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Mario Galla – Mehr Vielfalt für die Modebranche

Mario Galla hat in jungen Jahren bereits eine beeindruckende Karriere als Model hingelegt – mit einem besonderen Alleinstellungsmerkmal: Sein rechtes Bein ist kürzer und er trägt eine Prothese. Beim Event #Segelsetzen von Deutsche Bank in Hamburg inspirierte er als Speaker die Gäste mit seiner Erfolgsgeschichte. Wir durften vor dem Panel unter vier Augen mit ihm sprechen.

Könntest du uns ein wenig von deinen Anfängen erzählen? Wie bist du überhaupt zum Modeln gekommen?

Ich wurde damals ganz klassisch in einem Imbiss angesprochen. Eigentlich wollte ich mir nur einen Burger holen und wurde dabei von einem Unbekannten gefragt, ob ich nicht Lust hätte zu modeln. Erst mal habe ich das Angebot nicht so ernst genommen. Doch dann meldete sich zwei Tage später tatsächlich eine sehr gute Agentur aus Hamburg bei mir. Beim Casting waren noch zehn andere Jungs, von denen ich dachte, dass das eher Modeltypen sind. Doch witzigerweise war ich letztlich der Einzige, der – trotz Prothese – genommen wurde. Beim Casting habe ich auch die Hosen runtergelassen und ihnen meine Prothese gezeigt, was zuerst auf Verwunderung stieß, doch sie hatten Lust, es auszuprobieren. Das war dann der Startschuss meiner Modelkarriere, da war ich 21.

Gab es in den letzten Jahren einen besonders aufregenden oder ungewöhnlichen Job?

Ohja, einige! Gleich mein erster Job: Das war die Jahrespräsentation von Hugo Boss. Da war ich noch in der Ausbildung beim Norddeutschen Rundfunk und hatte keine Ahnung, wie das Modeln und das Fashion-Business funktioniert. Tatsächlich musste ich ihnen sogar erst mal beweisen, dass ich überhaupt in ihrer Show laufen kann.

Ich war also in einer Situation, in der ich extrem aufgeregt war, aber auch gleichzeitig etablierten Leuten aus dem Modebusiness vor ihrer großen Show die Aufregung nehmen musste. Die weltweite Kampagne von United Colors of Benetton war dann der zweite große Job, der sehr aufregend war.

Die Modeindustrie hat ja eher einen oberflächlichen Ruf und ist von Vorurteilen geprägt. Wie ist denn deine persönliche Erfahrung mit der Modeindustrie?

Es ist so wie in jeder anderen Branche auch. Es gibt einige Arschlöcher, doch es gibt auch viele korrekte Menschen. Letztlich funktioniert es wie bei einer natürlichen Selektion. Mit den Menschen, die keine Behinderten in der Branche möchten, habe ich wenig zu tun. Andere sind wiederum tolerant, wollen mich unterstützen und haben mir vieles ermöglicht. Diese Menschen sind über die Zeit auch zu meinen Freunden geworden.

Foto: Sabine Grothues

Uns ist aufgefallen, dass bei vielen Kampagnen deine Beinprothese überhaupt nicht sichtbar ist. Ist es also überhaupt ein großes Thema bei deiner Arbeit?

Die ersten vier Jahre habe ich ganz normal als Model gearbeitet und dabei meine Beinprothese kaschiert. Erst im Laufe der Zeit wurde sie öfter mal eingesetzt. Gerade die Michael Michalsky-Show war dabei sehr ausschlaggebend, als ich dort 2010 spontan in kurzen Hosen über den Laufsteg gegangen bin. Danach hat es erst angefangen, dass mich Marken speziell mit Prothese buchen wollten. Durch dieses Alleinstellungsmerkmal hat sich die Person „Mario Galla“ auch etablieren können. Das war eine verrückte Zeit, in der ich selber erst mal lernen musste, mit all der Aufmerksamkeit umzugehen.

Meinst du, es hat eine gesellschaftliche Relevanz, Menschen mit Behinderungen in der Branche bewusst zu zeigen?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Es gibt viele unbekannte Designer, die so Aufmerksamkeit generieren wollen. Andererseits gibt es auch viele bekannte Marken, die damit ein Risiko eingehen und es trotzdem machen. Es bleibt immer die Überlegung, wie die Designer es in dem Augenblick meinen. Im Großen und Ganzen merke ich, dass der Markt seit meinen Anfängen viel offener geworden ist. Denn als ich angefangen habe, war Toleranz und Offenheit Behinderten im Modebusiness gegenüber überhaupt kein Thema. Andersartigkeit wurde nicht geschätzt und selbst Narben retuschiert. Es ist heute sogar interessanter für Marken und besser für dich als Model, wenn du ein starkes Alleinstellungsmerkmal hast und nicht in der Masse untergehst.

