Sie existiert nur in der virtuellen Welt und doch ist sie einer der bekanntesten Popstars der östlichen Hemisphäre – Hatsune Miku. Worin liegt ihr Erfolg begründet?
Ausverkaufte Konzerthallen und Millionen Fans auf der ganzen Welt, die fieberhaft Teil des Lebens eines Superstar sein wollen, der in echt gar nicht existiert. Die Avatar-Sängerin Hatsune Miku ist der wohl berühmteste Popstar Japans und ein Traum für jede Plattenfirma – denn alles was Hatsune singt, sagt oder tut liegt unter der Kontrolle ihrer Erschaffer. Ein gänzlich kontrolliertes Marketingprodukt der Musikbranche, was absehbar und leicht zu steuern ist? Falsch. Hatsune erlangte ihr Bekanntheit durch zwei Faktoren: Ihre kreative Anhängerschaft auf sozialen Medien und wiederum deren Reichweite. Denn die 100.000 Songs die unter ihrem Namen veröffentlicht wurden, wurden nicht von ihr oder einer Plattenfirma, sondern von ihren Fans produziert und geteilt.
Die ungewöhnliche Erfolgsgeschichte begann 2007, als der Hersteller Cryptons Future Media eine Computerspiel-Reihe namens Vocaloid veröffentlichte, die es den Spielern möglich machte, mithilfe eines Synthesizer-Software selbst Songs zu schreiben. Das Maskottchen der ersten Spielreihe war Hatsune Miku, die dem Programm ihr Aussehen und ihre Stimme lieh, welche eigens dafür programmiert wurde. Ihr Name stammt von der Verschmelzung der japanischen Wörter für erster (初 hatsu), Sound (音 ne) und Zukunft (ミ miku [n 1]) und bedeutet somit “der erste Sound der Zukunft”. Ein singender Avatar, der weltweit als Superstar gefeiert wird? Klingt nach Zukunft für uns.
Nico Nico Douga, eine japanische Website, die YouTube ähnelt, spielte dabei eine grundlegende Rolle für die Anerkennung und Popularität der Software. Kurz nach Mikus Veröffentlichung luden die Nutzer von Nico Nico Douga Videos von Songs hoch, die sie mit ihrer Soundbank erstellt haben. Als Mikus Bekanntheit und Popularität zunahm, wurde Nico Nico Douga ein Ort für Fans, die dort kollaborativ entstandene Inhalte mit anderen Fans teilten. Ihre Anhängerschaft auf ihren sozialen Netzwerken stieg jährlich, somit
folgten Auftritte in japanischen Animes und letztlich Talkshows auf der ganzen Welt, getoppt von ausverkaufte Welttourneen. Eine Bilderbuchkarriere eines Stars, der so gar nicht existiert.
Das sie nicht lebendig ist spielt bei ihren Fans keine Rolle
Man kriegt eine vage Vorstellung davon, wie populär Miku ist, wenn man das Internet nach ihr durchforstet. Doch die wirkliche Überraschung erwartet den Unwissenden beim Ansehen ihrer Konzertvideos. Mikus verschmelzen mit der realen Welt wurde durch ihre Hologramm-Auftritte auf der ganzen Welt perfektioniert. Auf den Videos sieht man eine Halle hysterischer Fans, die dankbar auf jede Regung Mikus reagieren und lauthals ihre Songs mit kreischen. Als Beobachter fragt man sich ungläubig: Wozu schreien, wenn die Projektion einen eigentlich gar nicht hören kann? Doch darum geht es ihren Fans nicht, die auf dem Konzert eher in die virtuelle Welt der Sängerin einzutauchen scheinen. Nächstes Jahr führt Miku ihre Weltournee nach Deutschland, genauer gesagt in die Verti Music Hall nach Berlin – Tickets sind noch zu haben! Zugegeben, wir sind Feuer und Flamme ein mal live dabei zu sein, wenn ihre Fans leidenschaftlich ihr Hologramm besingen.
Würdet ihr auch Mal bei einem Konzert von Hatsune Miku dabei sein wollen?
Dabei ist es bedenklich, wie Popularität heute so sehr über den Bildschirm abläuft, dass es gar nicht mehr relevant zu sein scheint, ob die Person dahinter tatsächlich existiert oder nicht. Ein weiteres Beispiel eines wahnsinnig populären Mädchens, das es in Wirklichkeit nicht gibt, ist die Sängerin Miquela. Unglaubliche 1,6 Millionen Menschen verfolgen täglich ihr virtuelles Leben auf Instagram, hören ihre Musik und kommentieren zahlreich ihre Bilder – und das obwohl ihren Abonnenten klar sein sollte, dass all ihre Fotos und Musikvideos ein Produkt extrem talentierter ComputeranimateurInnen sind.
Es ist interessant unser Verhalten in der virtuellen Welt zu beobachten und festzustellen, dass wir allem Anschein nach gefallen daran finden, Personen auf sozialen Medien zu folgen wenn sie uns begeistern, uns emotional an sie zu binden und sie zu bewundern. Wir wollen konsumieren, bewegt werden und mitfühlen. Da scheint es letztlich zweitrangig, ob alles was wir sehen lediglich erfunden ist.
Header-Credit: Danny Choo, CC BY-SA 2.0.