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Bild: JeongMee Yoon, The Pink and Blue Project

Pink für Mädchen und Blau für Jungs: Ein Fotoprojekt über gegenderte Konsumwelten

Die Fotoserie “The Pink and Blue Project” der Künstlerin JeongMee Yoon zeichnet einen Mikrokosmos unserer gegenwärtigen Konsumgesellschaft, in der die Welt für Mädchen in Rosa und für Jungs in Blau geteilt wird.

Ein Kinderzimmer als Traum in Pink. Das ist das Ergebnis eines Fotoporträts, das die Künstlerin JeongMee Yoon von ihrer Tochter in ihrem ausschließlich pinkfarbenen Kinderzimmer aufnahm. Die Fünfjährige liebte die Farbe Rosa so sehr, dass sie ihre gesamte Kleidung und Spielzeuge danach auswählte. „Der Fall meiner Tochter war nicht ungewöhnlich“, stellte Yoon fest, die ihre künstlerische Ausbildung zur Fotografin in Seoul und New York durchlief. Seit 2005 arbeitet Yoon an den zwei fortlaufenden Fotoserien The Pink and Blue Project: Jungs und Mädchen posieren umgeben von ihren einfarbigen Plüschtieren, Puppen, Plastikspielzeug, Büchern, Kleidung, Schmuck, Make-up und Schulsachen – sorgfältig angeordnet von der Künstlerin– in ihren Kinderzimmern. 

Neben der Geschlechterdifferenz, die anhand von Farbwahl (Pink für Mädchen und Blau für Jungs) und Spielzeug Typus (Puppen, Schmuck und Schminke versus Dinosaurier, Lego und Superman) ins Auge springt, wird eine enorme Kaufsucht erkennbar. Bereits im Säuglingsalter beginnen Eltern mit dem Kaufen für ihre Söhne und Töchter und setzen den identitätsstiftenden Trend.

Yoons Projekt untersucht diese Trends nach kulturellen Vorlieben sowie Unterschieden im Geschmack von Kindern (und ihren Eltern). Geschlechtsspezifische Sozialisierung und Identität sind dabei das übergreifende Thema. Auch werfen die Porträts Fragen nach der Beziehung zwischen Geschlecht und Konsumverhalten in einer globalisierten Welt auf. Das Phänomen der besessenen gegenderten Farbwahl und Beschränkung auf Rosa und Blau ist bei Kindern aus verschiedenen Ländern unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund verbreitet, beobachtet Yoon. Allgegenwärtige kommerzielle Werbung trainiere beispielsweise Mädchen unbewusst an, Rosa zu tragen, um sich weiblich zu geben.

Bereits im Säuglingsalter beginnen Eltern mit dem Sammeln für ihre Söhne und Töchter und setzen den identitätsstiftenden Trend. Bild: JeongMee Yoon, The Pink & Blue Project.

Rosa: einst die Farbe der Macht und Männlichkeit

Dabei wurde Rosa nicht immer mit Weiblichkeit assoziiert. Einst galt das verwässerte Rot als eine Symbolfarbe der Macht und war, wen wundert’s, mit Männlichkeit verbunden. Im Jahr 1914 riet die US-amerikanische Zeitung The Sunday Sentinel Müttern, rosa für den Jungen und blau für das Mädchen zu wählen, wenn sie sich an die Konvention halten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die Farbzuschreibung. Mit der Werbung und ihrer Auswirkung auf das Konsumverhalten sind die recht neuen Farbgewohnheiten heute weltweiter Standard. „Die zuckersüßen, rosafarbenen Objekte, die meine Bilder von kleinen Mädchen und ihren Accessoires füllen, offenbaren einen allgegenwärtigen und kulturell manipulierten Ausdruck von ‘Weiblichkeit’ und dem Wunsch, gesehen zu werden”, sagt Yoon über ihre Fotoserie.

