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Das Deutsche Unternehmen Wibit Sports GmbH hat am Pure Beach in Saudi Arabien einen aufblasbaren Wasspark aufgebaut. Bild: Wibit Sports GmbH

Saudi Frauen dürfen zum ersten Mal im Bikini an den Strand – aber der Preis ist hoch

Das islamische Königreich erlaubt erstmals Männern und Frauen in Bademode den Strandbesuch zu westlicher Musik. Doch für die neuen Freiheiten muss ein teurer Preis gezahlt werden.

Mitten in der Wüste, zwischen den heiligen Städten Mekka und Medina wächst die futuristische Saudi Arabische Megacity, die den seltsamen Namen King Abdullah Economic City (KAEC) trägt. Geplant für zwei Millionen Einwohner*innen, von denen zurzeit gerade mal ein paar tausend anzufinden sind, reihen sich in der künstlichen Stadt leere Villen an leere Hotels und endlose Baustellen.

Seit Baubeginn in 2005, ist KAEC nach Angaben des Königreichs die größte privat finanzierte Start-Up Stadt der Welt. Denn das Königshaus hat ambitionierte Pläne. Sie soll zu einer “neuen Weltstadt für Saudi Arabien” werden, wie die Regierung schreibt. Neben allerlei technologischen Innovationen wird es dort eine Bildungszone mit einer Universität geben, eine Businesszone, Wohn- und Freizeitgebiete, ein Strand Resort und ein Gewerbegebiet. 

Zum ersten Mal: Badespaß im islamischen Königreich

Mittendrin in der künstlichen Stadt, die etwa so groß wie Washington DC ist, liegt “Pure Beach”: Saudi Arabiens erster Freizeit-Strand, an dem Männer und Frauen gemeinsam in Bikinis und Badehosen feiern dürfen. Sogar gemeinsam Musik hören, deren Genuss bis vor kurzem noch verboten war, ist hier erlaubt. Hier verbringt Saudi Arabiens Crème de la Crème ihre Wochenenden, tanzt zu westlicher Musik und genießt die Vielzahl an Freizeitaktivitäten, wie Volleyball, Kayak, Mini-Golf oder den aufblasbaren Wasserpark.

“Ich bin froh, dass ich jetzt an einen nahegelegenen Strand kommen kann und die Zeit genießen kann”, sagt 32-Jährige Pure Beach Besucherin Asma, die mit ihrem Partner das Wochenende in KAEC verbringt. Sie trägt ein blaues Kleid über ihren Badeanzug, ein Look, der bis vor kurzem im konservativ-islamischen Königreich von der Scharia-Polizei geahndet worden wäre. “Das ist der Inbegriff von Spaß…es war unser Traum, hierherzukommen und ein wunderschönes Wochenende hier zu verbringen”, sagt Asma. 

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Luxus nur für die Elite? 

Ein “One Day Sun and Sea Package” in KAEC kostet umgerechnet 70 Euro, ein “One Day Relax & Unwind Package” gibt es für fast 200 Euro. Für knapp 60 Euro Eintritt pro Kopf können Familien in Pure Beach das Wochenende verbringen, für Single-Männer sind die Preise teurer, sie müssen knapp 90 Euro blechen. Obwohl Kronprinz Muhammad Bin Salman (MBS) erst kürzlich in einer historischen Entscheidung unverheirateten Frauen erlaubte, alleine zu leben und zu reisen, bleibt Single-Frauen der Zutritt zu Pure Beach verwehrt. So weit reichen die neuen Freiheiten dann doch noch nicht, dass sie ohne männlichen Vormund auf eine Beachparty gehen können. Bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 650 Euro bleiben Pure Beach und die KAEC wohl zunächst eine Attraktion für Saudi Arabiens Elite sowie für besserverdienende Touristen. 

Trotz hoher Preise kommt die neue Welle an Freiheiten und Unterhaltungsangeboten bei den Saudis gut an. Noch vor ein paar Jahren wäre es undenkbar gewesen, im Bikini am Strand mit Männern und Frauen zu westlicher Musik zu tanzen. Im Mai 2016 wurde in Saudi Arabien erstmals durch königlichen Erlass ein Unterhaltungsministerium gegründet. Ein Jahr später, im Mai 2017, fand das erste öffentliche Konzert seit 25 Jahren statt. Wiederum ein Jahr später, im April 2018, beendete Muhammed Bin Salman das seit 35 Jahren bestehende Kino-Verbot und weihte das erste Kino im Königreich in der Hauptstadt Riyadh ein. 

