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Foto: Ibrahim Evsan

Was ist Ihr Antrieb, Herr Evsan? – Interview mit sechsfachem Gründer

Ibrahim Evsan ist Digitalisierungsexperte. Seit über 23 Jahren ist er in der digitalen Szene tätig. Mit uns spricht er über sein neues und damit sechstes (!) Unternehmen, künstliche Intelligenz und warum er sich mehr für die Zukunft interessiert als für Dinosaurier.

Immer mit dem Blick nach vorne: Ibrahim Evsan.

Ibrahim Evsan erlangte vor allem durch die Gründung des Videoportals sevenload große Bekanntheit, das er 2006 zusammen mit Thomas Bachem, dem jüngsten Hochschulkanzler Deutschlands, gründete. Das als deutsche Antwort auf YouTube geplante Portal wuchs beständig und wurde 2010, am Höhepunkt des Erfolgs, vom Burda Verlag übernommen. Vier Jahre später gab der Verlag das Ende von sevenload bekannt.

Evsan hatte kurz vor der Übernahme, im Oktober 2009, seinen Ausstieg bei sevenload erklärt, um sich “United Prototype“, seiner neuesten Gründung zu widmen. Dort entwickelte er, wieder zusammen mit Bachem, das Social Game Fliplife. Ab 2012 spezialisierte sich Evsan dann auf Social Media und gründete 2014 die Social Trademark GmbH, wo Führungskräften bei der Erstellung ihrer Online-Identität geholfen wird.

Vor 18 Monaten hat Evsan nun wieder ein neues Unternehmen gegründet: Connected Leadership. Sein hohes unternehmerisches Engagement im digitalen Bereich macht ihn damit zu Deutschlands führenden Experten auf dem Gebiet. Und er ist voller Begeisterung, wenn er von digitaler Transformation spricht. Obwohl er sich in einem Umfeld der großen Worte befindet, hat er eine angenehme, klare Sprache.

In einem Artikel der Gründerszene war zu lesen, dass es circa alle vier Jahre für dich Zeit wird, etwas Neues zu wagen. Und tatsächlich hältst du diese Taktung seit 2002 relativ konstant bei. Deine neueste Gründung, Connected Leadership, ist bereits das sechste Unternehmen, das du aufbaust. Was ist dein Antrieb, immer von Grund auf neu anzufangen? Und was hat es mit den vier Jahren auf sich?

Vor acht Jahren galt Sevenload noch als das “deutsche Youtube”. 2014 wurde das Geschäft aufgegeben.

Mein Antrieb lässt sich relativ simpel erklären: Mir wird schnell langweilig. Man wird nach einiger Zeit zum Fachidioten. Zwar auch zu jemandem, der seine Arbeit sehr, sehr gut macht, aber man gerät in eine Routine und ich bin gar kein Routine-Mensch. Ich habe vier Jahre „Video“ gemacht mit Sevenload – irgendwann ist man dann Experte, weiß alles und es passiert nichts Neues mehr: Nach dem x-ten Kunden ist alles gleich, man kann sich einfach nicht mehr weiterentwickeln.

Das heißt, nach vier Jahren hat man alles drauf?

Wenn man es so wie ich macht, ja. Ich suche mir etwas aus und beschäftige mich dann ausnahmslos mit dem Thema, lasse mich überhaupt nicht mehr ablenken. Dann reichen vier Jahre aus.

Im Büro braucht man Raum und Platz. “Denn Platz heißt Kreativität.” Foto: Alexander Pemberton

Ist es also die Vermeidung von Langeweile, die dich antreibt?

Mein Antrieb ist eher, dass ich mich persönlich weiterentwickeln möchte. Es ist ein Kampf mit dir selbst. Lass los! Sei ein Selbstentwickler und schaue immer nach vorne! Die Selbstentwicklung ist Freiheit. Und diese Freiheit habe ich auch in meinen Büros: Sie sind groß, hoch und extrem aussagekräftig. Man braucht Raum und Platz, denn Platz heißt Kreativität. Und kreativ sein kann man nicht, wenn man tagtäglich über längere Zeit dasselbe tut.

