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Hollywoods Nepo Babys. Bildquelle: De'Andre Bush, LA Hollywood

Vom Promi-Kind zum Nepo Baby – Ein TikTok-Trend klagt an

Die Bezeichnung Nepo Baby ging 2022 nach einem Tweet zu den berühmten Eltern einer Euphoria-Darstellerin viral – und hält sich bis heute gut in der Presse und auf Social Media. Dabei ist das Phänomen der Promi-Kids und die Hassliebe, welche die Boulevardpresse und ihr fleißiges Publikum zu den berühmten Sprösslingen pflegt, alles andere als neu. 

“Ich kenne deinen Vater und deine Onkels”, begrüßte Gwyneth Paltrow ihre Gastgeberin Hailey Rhode Bieber. Das sitzt. Bieber  – auch bekannt als Justin Biebers Ehefrau – greift den Moment beim Schopfe und spricht Paltrow, selbst Kind von Hollywood Eltern (Tochter der Schauspielerin Blythe Danner und des Produzenten Bruce Paltrow), auf die boomende Debatte rund um Nepotismus in Hollywood an. Seit einigen Monaten lässt sich das altbekannte Phänomen Promi-Kind unter dem neuen Schlagwort Nepo Baby zusammenfassen. Als Nepo Baby gelten jene, die von der Vetternwirtschaft Hollywoods karrieretechnisch profitieren.

Zwei Nepo Babys mit ihren Vätern: Zoe und Lenny Kravitz, 2010 (©LGEPR) Hailey und Stephen Baldwin, 2009 (©Movieguide)

Natürlich hätten Kinder von Hollywood Größen allen anderen ambitionierten Talenten gegenüber einen Vorsprung, gesteht Paltrow ein. Sobald du jedoch den Fuß in der Tür hast (der Spalt mag bereits durch wundersame Hand weit geöffnet sein), müsstest du als Kind berühmter Eltern mindestens doppelt so hart arbeiten. „Die Leute sind bereit, dich runterzuziehen“, beteuert Paltrow mit ernster Miene und bestärkt weiter: Keine dieser kritischen Stimmen habe das Recht, dich in deinem Lebensweg zu beeinträchtigen. „Oh mein Gott, das musste ich heute hören!“, jubelt Hailey Bieber, die sich in ihrem Leid als Nepo Baby bestätigt fühlt.  

Ein halbes Jahr nach dieser Begegnung trat Bieber kürzlich in einem weißen T-Shirt mit dem Aufdruck „Nepo Baby“ in LA vor die Haustür. Das Narrativ macht sie zu ihrem eigenen, getreu dem Motto: da stehe ich drüber. Eine Coverstory des New York Magazine zur Hass-Liebe und Obsession mit der Welt von Hollywoods Nepo Babies hob Bieber als Doppel-Nepo hervor; als Tochter von Stephen Baldwin, Nichte von Alec Baldwin und Frau von Justin Bieber.

Promi Paar Justin und Hailey Bieber, 2020, ©CC BY 2.0.

Alte neue Nepo Babies

Über den berühmten Fuß in Hollywoods Tür schrieb die New Yorker Autorin Fran Lebowitz in den 1990er Jahren bereits, da war das Buzzword Nepo Baby noch gar nicht geboren. Das ganze Spiel bestünde doch gerade in der Filmindustrie allein darin, den Fuß in die Tür zu bekommen, deklarierte Lebowitz. In einer Ausgabe der Vanity Fair von 1997 führte sie diesen Umstand in der Film-Schauspielerei als Metapher für strukturellen Rassismus ins Feld. „Genauso wie die Kinder von Berühmtheiten einen Vorteil daraus zogen, dass sie körperlich den bereits Berühmten ähnelten, profitierten auch die Weißen Amerikas davon, dass sie in das mentale Bild der Nation passten“, zitiert der New York Magazine Autor Nate Jones die New Yorker Intellektuelle. So gesehen sei es der Cadillac des Privilegs, ein Nepo Baby zu sein. Sie hat die Augen ihrer Mutter. Und ihren Agenten untertitelte das New York Magazine im Dezember letzten Jahres die besagte Cover-Story.

