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Foto: Marco Ruhlig; Collage: Qiio-Team

Mit Emojis in eine inklusive Zukunft?

Laura Gehlhaar schreibt und publiziert über ihr Leben als Mensch im Rollstuhl und setzt sich für mehr Inklusion ein. Anlässlich der Einführung der Rollstuhlfahrer*innen-Emojis wollte ich von ihr wissen, ob die neuen Kommunikationssymbole unsere Gesellschaft wirklich inklusiver machen.

Gibt es ein Emoji, von dem du denkst, dass es dich gut repräsentiert?

Das ist ‘ne gute Frage, wenn ich nämlich darüber nachdenke, finde ich meine Antwort echt seltsam. Ich benutze tatsächlich gerne die neuen Rollstuhlfahrer*innen-Emojis, und zwar die blonde Frau im manuellen Rollstuhl (es gibt ja auch die elektrischen Rollstuhl-Emojis). Ich sehe mich eben so, nicht zuletzt, weil meine Behinderung meine Persönlichkeit sehr geprägt hat. Wenn ich in den Spiegel schaue, auf Fotos etc. sehe ich mich und den Rollstuhl. Der gehört einfach zu mir. 

Du sitzt im Rollstuhl, von daher war deine Antwort auf die Frage vielleicht naheliegend …

Ja schon, andererseits könnte ich mich ja auch über ganz viele andere Dinge repräsentiert fühlen, wie z. B. meine blonden Haare, meine Figur, mein Lachen, mein typisches Augenrollen. Dennoch fühle ich mich durch den Rollstuhl repräsentiert. Das führt mich dann zu der Frage, ob ich schon so sehr durch meine Außenwelt geprägt bin, dass ich mich selbst auf den Rollstuhl „reduziere“ oder ob das eigentlich ganz normal ist. Da habe ich bisher noch keine zufriedenstellende Antwort.

Die neuen Rollstuhlfahrer*innen Emojis – sorgen sie für mehr Inklusion? Laura freut sich über die neuen Emojis.

Am World Emoji Day im Juli 2019 hat Apple bereits die neuen disabled-themed Emojis angekündigt, mittlerweile sind sie auf vielen Smartphones im Einsatz. Darunter Emojis von Personen, die im Rollstuhl sitzen, Prothesen-Emojis und Emojis von Blindenhunden. Menschen mit Behinderungen sind also, neben Menschen ohne Behinderungen, endlich Teil des Emojikanons. Deine Gedanken hierzu?

Ganz ehrlich, ich habe mich total über die neuen Emojis gefreut. Vor allem auch, weil sie ganz unterschiedliche Behinderungsarten und -formen repräsentieren und eben nicht nur die bekanntesten bzw. sichtbarsten Formen, also solche, die Rollstühle erfordern. Auch Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen sind jetzt in der digitalen Kommunikation angekommen und schreiten damit ja auch ein bisschen mehr Richtung Mainstream – finde ich großartig.

Nochmal konkret zum Design des Rollstuhlfahrer*innen-Emojis: Findest du die Darstellung gelungen?

Ich habe mir das Emoji eben vor dem Interview nochmal genauer angesehen und bemerkt, dass es neben der männlichen und weiblichen Variante, auch die geschlechtsneutrale Variante gibt. Mega gut! Außerdem sind der manuelle und der elektrische Rollstuhl separat voneinander dargestellt, wodurch ganz unterschiedliche Behinderungsformen, die alle eine Benutzung des Rollstuhls erfordern, abgebildet werden. Auch super, dass die Rollstuhlfahrer*innen-Emojis aktiv dargestellt werden und die abgebildeten Personen nicht passiv im Rollstuhl sitzen. Last but not least: Die abgebildeten Rollstuhlräder mit den drei Speichen sind gerade mega im Trend. Das erkennen aber auch nur die Menschen, die sich ein bisschen besser mit dem ganzen Thema Rollstuhl und Design auskennen.

