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Bild: Sucuk und Bratwurst

Kryptokunst: Nach dem Hype ist vor der Anwendung

Der Hype ist vorbei, die Kryptowährungskurse frisch eingebrochen und all das mitten in einer Gemengelage von Nachrichten und ein paar Tweets von Elon Musk.

Was bleibt vom Hype, jetzt, wo die Stimmung rund um NFTs nicht mehr so euphorisch ist? Non-fungible Tokens, eine Art Echtheitszertifikat für digitale Assets, sorgten für Furore in der Kunstwelt und im Internet. Alles – von Memes bis Videos – wurde plötzlich versteigert. Die Antwort darauf kristallisiert sich dann heraus, wenn man kurz innehält, anstatt einfach zum nächsten Trend weiter zu scrollen. Während vor allem der NFT-Markt für Kryptokunst sehr sichtbar ist, kann die Technologie, die den NFTs zugrunde liegt, eigentlich mehr. Wie es weitergehen kann? Wir haben mit Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen gesprochen.

Was sagt ein Kurator? – Benedikt Seerieder, Kurator

„NFTs funktionieren als Technologie erst mal neutral“, so der Kurator Benedikt Seerieder. Er sieht sie in einer Reihe von verschiedenen Monetarisierungspraxen, die die Kunstgeschichte immer wieder hervorgebracht hat. Die viel spannendere Frage ist, so findet er: Wie gestaltet sich die künstlerische Beschäftigung mit der Blockchain? Seerieder sieht hier das Potenzial für die Offenlegung von Narrativen, Werten und Ästhetiken. Wer steckt hinter den Blockchain-Unternehmen und wie können die der Blockchain zugrunde liegenden Technologien erklärt werden? Kunst kann hier eine vermittelnde Rolle einnehmen, die ein hochkomplexes Thema in eine anfassbare Gegenwart holt. So können auch viele der Hemmungen abgebaut werden, welche in Zusammenhang mit NFTs auftreten, und zugleich zu ihrer Legendenbildung beitragen.

Benedikt Seerieder ist Assistenzkurator an der Kunsthalle Baden-Baden. Foto: Derick McKinney

Was sagt der Gesetzgeber? – Sophie Beaucamp, Urheberrechtsexpertin

Auf die Frage, ob es jetzt dringenden Regulierungsbedarf seitens des Rechts gibt, winkt Sophie Beaucamp ab. Doch was genau wird eigentlich gehandelt, wenn ein NFT verkauft wird? Das ist aus rechtlicher Sicht zunächst unklar, denn Klarheit kann nur über gesonderte Vereinbarungen geschaffen werden. An digitalen Gütern besteht nach aktueller Rechtslage kein Besitz, grundsätzlich können nur Rechte daran übertragen werden. Viele Plattformen tun genau das: Sie definieren Lizenzen für die Verwendung der verkauften digitalen Objekte. „Die Notwendigkeit einer Regulierung ergibt sich, wenn Verbraucher geschützt werden müssen“, sagt Beaucamp dazu und verweist auf das Beispiel des Aktienmarkts. Aktuell ist aber die Blase, in der NFTs gehandelt werden, noch sehr klein und nischig. Was die Zukunft bringen wird? Darauf können wir gespannt bleiben.

Was sagen die Content Creator? – Designstudio Sucuk und Bratwurst

Wenn die Ästhetik von NFTs eine Bildsprache spricht, dann eindeutig die der 3D-gerenderten Bilder. Das Berliner Design-Studio Sucuk und Bratwurst wurde mit genau dieser Ästhetik bekannt und hat sich in die NFT-Bubble getraut. Für sie bieten die NFTs eine neue Vertriebsmöglichkeit für ihre Arbeiten, die vor allem im digitalen Raum stattfinden. Ihre Arbeiten leben von der Internet-Ästhetik, wie zum Beispiel das Video „Broken Dreams“, auf dem jemand einen zersplitterten Plasma-Bildschirm boxt und so zum Flirren bringt. Das Video wurde im März als NFT verkauft und war damit der erste durch die Blockchain geregelte Verkauf des Studios, das sich auch einen Namen mit Markenkooperationen gemacht hat. Dennoch sehen sie die Anwendung nüchtern: Letztlich, so sagen sie, braucht man die NFTs nur bei Werken, die ein Echtheitszertifikat erfordern. Für die Schnittstelle von Design und Kunst wird die Technologie damit zur digitalen Signatur – ganz pragmatisch.

