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Eine Bank muss nachhaltig, gemeinschaftlich und vor allem menschlich sein – Interview mit Nadin Chucher

Nadin Chucher entwickelt für das Quartier Zukunft der Deutschen Bank das Filialgeschäft von morgen. Zum 5-jährigen Jubiläum des Zukunftshubs haben wir mit ihr darüber gesprochen, worauf es in den nächsten Jahren in der Finanzwelt ankommt und warum Banking von morgen nicht nur nachhaltig und gemeinschaftlich, sondern auch politisch sein muss.

In den letzten zwei Jahren ist viel passiert: Pandemie, Turbulenzen auf dem Finanzmarkt, ein neuer Präsident in den USA, Wahlen auch bei uns in Deutschland – welche Rolle spielen diese Themen in eurem Arbeitsalltag?

Am meisten spürt man die Pandemie und die damit verbundenen Ängste der Menschen. Aber natürlich haben auch geopolitische Veränderungen einen Einfluss auf unsere Arbeit. Während der Pandemie hat sich alles verändert: Als plötzlich der Kontakt und die Begegnungen mit Menschen unterbunden wurden, waren wir in unserer Arbeit sehr eingeschränkt. Wir mussten digitale Lösungen finden, um mit unseren Kunden und Kundinnen in Kontakt zu bleiben. Was uns im Team am meisten gefehlt hat, waren spontane Momente. Alles war geplant. Diese Struktur hat zwar geholfen, durch diese Zeiten zu kommen, doch dabei ging die Spontanität total verloren. Niemand kommt unerwartet in ein Skype-Meeting rein. Und diese zufälligen Begegnungen sind ja eigentlich das, was das Leben ausmacht. Jetzt, wo das langsam wiederkommt, lerne ich das unglaublich zu schätzen.

Gab es während der Pandemie Situationen, in denen du den Kunden besonders zur Seite stehen konntest?

Wir haben relativ schnell nach dem Lockdown gemerkt, dass wir systemrelevant sind – so wurden wir von der Regierung eingestuft. Was das genau bedeutet, wurde schnell klar. Fast jeder hatte neben den gesundheitlichen und privaten auf einmal auch finanzielle Themen. Kann ich mir meine Finanzierung noch leisten? Sollte ich meine Altersvorsorge brach liegen lassen? Wird mein Job auch in Zukunft noch gebraucht? Toleriert es mein Arbeitgeber, wenn ich nebenbei im Homeoffice noch meine Kinder betreue? Da waren wir sehr schnell mit den Menschen im Gespräch und haben bemerkt, dass das auch wirklich gewünscht war. Wir konnten gut zeigen, was für flexible Möglichkeiten es überhaupt gibt. Wie kann man auch finanziell gut durch so eine Zeit kommen?

Kann es überhaupt eine Bank ohne eine physische Bankfiliale geben?

Es gibt viele Banken, die keine physische Filiale haben. Und mit Apps wie zum Beispiel der Deutsche Bank Mobile App kann man ja auch immer mehr Bankgeschäfte online erledigen. Die eigentliche Frage ist eher, was der/die Kund:in braucht und sich wünscht. Ist es für den/die Kund:innen in Ordnung, alles online zu erledigen? Auch wenn man mal ein Problem hat und dann alleine dasteht? Oder werden der Austausch und die Meinung des Gegenübers geschätzt, um wichtige Entscheidungen nochmal zu überdenken und vielleicht eine bessere Alternative zu treffen? Da sehe ich uns weniger als reinen Ort, wir können das Gespräch ja auch telefonisch oder digital führen, sondern als Menschen. Eine richtig gute Bank ohne Menschen gibt es nicht. Man kann natürlich auch ein Restaurant ohne Kellner führen, in dem alles computergesteuert ist. Aber es ist einfach nicht das gleiche Erlebnis ohne eine gute Beratung. Im Restaurant vertraut man auch auf die Weinempfehlung des Kellners. Der menschliche Kontakt und der Austausch sind am Ende nicht durch Digitales zu ersetzen, vor allem nicht in puncto Finanzen.