Obgleich das Phänomen der berühmten Sprösslinge also keine Neuerfindung aus dem Jahr 2022 ist, so ist der Ausdruck Nepo Baby seit einem Tweet über Maude Apatow Bestandteil eines neuen kollektiven Vokabulars. Ein Euphoria Fan „entdeckte“, dass die Darstellerin von Lexi Howard die Tochter des Regisseurs Judd Apatow und Schauspielerin Leslie Mann ist. Eine Nachricht, die wohl überwiegend in Gen Z Furore machte. Für viele Millennials waren die Promi-Eltern keine Neuigkeit, die meisten kannten sie noch aus dem Hype um die Comedy-Romanze Beim ersten Mal (Knocked Up).

Seit diesem Tweet ist das Internet jedenfalls überrannt mit TikTok Videos, die Familienhintergründe und Seilschaften von Hollywood-Sternchen enthüllen, die bis dato nicht gleich in jedem Satz gemeinsam mit ihren berühmten Eltern genannt wurden. Beim alten und neuen Medienrummel um Promi-Kinder oder Nepo Babys – wie gerade zur Erscheinung von Prince Harrys Enthüllungsbuch – stellt sich immer wieder die Frage: Woher kommt das wahnsinnige Interesse an den Leben berühmt Geborener? 

Nicht nur in Hollywood gibt es sie, die Promi-Kids: Queen Elizabeth, die Mutter von Queen Elizabeth II, mit ihrem Großenkel Harry auf einer Postkarte von 1985, und Prinz Harry und Meghan Marke, 2017 (©Mark Jones).

Prominente Kinder stehen von Anfang an im Scheinwerferlicht der Boulevardpresse. Umzingelt von Paparazzis, die auf der Jagd nach dem ersten Bild von einem neugeborenen Nepo, Fotos von Geburtstagspartys und den ersten Ausrutschern in der Pubertät sind. Sobald das Gesicht den berühmten Eltern immer ähnlicher sieht, ist es eine Nachricht wert. Herrschen die kleinen Nachfahren erst einmal selbst über ihr eigenes Social Media Reich, mutieren sie zu eigenständigen Protagonist:innen und versuchen sich mal mehr, mal weniger erfolgreich in der Industrie zu beweisen.

Supermodel Cindy Crawford im Jahr 1995 (@Laurel Maryland) und ihre Tochter Kara Geber auf dem Laufsteg für Max Mara, 2019 (©Christopher Masurka)

Diese Besessenheit von Mehrgenerationen-Stars war bereits Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, lange bevor sie auf TikTok kursierte. Die österreicherin Eva Maria Schörgenhuber (Amerikanistik und American Culture Studies) argumentiert beispielsweise, „dass die Kinder von Prominenten als lebende Verbindungen zu einer gemeinsamen Geschichte der Popkultur fungieren und uns mit einer nostalgischen Vision der Vergangenheit verbinden“, verweist das New York Magazine auf ihre Forschung.

Lily Rose Depp (©Georges Biard), hier bei der Premiere des Films “Die Tänzerin” in Cannes, 2016, eifert in ihrer Schauspielkarriere dem Vater Johnny Depp, 2011 (©Angela George) nach und tut es auch ihrer Mutter Vanessa Paradis (2016, ©Georges Biard) mit dem Modell gleich.

Einige Nepo Babys zeigen sich betroffen von der neuen Reduzierung auf die berühmten Fußstapfen, in denen sie laufen. So wie Lily Rose Depp, die mit 16 Jahren ihre erste Chanel Kampagne landete. Ihre Mutter Vanessa Paradis modelte bereits für das Haus. Ein Jahr zuvor debütierte sie in ihrem ersten Film an der Seite ihres Vaters Johnny Depp. Lily Rose Depp kam auf den Einfall, sich mit Zahnarzt Kindern zu vergleichen, die schließlich auch das Examen alleine meistern und ihre Karriere daher nicht bloß ihren Medizinereltern zu verdanken hätten. Auf solche Äußerungen postet Topmodel Vittoria Ceretti in ihrer Instagram Story nur müde: „I have many nepo baby friends whom I respect, but i can’t stand listening to you compare yourself to me. I was not born on a comfy sexy pillow with a view.“ Für viele gilt in dieser Diskussion: Nepo Babys sind der Beweis dafür, dass es bis zum Idealmodell einer Gesellschaft, die mehr Leistung und Talent statt Verwandtschaften und Seilschaften honoriert, noch weit her ist.