Yoons Porträtserien erzählen nicht bloß von Farbvorlieben. Von Jungen, die dunkle Kleidung mit aufgedruckten Dinosaurierskeletten tragen und mit Waffen und Baukästen spielen sollen, erwartet man, dass sie mal stark und klug werden und logisch denken. Während Mädchen, die sich mit Prinzessinenkostümen kleiden und mit Haushaltswaren und Schminke hantieren, schön, süß und fürsorglich sein sollen. 

„Die zuckersüßen, rosafarbenen Objekte, die meine Bilder von kleinen Mädchen und ihren Accessoires füllen, offenbaren einen allgegenwärtigen und kulturell manipulierten Ausdruck von ‘Weiblichkeit’ und dem Wunsch, gesehen zu werden”, sagt Yoon über ihre Fotoserie. Bild: JeongMee Yoon, The Pink & Blue Project.

Gender Codes in Form und Farben

In dem Essay “Visualising Gender Norms in Design” (2012) untersuchten drei Wissenschaftler:innen vom Königlichen Institut für Technologie und der Södertörn Universität in Stockholm, wie in Nutzgegenständen über Farbe und Form verschiedene, in Codes umgewandelte Informationen transportiert werden. Informationen, die Vorstellungen und Regeln einer Gesellschaft über die von ihr festgelegten Normen widerspiegeln. „Diese Codes beeinflussen unser Leben, indem sie unser Handeln sowohl geistig als auch physisch beeinflussen”, heißt es in dem Aufsatz. Yoons Porträts von Mädchen, die zwischen rosa Puppen und Spielzeug-Küchen thronen und Jungs, die ihre blauen Bauklötze und Technikspielzeuge präsentieren, unterstreichen die traditionelle Vorstellung einer gegenderten Unterteilung von häuslicher Arbeit im privaten und Erwerbsarbeit im öffentlichen Raum. 

Die drei Forscher:innen plädieren dafür, dass Genderdiskurse in die Designpraxis einfließen, die über ein geschlechtsspezifisches Denken hinausgeht und so individuellen Bedürfnissen besser gerecht wird. Es sei wichtig, dass Designer:innen verstehen, wie unter anderem die Form und Farbe ihrer Produkte gesellschaftliche Normvorstellungen, wie das Geschlecht, beeinflussen. Man könne davon ausgehen, dass die Form von Objekten Geschlechterrollen und Machtstrukturen in unserer Gesellschaft verkörpere, reflektiere und reproduziere.

Yoons Porträts von Mädchen, die zwischen rosa Puppen und Spielzeug-Küchen thronen und Jungs, die ihre blauen Bauklötze und Technikspielzeuge präsentieren, unterstreichen die traditionelle Vorstellung einer gegenderten Unterteilung von häuslicher Arbeit im privaten und Erwerbsarbeit im öffentlichen Raum. Bild: JeongMee Yoon, The Pink & Blue Project.

Traum in Pink oder Alptraum einer sexistischen Konsumgesellschaft?

Mit diesen Forschungserkenntnissen im Hinterkopf läuft es einem bei der Betrachtung der Porträtserien von Yoon kalt den Rücken herunter. Denn strenge Gender Codes in Produkten geben Kindern wenig Raum für eine freie Identitätsentwicklung. Nicht nur setzen sie Jungen und Mädchen (ungleiche) Grenzen und Erwartungshorizonte, sondern sie schließen auch jene Kinder aus, die mit ihren Wünschen und Vorstellungen nicht in die Norm passen.

Die Künstlerin JeongMee Yoon hat eine Faszination für die Ansammlung von Objekten. Themen ihrer vergangenen Fotoserien beinhalten unter anderem: „Zoo“ (1998-1999); „Natural History Museum“(2001); „Space-Man-Space“ (2000-2004). Die Werkserien „Zoo“ und „Natural History Museum“ erforschen künstliche Umgebungen, die durch vorbestimmte Klassifikationen arrangiert und organisiert sind.