Foto: Privat – Auf Instagram zeigt Mario private Einblicke aus seinem Leben.

Ich habe gelesen, dass du auch Diversity-Aktivist bist. Hast du selbst politische oder gesellschaftliche Forderungen, welche Bedingungen behinderten Menschen in Deutschland zu Gute kommen sollten?

Durch meine Arbeit bei Handicap International konnte ich in vielen Ländern sehen, wie es den Menschen mit Behinderungen dort geht. Nach diesen Eindrücken bin ich sehr dankbar, dass ich in Deutschland leben kann. Auch wenn über unser Gesundheitssystem gerne geschimpft wird, ist es nicht selbstverständlich, dass man als medizinische Versorgung eine Prothese bekommt. Was gesellschaftliche Akzeptanz angeht, müssen einige Menschen in unserer Gesellschaft noch viel toleranter werden. Gerade die Politik ist da noch sehr vorsichtig, um niemandem auf den Schlips zu treten. Aber generell ist unsere Gesellschaft auf einem guten Weg.

Hast du Vorbilder, die du toll findest und die dich begeistern, mit dem, was sie machen?

Früher hatte ich Männermodels als Vorbilder, deren Jobs und Arbeit ich bewunderte. Mittlerweile sehe ich Leute als Vorbild, die erfolgreich ihr eigenes Ziel verfolgen und es langfristig durchziehen, egal wie viel Widerstand sie erfahren. Da kenne ich viele Beispiele, bei denen sich Erfolg eingestellt hat. Beispielsweise habe ich mit Lars Amend gemeinsam meine Biografie geschrieben. Er war nie Autor, hatte aber plötzlich Lust, ein Buch zu schreiben. Trotz Widerstand hat er seinen Weg bestritten und heute ist er mehrfacher Bestseller-Autor, dessen Bücher verfilmt werden. Ein weiteres Beispiel ist der Fotograf, mit dem ich mein zweites Shooting hatte – Ben Lamberty. Er fotografiert jetzt für die Vogue, auch wenn es zehn Jahre gedauert hat, bis er seinen Traum verwirklichen konnte. Ich bewundere Menschen, die diese Einstellung teilen.

Foto: Sabine Grothues – Im Gespräch beim Segelsetzen-Event 

Unser Event #Segelsetzen richtet sich auch an junge Leute, die gerade ihre ersten Karriereschritte wagen. Was würdest du deinem 20-jährigen Ich im Nachhinein raten?

Wenn du einen Traum hast, dann kämpfe dafür, aber habe auch immer einen Plan B parat. Nach meiner Ausbildung habe ich hauptberuflich gemodelt, aber auch gleichzeitig mein Studium abgeschlossen. Das Modeln als Beruf ist endlich und das hatte ich immer im Hinterkopf. Ich denke, dass diese Vorgehensweise einen vor Enttäuschungen schützt. Wissen was passiert, auch wenn es nicht klappt.

Hast du schon Träume und Visionen, was du nach deiner Modelkarriere machen möchtest?

(Lacht) Ich habe jede Woche eine neue Idee. So fange ich vieles an und lasse auch wieder vieles liegen. Neulich hatte ich die Idee, hochwertige Hundeleinen herzustellen. Daraufhin setzte ich mich mit dem Produktionsprozess, den Lokalitäten und den Einkäufern auseinander. Nach einem halben Jahr mit fertiger Website und eigenem Online-Shop verließ mich die Lust dann wieder. Dennoch konnte ich aus dieser Erfahrung viel mitnehmen und weiß, wie ich meine nächste Idee – ob Möbel oder Mode – umsetzen kann.

Du bist geborener Hamburger und auch dort aufgewachsen. Wie schätzt du die Gründerszene in Hamburg ein? Ich denke, dass die Stadt viele tolle Unternehmen hervorbringt. Von einigen Gründungen aus meinem Freundeskreis habe ich mitbekommen, dass die Start-Up Szene in Hamburg in ihren Möglichkeiten und ihrem Mut größer geworden ist. Ich höre von vielen Projekten und freue mich letztlich immer sehr, wenn sie klappen. Neulich hatte ich ein Shooting mit dem Modelabel Inferno Ragazzi, das gleichzeitig eine inklusive Partyreihe ist. Die machen das jetzt auch schon fünf Jahre und langsam hebt es richtig ab. In Hamburg sitzt das Geld, in Berlin die Kreativität. Wenn sich beides mischt, dann sind wir, glaube ich, alle auf einem guten Weg.

Mehr zum Segelsetzen Event könnt ihr hier nachlesen.