Jeden Tag tausend Entscheidungen: Gründer*innen und Selbständige haben niemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist. Das ist schön, zugleich aber belastend. Eine kleine Handreichung, um schwierige Entscheidungen zu treffen.
Entscheidungen stehen immer dann an, wenn man sie nicht fällen kann, so der Soziologe Niklas Luhmann. Und als Gründer*in muss man dauernd irgendetwas entscheiden. Vor allem muss man festlegen, worauf man seine Aufmerksamkeit richtet und worauf nicht. „Was mache ich als nächstes?“ – Momente, in denen man sich das fragt, haben für Unternehmer*innen immer die größte Hebelwirkung.
Ich habe drei Unternehmen mitgegründet, alle in unterschiedlichen Märkten (Sicherheitssoftware, Social Networking, Medienfinanzierung), doch die Frage „Was mache ich als nächstes?“ kommt immer wieder auf. Viele Selbständige kennen das: Ich könnte dies tun, würde gerne jenes tun, mache dann aber doch etwas ganz anderes.
Das Richtige messen
Wenn dann noch Twitter und Facebook um Aufmerksamkeit buhlen, braucht es ein Werkzeug, eine Entscheidungshilfe. Als ich einmal meinen Professor für strategische Kommunikation, Franz Liebl, fragte, wie ich mich in einer kniffligen Situation entscheiden solle, fragte er zurück: „Woran würden Sie denn eine gute Entscheidung erkennen?“ Das ist immer noch eine der besten Gegenfragen, die ich kenne.
Eine gute Entscheidung kann man nur identifizieren, wenn man weiß, woran man ihre Folgen misst. An dieser Stelle entfalten Key Performance Indicators (KPIs), also die wichtigen Unternehmenskennzahlen, ihre segensreiche Wirkung. Das setzt natürlich die Wahl geeigneter KPIs voraus: Autobauer, die jahrelang PS-Zahlen hochgedreht haben, hätten mal lieber die Anzahl der Cupholder gemessen, denn eine möglichst große Anzahl pro Auto ist für viele Kunden tatsächlich kaufentscheidend. Peter Drucker schrieb bereits 1954: „What gets measured, gets managed.“ Man muss eben nur das Richtige messen.
Eine gute Entscheidung ist eine, die die Kennzahlen in die gewünschte Richtung verschiebt. Wenn man sich also gute Kennzahlen überlegt und brauchbare Ziele festgelegt hat, fallen viele Probleme weg. Sie rahmen zudem deine Aufmerksamkeit ein: Die Auswahl der richtigen Kennzahlen bestimmt die große Erzählung über deine Firma. Worauf möchtest du die Aufmerksamkeit richten? Die deiner Mitarbeiter*innen? Die deiner Investoren? Und vor allem: deine eigene?
Wenn sich Großzügigkeit lohnt
Jedes Unternehmen und jede*r Selbständige braucht seine eigenen Kennzahlen. Wer sie richtig wählt, hat bei vielen offenen Fragen seine Entscheidungshilfe schon parat. Ein Wert, der etwa vielen Startups hilft, ist folgender: Was kostet die Gewinnung eines Kunden (Customer Acquisition Cost, CAC) und was lässt sich mit einem Kunden über die Gesamtdauer der Kundenbeziehung verdienen (Customer Lifetime Value, CLV)? Diese beiden Zahlen setzt du dann ins Verhältnis: Wenn du einhundert Euro für einen Neukunden ausgibst und mit ihm auf Dauer dreihundert Euro Gewinn erwirtschaftest, hast du ein Verhältnis von 1:3.
Dieses Verhältnis zu kennen ist wichtig, weil es den Fokus auf den potenziellen Kunden richtet. Wenn du abschätzen kannst, wie viel mehr eine Kundin langfristig einbringt, kannst du möglicherweise wesentlich großzügiger mit ihr sein. Du musst als Cafébetreiber*in die Sahne nicht extra berechnen oder das WLAN beschränken, wenn du weißt, dass deine Kunden bei gastfreundlicherem Umgang noch fünfzigmal wiederkehren werden (generell ist Gastfreundschaft eine gute Sache, aber manchem fällt sie deutlich leichter, wenn sie sich rechnet).
Gemeinsam Ziele festlegen
Über die Daten zu verfügen ist das eine, die ganze Organisation auf ihre positiven Auswirkungen einzuschwören, das andere. Eine Methode, die ich weiterempfehlen möchte, ist das von Intel-Gründer Andy Grove eingeführte System „Objectives and Key Results“. Diese Management-Technik stellt sicher, dass alle Mitarbeiter*innen wissen, was die Ziele des Unternehmens und ihrer Abteilung sind – und woran sie gemessen werden. Insbesondere wirken alle an der regelmäßigen Bestimmung ihrer Ziele mit, und die Gespräche darüber schaffen (manchmal unangenehme) Klarheit über die Prioritäten und die Machbarkeit bestimmter Vorhaben. John Doerr beschreibt in „Measure What Matters“ sehr anschaulich, wie dieses Verfahren ganze Unternehmen umkrempelt (und fast nebenbei die sinnlosen jährlichen Mitarbeitergespräche durch einen wöchentlichen Austausch ersetzt).
Wir haben Objectives and Key Results in unserem Unternehmen Steady eingeführt und dabei schnell gemerkt, wie schwer es ist, sich sinnvolle Ziele zu setzen – oder überhaupt erstmal eine brauchbare Datengrundlage zu schaffen. Oft schwanken die Ausgangsdaten so stark, dass eine Verbesserung kaum messbar wäre, oder die Daten liegen gar nicht erst vor. Doch diese Probleme disziplinieren: Anstatt wild herumzuprobieren oder Entscheidungen nach dem Bauchgefühl der Leute zu treffen, die sich zufällig gerade im Raum befinden, wird gemessen und rigoros am Problem entlang überlegt. Was könnten wir tun, um diesen oder jenen Wert nach oben oder unten zu treiben? Und wie würden wir das messen?
Drei Schritte bei schwierigen Entscheidungen
Wenn also das nächste Mal eine schwierige Entscheidung ansteht, frage dich:
Die Orientierung an Kennzahlen und ihre Festlegung im Team ist im Übrigen eine Strategie, das überkommene heroische Management durch sachorientierte Arbeit abzulösen: Wer die Zahlen auf seiner Seite hat, trifft nicht nur leichter gute Entscheidungen, sondern verfügt auch über die besseren Argumente.