Laura glaubt nicht, dass diese Emojis nachhaltig die Welt und unseren Blick auf Behinderung verändern. Aber sie hält sie für eine richtigen und wichtigen Anfang. Foto: Marco Ruhlig.

Denkst du, der Rollstuhl-Emoji wird dabei helfen, Vorurteile gegenüber Personen, die im Rollstuhl sitzen, weiter abzubauen?

Naja, es ist ja jetzt erst mal nur ein Emoji. Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass diese Emojis nachhaltig die Welt und unseren Blick auf Behinderung verändern, aber ich empfinde sie als einen kleinen und sehr guten Anfang, unterschiedliche Behinderungsformen sichtbarer zu machen. Wenn ich mir anschaue, wo das Rollstuhl-Emoji eingebettet ist, inmitten von Paar-, Tanz-, und Frisör*innen-Emojis, denke ich mir, genau dort gehört es auch hin. Für viele Menschen ist es nämlich ziemlich normal, Rollstuhl zu fahren.

Wenn man die Weiterentwicklung des Emojikanons als digitale Kommunikationsbibel mit dem Duden als analogen Sprachkanon vergleicht, ist der Emojikanon flexibler und in einer kürzeren Zeit viel diverser geworden. 1997 kamen die ersten Emojis auf das Smartphone, mittlerweile gibt es sie in genderneutral, mit und ohne Behinderungen u.v.m. Sind Emojis per se inklusiver als Sprache, die sich nur langsam ändert bzw. weiterentwickelt?

Ob Emojis jetzt unbedingt viel inklusiver sind als Sprache, kann ich so auf Anhieb gar nicht beantworten. Aber ich würde sagen, dass Emojis wesentlich zur Inklusion beitragen. Es ist schließlich unglaublich einfach, sich der Emoji-Sprache zu bedienen, weil sie eben eine symbolische Sprache ist.

Ich glaube auch, da Emojis noch diesen Status „neu“ haben, dass es für viele gar keine große Umgewöhnung ist, wenn jetzt auf einmal inklusive oder genderneutrale Emojis zur Auswahl stehen. Und das bringt mich jetzt doch nochmal zu dem Vergleich mit der Sprache. Es ist immer sehr schwierig, etwas, das nie normal war, komplett neu zu prägen. So ein Prozess ist in der Regel extrem langsam und mühselig. Wenn lange Zeit diskriminierende Wörter wie „Krüppel“ oder „Invalide“ zur Bezeichnung von Menschen mit Behinderung genutzt wurden, ist der Prozess des Umdenkens hier viel schwieriger.

Wie beurteilst du allgemein die Repräsentation von Menschen, die im Rollstuhl sitzen, in den sozialen Medien? Eröffnen diese denn andere Möglichkeiten als die klassischen Medien wie Fernsehen und Printmedien?

Emojis sind als Bildsprache für jeden extrem einfach in den täglichen Schriftverkehr via social Media einzubauen. Darin und in der grundsätzlichen Neuheit der Emojis sieht Laura ihre Stärke zur Inklusion. Foto: Marco Ruhlig.

Wenn man sich mal allgemein die Unterdrückung und Bevormundung von Menschen mit Behinderungen anschaut, finde ich es eine unglaublich starke und positive Entwicklung, dass man durch Social Media die Möglichkeit bekommt, selbst mitzureden. Ich habe Internetzugang, die Fähigkeit mich auszudrücken, die Möglichkeit, meine Gedanken und Meinungen zu äußern und mir Social Media zunutze zu machen. Ich kann von meiner Lebensrealität erzählen, von Alltagsdiskriminierung und von Dingen, die schief laufen. Das gibt mir unglaublich viel Stärke und Selbstbewusstsein. Es ist nämlich wichtig, dass unsere Geschichte von uns selbst und eben nicht von Menschen ohne Behinderung erzählt oder verzerrt wird.

Mehr von Laura gibt es auf Instagram und auf ihrem Blog.

Mehr zum Thema Visual Language findest du in unserem gleichnamigen Kompendium.