Wie hat sich die Startup-Szene seit 2009 verändert? Ist es heute einfacher oder schwieriger mit einer guten Idee Erfolg zu haben?

Heute ist es sehr viel schwieriger, denn heute sind die Investoren extrem aufgeklärt. Und es gibt verdammt viel Konkurrenz. Dadurch sind auch gute Mitarbeiter selten, man kriegt sie nur mit einer geilen Story. Insgesamt müssen Gründer heutzutage viel mehr draufhaben als früher. Das fängt schon bei der Inszenierung an: Man muss sich präsentieren können, ohne arrogant zu wirken. Und dann gibt es eine Million Leute mit derselben Idee. Und wenn es läuft, dann muss man gleich extrem groß denken und am besten für Investoren sofort internationalisieren.

Das Startup-Umfeld hat sich laut Evsan geändert. Eine gute Idee allein reicht nicht mehr, um eines der oberen Stockwerke zu beziehen.

Und trotzdem haben wir auch heute noch sehr mutige Leute, die keine Berater mehr bei McKinsey sein wollen – echte Mutbürger.

Dann bist du auch ein Mutbürger: Dein neues Projekt, Connected Leadership, begleitet Führungskräfte beim digitalen Wandel. Welche Strategien verfolgt ihr dabei?

Wir sind auf eine ganz simple Art und Weise philosophisch. Wir zeigen, was man tun muss, um die digitale Welt zu verstehen. Das heißt: Denkmuster verändern, neue Wege gehen, Altes durch Neues ersetzen.

Das Problem ist, dass Führungskräfte sich nicht trauen zuzugeben, dass sie keine digitale Kompetenz haben. Deshalb bieten wir Schulungen an: Wir haben 12 Module der digitalen Transformation und 122 Komponenten. Diese Schulungsunterlagen gehen wir zusammen mit dem Kunden durch und machen sie in weniger als sechs Monaten zu Top-Experten der digitalen Transformation.

Das machen wir nun seit 18 Monaten und ich bin extrem happy. Ich arbeite komplett nach dem New Work-Prinzip, denn es ist eine One-Man-Show mit einem Team aus 10 Experten, die kundenspezifisch nur dann zum Einsatz kommen, wenn es passt.

Wir denken: Künstliche Intelligenz ist nur Zukunftsmusik. Dabei kommt sie schon jetzt in etlichen Firmen zum Einsatz.

Nicht nur die Digitalisierung, auch die Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) beeinflusst schon heute unseren Alltag. Dieser Trend wird sich in Zukunft aber noch verstärken und könnte sogar eine u. U.  gefährliche Eigendynamik entwickeln. Wie siehst du diese Entwicklung?

Künstliche Intelligenzen werden erstmal lange Zeit nur den Menschen dienen. Wir werden es nicht mehr erleben, dass das irgendwie extrem auf uns zurückfällt. Denn wenn wir gute Menschen sind, wenn wir nicht lügen, betrügen, stehlen, dann wird alles gut, dann wird es keine Nachteile für uns geben. Sie sind ja auch schon da! Im iPhone, in Alexa, Google, Facebook, da sind überall künstliche Intelligenzen drin – wir verstehen es nur nicht richtig. Denn die ganzen Datenmengen wären ohne KI gar nicht bearbeitbar; die Art und Weise der Nutzung von Milliarden Nutzern wäre gar nicht erfassbar ohne KI.

Aber jetzt, wo man schon dabei ist und es so gut funktioniert, wird es schnell zu einer Sucht. Wir Menschen fragen uns: Wie weit können wir eigentlich gehen? Es geht hier um menschliche Neugier. Und wir werden KIs so lange weiterentwickeln, bis sie so sind, wie wir uns das in Filmen und im TV schon ausgemalt haben. Aber dann wird es kompliziert: Das Militär beginnt zu investieren, es beginnt ein Wettlauf und schließlich sind KIs genauso mächtig, wie wir uns das in der Science-Fiction ausgemalt haben.