Modernisierung ohne Demokratisierung

Saudi Arabien möchte nicht mehr mit Hinrichtungen, Prügelstrafen, Geschlechtertrennung, politischem Islam und Menschenrechtsverletzungen assoziiert werden. Stattdessen bemüht sich Kronprinz Muhammad Bin Salman, der seit 2016 de facto Saudi Arabien regiert, um ein neues, weltoffenes Image. Modern und nachhaltig soll Saudi Arabien sein, dem Westen gegenüber offen, ein Hub für Start-Ups und innovative Technologien. Touristen sollen sich in dem Land wohlfühlen, die Unterhaltungsindustrie soll ausgebaut werden und Frauen sollen mehr Rechte bekommen. Das ganze Vorhaben nennt sich “Vision 2030”, ein strategisches Reformprogramm zur Modernisierung und Diversifizierung der saudi-arabischen Wirtschaft, das Saudi Arabien bis 2030 unabhängig vom Öl machen soll. 

Doch der Schein der Modernisierung trügt – das Königreich fährt zweigleisig. Zwar strebt Kronprinz Muhammad Bin Salman an, das Königreich zu modernisieren und es zu einer wirtschaftlichen Weltmacht wachsen zu lassen, die es mit den USA und China aufnehmen kann, dabei beabsichtigt er jedoch nicht, es zu demokratisieren. Kein Wunder, denn dadurch würde er sich schließlich selbst abschaffen. Nach wie vor werden in Saudi Arabien Dissidenten erbarmungslos ausgeschaltet, wie im Fall Khashoggi deutlich wurde, der 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul auf brutalste Weise ermordet wurde.

Kronprinz Muhammad Bin Salman möchte das Königreich zwar modernisieren, nicht aber demokratisieren. Bild: U.S. Department of State

Auch die neuen Freiheiten, die Frauen in Saudi Arabien seit MBS Reformprogramm genießen, hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack. Einerseits hat die Regierung Frauen nun etwa das Recht zum Autofahren oder alleine wohnen eingeräumt – ein wichtiger Schritt in die Richtung der Auflösung des Vormundschaftssystems (“Male Guardianship System”), bei dem Männer die vollkommene Kontrolle über Frauen haben. Andererseits hat die Regierung trotzdem einen Weg gefunden, die Kontrolle über Frauen durch die Hintertür zu implementieren – zum Beispiel mit der Absher App.

Absher App – Kontrolle durch Digitalisierung

Die 2019 gelaunchte, viel kritisierte Regierungs-App ist eigentlich für bürokratische Angelegenheiten gedacht, wie die Erneuerung eines Personalausweises oder die Registrierung zur islamischen Pilgerfahrt nach Mekka. Doch sie gibt Männern auch die Möglichkeit, das tägliche Leben von Frauen digital zu verfolgen und zu kontrollieren. In der App können Männer Reisen von Frauen entweder zustimmen oder diese ablehnen, oder etwa retroaktiv feststellen, wo sie sich aufgehalten haben. “Das Portal und die App erlauben Männern effektiv, moderne Technologie zu nutzen, um die Bewegungen von Frauen zu kontrollieren”, schreibt Human Rights Watch.

Die King Abdullah Economic City (KAEC). Bild: Mrcosch

Trotz dem anhaltenden Autoritarismus und der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen zeigt sich Saudi Arabiens Elite über die Neuerungen unter dem “Vision 2030” Programm erfreut. “Das Leben ist jetzt normal”, sagt Asma und fügt hinzu: “Es war vorher nicht normal.” Bis 2030 möchte Saudi Arabien jährlich 30 Millionen Touristen begrüßen, die in den Unterhaltungssektor des Königreichs investieren sollen, nachdem es 2019 erstmals Touristenvisa für Nicht-Muslime angeboten hatte. Abgesehen von den Menschenrechten fehlen jetzt nur noch die Cocktails am Pure Beach – denn Alkohol ist im islamischen Königreich noch nicht erlaubt.