“Eine richtig gute Bank ohne Menschen gibt es nicht. Der menschliche Kontakt und der Austausch sind am Ende nicht durch Digitales zu ersetzen, vor allem nicht in puncto Finanzen.”, findet Nadin Chucher. Bild: Alicia Kassebohm

Und was macht eine Bank menschlich?

Zum Beispiel eine eigene Meinung zu haben und für diese Meinung auch gerade zu stehen. Für Kundinnen und Kunden in verschiedenen Lebensphasen da zu sein, nicht immer nur dann, wenn alles gut läuft. Wir können als Bank menschlich sein, indem wir unterschiedliche Lebensmodelle fördern und in unterschiedlichen Lebenssituationen da sind. Das gilt auch innerhalb der Bank: Als Mitarbeiterin der Deutschen Bank ist es auch für mich wichtig, wie mein Arbeitgeber mit mir während der Pandemie umgegangen ist. Organisatorisch hat uns die Bank schnell in die Lage versetzt unter den besonderen Bedingungen weiter für die Kunden da zu sein und gleichzeitig meine Arbeit auf meine persönliche Situation abzustimmen. Es ist mir auch als Führungskraft enorm wichtig gewesen, meinem Team eine Sicherheit zu vermitteln. Ich wusste, dass wir für die Kunden und Kundinnen eine funktionierende Plattform sind. Dieses gute Zusammenspiel hat mich ungemein beruhigt.

Für alle, die das „Quartier Zukunft“ vielleicht nicht kennen: Ihr seid jetzt seit fünf Jahren da. Was ist an eurer Filiale anders als an anderen Banken oder auch an anderen Filialen der Deutschen Bank?

Alles was hier gelebt wird und alles, was wir an Formaten anbieten, haben du und andere Menschen fortlaufend entwickelt. Alles, was das Quartier ist, entspringt den Wünschen und Anforderungen unser Kunden und Kundinnen und das macht uns einzigartig. Das erklärt auch, warum die Menschen unsere Angebote immer wieder annehmen.

Ihr seid eine klassische Bank, aber habt auch einen Club mit angesehen Mitglieder:innen aus der Kultur-, Kreativ- und Startup-Branche Berlin. Einen kostenfreien Coworking-Space und jetzt seit neustem eine NachhaltigkeitsGalerie. Welche Überraschungen hast du bisher bei euch erlebt?

Mich haben besonders die Dinge überrascht, über die ich im Vorfeld gesagt habe: Das wird nie was. Und dann ist es doch was geworden, weil wir es einfach zugelassen haben und die Wünsche unserer Kund:innen aufgenommen haben. Ich habe nie damit gerechnet, dass es Menschen gibt, die einen Mitgliedsantrag für den Deutschen Bank Club unterschreiben und dafür einen Jahresbeitrag zahlen. Das war für mich am Anfang unvorstellbar. Heute ergibt das für mich allerdings total Sinn: Das ist ein Raum, in dem sich Menschen austauschen, einander vertrauen können. Heute ist das eines unserer wichtigsten Angebote und auch das erste, das wir nach dem Lockdown wiederbelebt haben. Die Nachfrage ist nach wie vor hoch, denn letzten Endes wollen Menschen nicht nur digital, sondern real mit anderen Menschen zusammenarbeiten.

Richtig fasziniert hat mich die Energie von meinem Team hinsichtlich unserer Q-Gallery . Unser Wunsch war es, das Thema Nachhaltigkeit greifbar zu machen und das auf allen Ebenen. Also nicht nur die ökologische, sondern auch die soziale und unternehmerische Ebene abzubilden. Wir wollten Emotionen auslösen und einen Ort schaffen, den man hier im Quartier Zukunft, aber auch virtuell erleben kann. Die Dynamik, wie fast täglich neue Ideen aus der Kundschaft und aus dem Team dazukommen, macht mich schon etwas stolz.

Qiio-Chefredakteur Claudio Rimmele und Quartier Zukunft Leiterin Nadin Chucher im Interview. Foto: Frank Schröder

Jetzt mal zu den aktuellsten Trends: Auch in der Finanztechnologie hat sich wahnsinnig viel getan, zum Beispiel in den Bereichen Blockchain und Kryptowährungen. Was ist dein Blick auf diese Trends?