Um einer Übermacht der KI vorzubeugen, hast du gefordert, ein eigenes abgeschlossenes Netz für selbstlernende Programme zu kreieren, welchem dann im Notfall der Stecker gezogen werden kann. Inwiefern hilft uns aber eine Alexa, wenn sie auf das Wissen der Wikipedia nicht zugreifen kann, die neuesten Nachrichtenmeldungen nicht kennt und man online keine Bestellungen vornehmen kann?

Evsan vermeidet inzwischen eine intensive Nutzung seines Smartphones. “Der Kopf neigt sich immer mehr nach unten.” Er nimmt sich Zeit, um ungestört und konzentriert ausgewählte Texte zu lesen.

Das würde sie ja, die Netze kann man ja untereinander verbinden. Es geht nur darum, dass wir ein weiteres Netz etablieren. Das World Wide Web für Menschen, das Internet Of Things für, unter anderem, künstliche Intelligenzen. Brücken zwischen beiden darf es ja geben, aber sollten die KIs so schlau werden, wie wir das heute schon ahnen und sich austauschen – dann wäre das Abschalten dieses Netzes unsere letzte Rettung vor dem Terminator.

Wie hältst du dich über das Tagesgeschehen auf dem Laufenden? Was ist deine Lieblingsmedien-App?

Mobil meide ich Nachrichten so gut es geht, denn mein Kopf neigt sich immer mehr nach unten und das mag ich einfach nicht. Deshalb habe ich auch alle News-Apps, bis auf Blendle, gelöscht.

Nachrichten lese ich mittlerweile lieber am Rechner. Das geht schneller und effektiver, außerdem kann ich PDFs direkt abspeichern. Dann lese ich sehr gezielt und bleibe bei meinem Thema: Digitales. Epigenetik und spirituelle Themen interessieren mich jedoch auch zunehmend. Mit Trump und Erdogan will ich aber nichts mehr zu tun haben. Jede Nachricht, die mich traurig macht, wird eliminiert.

Immer wieder wirst du als eine der einflussreichsten Social-Media-Persönlichkeiten im deutschsprachigen Raum genannt. 2017 wurdest du zu einer der LinkedIn-”Top Voices” gewählt. Soziale Medien ändern sich rasant: Gerade hat Facebook insbesondere für Publisher schmerzliche Änderungen am Algorithmus vorgenommen. Worauf kommt es also heute an, wenn man in Social Media erfolgreich sein will?

Erstaunlicherweise ist meine Antwort: Je weniger du postest, desto besser. Ich glaube, mittlerweile muss ein Posting einen absoluten Mehrwert bringen. Und es geht heute darum, seine Kompetenz darzustellen, das Maximale herauszuholen. Dazu ein gutes Beispiel: Anstatt mehrere Artikel hintereinander zu schreiben, mache ich heute lieber nur einen. Dann kann ich mich intensiv damit beschäftigen.

Ergo: Die Reduktion von Social Media ist unfassbar wichtig, um seine eigene Kompetenz stärker aufzubauen. Ich habe meine Social Media Zeit in der Woche auf drei Stunden reduziert. Seitdem geht es mir viel besser und ich verdiene auch mehr. Viele sind wie ein Social-Media-Trüffelschwein unterwegs: Sie wollen das Neueste gleich erreichen. Da stellt sich mir die Frage: Warum überhaupt? Ich bin ja kein Journalist.

Bei der Möglichkeit einer Zeitreise ginge es für Ibrahim Evsan ins Morgen!

Meine abschließende Frage: Wenn du durch die Zeit reisen könntest, wohin würde es gehen?

Mich hat die Vergangenheit im Allgemeinen, bis auf die Geschichte, nicht interessiert. Es gibt daher wenig Dinge, die ich hätte erleben wollen. Natürlich hätte ich Steve Jobs, Jesus und Buddha gerne mal die Hand geschüttelt. Sonst fällt mir aber nichts ein. Dinosaurier, der Zweite Weltkrieg, Woodstock – ich möchte gar nicht dahin zurück. Mich interessiert die Zukunft! Was wird genutzt? Werden wir fliegende Autos haben? Werden wir Roboter-Menschen haben? Das interessiert mich hundertfach mehr, ich bin da sehr zukunftsorientiert.

Vielen Dank für das Gespräch!