Das wissenschaftliche Künstlerduo Zack Denfield und Catherine Kramer erforschen mit dem Center for Genomic Gastronomy seit Jahren wie verschiedene Orte unserer Erde schmecken. In ihrer Ausstellung “The Taste of Smog” geben sie unserer Luftverschmutzung einen Geschmack.
Wie unterscheidet sich geschmacklich eigentlich Hamburg von Berlin? Was für Nuancen würden wir schmecken, könnten wir die Stadt als ganzes einfach mal beherzt in den Mund schieben. Würde Hamburg eher nach salzigem Meer und Berlin nach bitterem Beton schmecken? Das amerikanische Künstlerpaar Zack Denfeld und Catherine Kramer führt seit Jahren das Smog Tasting Project durch und erfasst somit die Aromen der verschiedenen Atmosphären in Städten auf der ganzen Welt. Ihr Center for Genomic Gastronomy fungiert dabei als unabhängige Forschungsgruppe, welche die Biotechnologie und Biodiversität menschlicher Lebensmittelsysteme untersucht. Ihre Idee: Den Geschmack eines bestimmten Ortes durch die dortige Herstellung von Baisers festhalten. Als kleine Gedankenstütze: Das sind die weißen, zuckrigen Hartschaumspeisen in Form von kleinen Wölkchen.
Im letzten Jahr verschlug es das Paar dafür nach China. Für eine Ausstellung Ende 2019 arbeiteten beide mit den Einwohnern Hongkongs zusammen und verwandelten diese in sogenannte “Smog Sammler”. Sie gingen an verschiedene Orte der Stadt, um dort den Geschmack der Atmosphäre durch die Herstellung von Baiser einzufangen. Überall wurde Eiweiß geschlagen, ob am Straßenrand zur Hauptverkehrszeit oder in den Vorgärten der Vorstadtgebiete. Die Ausstellungsgäste probierten letztlich die so entstandenen Süßspeisen, um zu vergleichen, wie sich die Luftverschmutzung in den einzelnen Gebieten auf den Geschmack des Desserts ausgewirkt hatte.
Wie hält man den Geschmack der Luft in einem Baiser fest?
Die Entdeckung machten Denfeld und Kramer im Jahr 2011, als sie am Srishti Institute in Indien unterrichteten. Sie suchten gemeinsam mit ihren Studenten nach Möglichkeiten, die dortige Umweltverschmutzung anhand von Lebensmittelforschung anzugehen. “Die Studenten waren sich einig, dass ein weiterer Bildschirm voller Zahlen die Verhaltensweisen der Menschen nicht wirklich ändern würde. Also wandten wir unsere Forschungsinteressen dem Essen und Kochen zu”, sagte Denfeld im Gespräch mit The National. Während eines Workshops stießen sie auf eine Aussage von Harold McGee, die besagt: “Dank geschlagenen Eiern sind wir in der Lage, die Luft zu ernten.” Denn wenn Eiweiß geschlagen wird, entfalten sich Proteine, welche die Luft in winzige Bläschen einschließt. Gibt man dieser Mischung Zucker hinzu wird verhindert, dass sich der Eischnee entleert und er versteift sich. So entsteht die Süßspeise Baiser und ebenfalls eine Möglichkeit, Schadstoffpartikel verschiedener Orte einzufangen. Das Essen der Smog-Baisers ist natürlich unbedenklich, hinterlässt aber einen bleibenden Eindruck.
Kunst statt Aktivismus: Die Herausforderung Sinneswahrnehmungen und Klimapolitik zu verbinden
Gerade sind Denfeld und Kramer in Norwegen, um dort die Verschmutzungsgrade in verschiedenen Teilen der Stadt Bergen zu vergleichen und die Gründe für die Unterschiede zu ermitteln. Natürlich ist das Smog Tasting Project letzten Endes nicht als streng wissenschaftliches Projekt gedacht, sondern eher eine interaktive Ausstellung. Es ist allerdings ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man klimapolitische Interessen und Kunst für Menschen anschaulich und eindrücklich verbinden kann. Das schöne an dem Projekt ist, wie greifbar es die Verschmutzungsproblematik unserer Umwelt für jene Besucher macht, die ein Smog-Baiser probieren dürfen. Es macht somit ein Problem mit einem weiteren Sinn erlebbar, das unsere volle Aufmerksamkeit dringend braucht. Auch wenn es politisch aktuell noch nichts verändern konnte, setzt es dennoch ein wichtiges Zeichen für eine tiefgreifendere Aufklärung in Sachen Umweltschutz.