unglaublichen Zukunft zu besitzen“, heißt es auf der Website. Die Matrix-mäßige Simulation, die die Entwickler anstreben, soll ein virtueller Zwilling unseres Planeten werden. Obwohl das Spiel noch nicht existiert, kann man sich jetzt schon „Land“ kaufen. Doch gerade durch in-Game-Käufe können auch angeblich kostenfreie Spiele schnell zur Abzocke werden, warnt die Verbraucherzentrale.

Ziel der Earth 2 Entwickler ist „eine massive online VR Welt-Erfahrung“, die anders als alles ist, was die Gaming-Welt bisher gesehen hat. Foto: Lucrezia Carnelos

Seit Monaten gibt die Plattform an, noch in der Entwicklungsphase zu sein. Die Entwickler haben einiges vor: Auf ihrer Webseite stellen sie die drei geplanten Phasen der Plattform vor, die sich seit geraumer Zeit noch in Phase 1 befindet und geben an, in Zukunft würde gekauftes virtuelles Land auch Ressourcen produzieren und schließlich sogar den Browser verlassen und sich in 3D-Terrain verwandeln. Sogar eine eigene Kryptowährung stellen die Entwickler unter Vorbehalt in Aussicht. Ziel ist „eine massive online VR Welt-Erfahrung“, die anders als alles ist, was die Gaming-Welt bisher gesehen hat. 

 

Auf einem Google-Maps-artigen Interface können User sich Kacheln kaufen, die bestimmten Orten auf der echten Welt entsprechen. Der Preis für die Kacheln variiert je nach Nation; die teuersten befinden sich momentan in den USA. Eine Kachel in Kalifornien kostet zurzeit fast 60 Dollar, eine Kachel in Italien knapp 17 Dollar. Wer sich Kacheln gekauft hat, soll bald darauf bauen, leben, sie verkaufen und sich mit anderen Usern austauschen können – genau wie im echten Leben. Jetzt schon haben sich einige Gamer, die Hotspots wie die Freiheitsstatue oder den Taj Mahal Palast gesichert.

Digitale Spekulationsblase oder virtuelle Utopie?

„Join the revolution“ heißt es auf der unverifizierten Instagram Seite von Earth 2, die bereits 32,3k Anhänger hat. Bisher besteht Earth 2 lediglich aus einem digitalen Raster, das mit der sogenannten MapBox Technologie über einer eine Satellitenkarte der Erde gelegt wurde. Wie das Spiel letzten Endes aussehen wird, bleibt vorerst ungewiss. Erst in Phase 3 sollen User Zugang zu dem eigentlichen Spiel-Interface, dem Earth 2 Terrain-System bekommen. Offizielle Interviews, Kontaktdaten oder Pressematerial gibt es nicht; User, die ihr Geld investiert haben, werden langsam ungeduldig und befürchten, es verloren zu haben. Auf Youtube, reddit und Instagram häufen sich negative Erfahrungsberichte. „Ich verliere langsam die Hoffnung“, kommentiert ein User, „wir brauchen mehr offizielle Updates und es wäre nett, Live-Updates oder Interviews der Entwickler zu bekommen. Ich sehe nicht, wie mein investiertes Geld irgendetwas anderes als verloren sein kann.“ Andere User sind von dem Projekt überzeugt. Ihr Argument: die Entwickler seien schlichtweg mit dem Ansturm in dieser frühen Phase des Spiels überfordert. Jedoch drängt sich die Frage auf, weshalb die Entwickler den starken Ansturm bei einer solch massiven Marketing Kampagne nicht erwartet haben. War vielleicht genau das Teil ihres Plans? 

So sieht Earth 2 bisher aus: ein Google-Maps-artiges Interface aufgeteilt in digitale Kacheln, die man sich kaufen kann. Bild: Screenshot von Earth2.io 

Virtuelle Kolonialisierung

Eine virtuelle Utopie, in der jede:r, unabhängig von Rasse, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung sein eigenes Stückchen Paradies erwerben kann, das gleichzeitig auch noch eine großartige Investition ist – das klingt schon fast zu gut, um wahr zu sein. „Stell dir vor, dir ganz Manhattan für dich allein zu kaufen und deine eigene Flagge darüber zu hissen? Manche Menschen tun das bereits!“, heißt es in einer der vielen Social Media Kampagnen, die in diesen Wochen tausende User targeten. Was für die Entwickler eine VR Utopie zu sein scheint, klingt eher wie eine dystopische Geldmaschine.

Das Team hinter Earth 2 sind ausschließlich Männer, fast alle weiß, mittleren Alters. Unter ihnen ist der bekannte deutsche Gamedesigner Wolfgang Walk, Chief Creative Officer bei Earth 2, der an Spielen wie „Die Siedler II“, „Incubation“, „Battle Isle: The Andosia War“ und „Aquanox“ beteiligt war und Mitglied des Bundesverbands der deutschen Games-Branche ist. Auf Nachfrage, ob er mir ein paar Fragen zu Earth 2 beantworten könnte, schreibt Walk mir, dass das Team mit Hochdruck daran arbeite, die nächsten Phasen des Spiels zu veröffentlichen, um Spekulationen vorzubeugen, er mir aber momentan noch keine weiteren Informationen geben könne. Schade, denn auf der Earth 2 Website heißt es im Abschnitt „Ideology“, Transparenz über die Ziele, Pläne und Herangehensweisen von Earth 2 sei für das Team besonders entscheidend. Beim Bundesverband der deutschen Games-Branche hat man von Earth 2 noch nie gehört. 

Nichts als eine Geldmaschine? Im Internet häufen sich negative Erfahrungsberichte über Investitionen in Earth 2. Foto: Fikry Anshor

Nichts als eine Geldmaschine?

Wer hingegen in virtuelles Land auf Earth 2 investiert, muss gegenüber der Plattform blank ziehen: Um Geld einzuzahlen oder abheben zu können, müssen User der Plattform ihren vollen Namen, ihr Herkunftsland, ihre E-Mail-Adresse, Passkopie, Adresse, Telefonnummer, Bankdaten und Kreditkarteninformationen anvertrauen. Auf reddit häufen sich Beschwerden über erfolgloses Abheben von eingezahltem Geld und Zensur von kritischen Kommentaren. 

Wer also den Drang verspürt, sein Geld in eine weitere, von Männern beherrschte (virtuelle) Welt zu investieren, für den könnte Earth 2 interessant sein. Allen anderen empfehle ich eher, sich auf das Wohlergehen unseres Heimatplaneten Erde 1 zu konzentrieren – denn der braucht unsere Hingabe jetzt mehr denn je.