Das Berliner Design-Studio Sucuk und Bratwurst hat sich in die NFT-Bubble getraut. Foto: Tereza Mundilova

Was sagt ein Maler? – Sholem Krishtalka, Maler

Für den Maler Sholem Krishtalka weisen NFTs auf ein Missverständnis hin: die mittlerweile sehr geläufige Verwechslung von Kunst und Kunstmarkt. „Kunst selbst und der Handel mit Kunst sind verschiedene Dinge“, sagt er. Er sieht die Entwicklung kritisch und glaubt nicht, dass NFTs der Kunst per se guttun. „Kunst lebt davon, dass sie erlebt wird, nicht davon, dass man sie besitzt“ und damit verweist er auf die Frage, wie Kunst in einem Medienumfeld, das von Bildschirmen und sozialen Netzwerken geprägt ist, funktionieren kann. Die Pandemie lässt sich aus dem Hype um bildschirmbezogene Kunst schwer rausrechnen. Jetzt, wo Lockerungen langsam in Kraft treten und Galerien und Museen in absehbarer Zeit wieder öffnen oder bereits geöffnet sind, wird erlebbarer und unfassbarer Kunst (natürlich immer hinter der Museumslinie) vielleicht eine neue Rolle zukommen.

Was sagt ein Unternehmer? – Cem Tekin

Wenn man mit Cem Tekin spricht, wird sofort klar: Er steckt sehr tief im Thema. „Am Anfang habe ich mich durch viele Discord-Gruppen, Telegram-Chats und Twitter-Acounts geklickt”, erzählt Tekin vom Anfang seiner Begeisterung für NFTs. Seine Reise begann bereits 2017 und mittlerweile hat der Unternehmer und Filmemacher mehrere NFTs in seiner privaten Sammlung. Auch wenn er nicht komplett unwirtschaftlich mit seinen Käufen umgeht, wie er sagt, ein bisschen Sammelleidenschaft gehört schon dazu. „Was mich emotional sehr berührt hat, war die Möglichkeit, dass Content Creator und visuelle Künstler:innen mit NFTs  Wertschätzung und Vergütung für ihre Arbeit erhalten können.” Damit können die Menschen ein Einkommen erzielen, die vorher von den Mechanismen des Kunstmarkts ausgeschlossen wurden. Neben der Anwendung im Kunstmarkt sieht Tekin noch viel Potenzial in anderen Bereichen. Wenn erstmal die Fehler der aktuellen Systeme beseitigt und NFTs in der Herstellung nicht mehr so teuer und energieintensiv sind, können ganz neue Produkte auf den Markt kommen. Was im Gespräch mit Cem Tekin klar wird: Noch ist die Technologie vielleicht eher was für die Nische, aber bald kann sie schon ganz neue Möglichkeiten eröffnen, die über den Kunstmarkt und über Collectibles hinausgehen.

Was bleibt vom NFT-Hype?

Der Hype ist vielleicht vorbei, aber die Technologie ist noch lange nicht ausgeschöpft. NFTs haben an sich großes Potenzial, da sie eine Möglichkeit bieten, sogenannte Smart Contracts, also automatisierte Aufträge oder Vorgänge auf der Blockchain auszulösen und weiterzuentwickeln. Zudem zeigen sie, wie die Tokenisierung der Welt voranschreitet: Wie ein Spiegelbild der realen Welt werden Objekte so ins Digitale gehoben und selbst ein Instagram-Post oder ein Meme kann zum handelbaren Token oder Objekt werden. Und auch wenn wir aktuell nur begrenzten Nutzen sehen, NFTs werden nicht einfach verschwinden – sie werden neue Anwendungsbereiche finden. Welche? Darüber können wir aktuell nur spekulieren.