Ich bin keine Krypto- oder Blockchain-Expertin, obwohl ich das Thema total spannend finde. Ich habe viele Kund*innen, die eigentlich Sicherheit wollen und die trotzdem zum Beispiel von  Bitcoin fasziniert zu sein scheinen. Da ist mein Gefühl eher mulmig und das sage ich auch offen. Ich will gar nicht ausschließen, dass man mit Investments in Bitcoin unter Umständen Geld verdienen kann. In der Vergangenheit sind starke Kurse oft auf Äußerungen von Unternehmen oder berühmten Einzelpersonen gefolgt. Negativ haben im Gegenzug Äußerungen von Regulatoren gewirkt, die darauf abzielen, den Kryptobereich stärker zu beaufsichtigen. Ich halte ein Investment daher für hoch spekulativ und nicht für einen „sicheren Hafen“. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil es mittlerweile tausende von Kryptowährungen gibt. Und die Notenbanken wollen ebenfalls eigenes E-Geld bzw. Digitalwährungen entwickeln.

Was ich auch als großen Trend ansehe, ist, seine Meinung  als Privatperson auch in seinem beruflichen Umfeld kundzutun und diese auch demokratisch zu diskutieren. Das ist im Bankensektor neu, normalerweise war es verpönt, mit Kund:innen zum Beispiel über Politik zu sprechen, weil das Konflikte erzeugen kann. Das hat sich jetzt geändert, da die Kund:innen nicht nur eine Bankmeinung hören wollen, sondern auch die private Meinung von Nadin Chucher und den anderen Kollegen und Kolleginnen. Ich finde es gut und richtig, wenn wir diesen Trend aufgreifen und sachlich miteinander diskutieren. Die meisten Menschen möchten nicht, dass man ihnen nach dem Mund redet, sie wollen einen Austausch und wissen: „Mit der kann man auch mal gepflegt diskutieren.“ Es besteht sicherlich die Gefahr, einzelne Personen durch diese Offenheit zu verlieren, aber ich bin davon überzeugt, dass sich durch diese Transparenz ganz neue Türen öffnen.

Diskussion gehört genauso zum Bankengeschäft von morgen dazu, wie Gemeinschaft, findet Nadin Chucher. Auch auf die Gefahr hin, den ein oder anderen zu verlieren. Das sei in der Finanzwelt neu – nicht jedoch im Quartier Zukunft. Bild: Frank Schröder

Welche politischen Themen sind für die Finanzmärkte gerade wichtig und gesprächsrelevant?

Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Finanzmärkte, wie insgesamt für die Gesellschaft, extrem relevant. Das spielt natürlich auch in immer mehr unserer Gespräche mit Gästen eine große Rolle. Viele Impulse für Diskussionen kamen zuletzt von der UN-Klimakonferenz in Glasgow. Ich mag es persönlich übrigens nicht, wenn Nachhaltigkeit manchmal als Trend betitelt oder auf eine reine Herausforderung im unternehmerischen Alltag verkürzt wird. Beides ist viel zu kurz gegriffen. Ein Beispiel: Wenn man sich als Unternehmen nicht nachhaltig aufstellt, dann ist man auf längere Sicht nicht mehr zukunftsfähig, das ist in meinen Augen klar. Natürlich gibt es darüber hinaus noch viele andere Themen, die für die Märkte relevant sind und auch in unser Quartier Zukunft abstrahlen. So etwa das Thema einer globalisierten Gesellschaft, das Thema Diversität in verschiedenster Hinsicht oder das Thema der Chancengerechtigkeit für nachkommende Generationen.

Was würdest du an der Gesellschaft jetzt radikal ändern, wenn du könntest?

Ein Thema, was mich seit einigen Monaten umtreibt und auch durch die Pandemie befeuert wurde, ist der Gedanke an ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist gar nicht nur ein rein finanzielles Thema, sondern ein gesellschaftliches. Damit verbunden sind die Chancen, die wir Menschen haben und auch insbesondere Kindern geben können. Ich bin gar nicht sicher, ob ich ein bedingungsloses Grundeinkommen per se gut oder schlecht finde. Die Pandemie hat jedenfalls verdeutlicht, wie unterschiedlich die Ausgangslagen verschiedener Menschen sind. Es gab sehr viele Kinder, die keine technische Ausstattung hatten und kein ordentliches Homeschooling machen konnten, die kein WLAN, keinen Drucker oder Laptop besaßen. Diesen Kindern könnten wir durch bedingungsloses Grundeinkommen gleiche Bildungschancen verschaffen. Das Zweite, was mich daran fasziniert, ist, wie wir Geld verdienen: So viele Menschen sind unglücklich, weil ihnen ihr Job nicht gefällt und sie nicht das machen, was ihnen Spaß macht. Gerade Dinge, in denen wir eigentlich gut sind, werden schnell als nicht relevant abgetan, wenn man damit kein Geld verdienen kann. Wenn wir ein bedingungsloses Grundeinkommen hätten, würden wir unsere Berufe vielleicht eher nach Leidenschaft auswählen und damit vielleicht auch viel glücklicher sein.

Was ist in den nächsten fünf Jahren für das Quartier Zukunft geplant?

Wir arbeiten mit Leidenschaft an verschiedenen Themen. Wir haben diese Fragen auch einer jungen Nachwuchsgruppe gestellt, die das in einem Projekt bearbeitet hat und mit Kund:innen ins Gespräch gekommen ist. Was müssen wir eigentlich tun, um in fünf Jahren noch Standort der Zukunft zu sein? Zum einen müssen wir uns mit einer transparenten Meinung zeigen und Position zu wichtigen Fragen der Zeit beziehen. Zum anderen bemühen wir uns um Plattformen und Veranstaltungsformate, sodass Menschen mit uns diskutieren und mit dieser Meinungsbildung auch bessere eigene Entscheidungen treffen können. Wir bieten weiterhin Workshops an, weil die nachwachsende Generation sich lieber in der Gemeinschaft austauscht, als im Zweiergespräch. Die Bank der Zukunft ist ein Ort der Begegnung: Du kommst gerne dorthin, auch ohne ein konkretes finanzielles Anliegen. Wenn du dann aber genau ein solches mal hast, weißt du bereits genau, wo du wirklich gut aufgehoben bist.

Ihr habt euch auch dazu entschieden, keine Party anlässlich des fünften Geburtstages des Quartier Zukunft zu machen, sondern das Geld lieber zu spenden. Wie kam es zu dieser Idee?

Zu unserem fünften Geburtstag hatten wir uns im Vorfeld auf ein schönes Fest mit einem umfangreichem Rahmenprogramm eingestellt und wollten ein tolles Event für Kund:innen und Partner schaffen. Die aktuelle Lage gibt das aber aus vielerlei Hinsicht nicht her, sodass wir uns für eine zeitgemäße Alternative entschieden haben. Das fühlt sich richtig an und ich bin total happy damit. Wir spenden an fünf Organisationen, die sich in der Region Berlin/Brandenburg engagieren. Die Unternehmen sind vielfältig und setzen sich für Themen ein, die auch uns als Team und als Bank am Herzen liegen.

Das Quartier Zukunft feiert dieses Jahr im November seinen fünften Geburtstag.

Kannst du uns ein bis zwei Beispiele geben, welche Themen das sind?

Die angesprochene Chancengleichheit bei der Bildung junger Menschen ist unser größtes Herzensthema. Dort haben wir mit der Arche und Straßenkinder e.V. gleich zwei Projekte im Fokus. Große Gemeinsamkeiten mit unserer Arbeitsweise habe ich bei der digitalen Arbeit mit den jungen Leuten gesehen. Eine enge Verbundenheit zur LGBTQ+ Community pflegen wir als Team und Bank bereits seit sehr vielen Jahren und haben dort viele Kollegen und Kolleginnen, die sich auch in Ihrer Freizeit für den LSVD engagieren. Das Team im Quartier Zukunft ist sehr vielfältig. Wir haben z. B. viele Mütter und Väter, die einen individuellen Weg zurück ins Berufsleben gegangen sind – individuell in Bezug auf Dauer der Elternzeit und Verteilung in der Familie. Wir haben daher auch einen Kitaträger unterstützt, der sich den unterschiedlichen Familienbildern und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit Leidenschaft annimmt.

Neugierig auf die Arbeit vom Quartier Zukunft? Vorbeischauen in der Friedrichstraße 181 lohnt sich.