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Foto: Markus Spiske

E Pluribus Unum: Wie der Trend der Amerikanisierung mich am Deutschlernen hindert

In Berlin kommt man mit Englisch gut zurecht. Ich bin aber hier, um Deutsch zu lernen. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn scheinbar ist hier niemand an deutschen Unterhaltungen interessiert.

Nach zwei Wochen Berlin habe ich endlich das perfekte Café entdeckt; der Kaffee ist günstig, das WLAN funktioniert problemlos und auch nach zwei Stunden „Camping” werde ich nicht rausgeschmissen. Das Ganze hat jedoch einen stolzen Preis.

„Hallo,” sage ich zur Barista, „ich hätte gerne einen Cappuccino.”

“A cappuccino?”

„Einen Cappuccino,” blinzle ich.

Deutschlernen in Berlin? Eine Sisyphos-Aufgabe

Mein Deutsch zu verbessern ist die Herausforderung, die ich mir für Berlin gestellt habe. Dazu habe ich mir im Juli, als ich hier ankam, die Regel aufgestellt: Cafés, in denen mir trotz meiner deutschen Bestellversuche auf Englisch geantwortet wird, werde ich nicht wieder besuchen.

“Would you like that with whole milk?” fuhr er fort.

„Ein normale Cappuccino,” sagte ich indigniert.

“Okay, that is two-fifty, please.”

„Zwei-fünfzig?”

“Yes, two fifty.”

„Einverstanden.”

Zugegeben. Ich hatte die Fälle durcheinandergebracht und das Verb falsch dekliniert. Was mich aber noch mehr als die Unwägbarkeiten der deutschen Sprache nervt, ist das Paradoxon: Ich bemühe mich, Deutsch zu sprechen, doch im Entgegenkommen einer freundlich gemeinten Gastfreundschaft wird mir auf Englisch geantwortet. Aber ich bin eben kein Gast mehr. Ich möchte hier leben und deswegen auch die deutsche Sprache richtig beherrschen.

Berlin ist die Heimat von vielen verschiedenen Menschen, mit vielen unterschiedlichen Herkunftsländern und Sprachen. Foto: Mikail Duran

War das jahrelange Lernen umsonst?

Während die Barista die Kaffeemühle startet, um meinen preisgünstigen Cappuccino zuzubereiten, fängt das Gedankenkarussell wieder an: Die existenzielle Angst, dass ich nach sieben Jahren, während derer ich tausende Euro für Sprachkurse ausgegeben und tausende Stunden im Unterricht zugebracht habe, es nicht einmal schaffe, einen Cappuccino auf Deutsch zu bestellen.

Ich bin nicht der einzige, den das „Cafénglisch” verwirrt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beschwerte sich im August letzten Jahres, dass in manchen Berliner Restaurants die Bedienung nur Englisch sprechen könne. Außerdem seien es, das fügte er in einem nachträglichen Gastbeitrag der Zeit noch hinzu, „Cafés, die exakt so eingerichtet sind wie die angesagten Läden in London oder Łódź.”

Unsere Familiengeschichte macht mir Mut

Damit liegt er nicht ganz falsch. Das Café, das ich in Berlin häufig aufsuche, ist in vielerlei Hinsicht meinem Stammcafé in Boston ähnlich: Es wird überwiegend Englisch gesprochen, im Hintergrund läuft „spotifizierte” Hipster-Musik wie Brian Jonestown Massacre und das Mobiliar orientiert sich an der Starbucks-Kette, gemütlich und anonym. Die Berliner Cafés vermitteln mir damit: Lass es einfach, bleib bei Englisch. Damit fährst du hier gut.

Doch das kann ich mit mir selbst nicht vereinbaren.

Wie viele Amerikaner habe ich einen Migrationshintergrund. Mein Großvater war immer stolz darauf, dass sein Vater nicht nur Englisch, sondern auch die Namen aller Bundesstaaten und ihrer Hauptstädte lernte, als er von Italien in die Vereinigten Staaten auswanderte.

Die Moral dieser Familiengeschichte ist: Wenn man in ein anderes Land geht, sollte man die Sprache lernen. Als Amerikaner, der in Deutschland wohnen möchte, fühle ich mich daher verpflichtet, die Landessprache zu lernen.

“Cafés, in denen mir trotz meiner deutschen Bestellversuche auf Englisch geantwortet wird, werde ich nicht wieder besuchen.” Foto: Jacob Rank

Deutsch – In den USA schwer vermittelbar?

Leider denken da viele anders. Und das kommt nicht von ungefähr. Der durchschnittliche amerikanische Schüler lernt keine Fremdsprache. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Pew Research Centers. Dagegen verhält es sich in den meisten EU-Ländern umgekehrt: 92 % der Schüler lernen mindestens eine Fremdsprache – meistens Englisch.

„Das Bildungssystem der USA schafft kein wirkliches Verständnis einer Fremdsprache,” sagt Dr. Christoph Veldhues, Leiter der Spracharbeit des Goethe-Instituts in Nordamerika. Für Veldhues ist Deutsch daher schwer zu vermitteln. Heutzutage gäbe es nur sechs Goethe-Institute in den USA. Zusammen kommen sie gerade mal auf 6.000 Sprachschüler pro Jahr.

Englisch ist Muss, Deutsch ein Plus

Während Spahn Cafénglisch für eine Form von „elitär-globalisierten Tourismus” hält, sagt Dr. Veldhues, es ist ein Aspekt der Amerikanisierung bzw. Unifizierung. Unifizierung entsteht aus der Dominanz einer Sprache und Kultur. Und in dieser amerikanisierten Welt ist Englisch ein Muss und Deutsch ein Plus, sagt Dr. Veldhues.

Zurück im amerikanisierten Berlin kaufe ich in einem anderen Café einen völlig überteuerten „large Iced Bio Mocha Latte”. Innerhalb einer Minute gibt mir die Barista die Frankenstein-Latte und erklärt sehr höflich:

“Straws and lids are right here.”

Ich lächle. „Ist mein Akzent so stark?”

Sie hält kurz inne, denkt nach.

„Meine Güte,” lächelt sie, „haben wir auf Deutsch gesprochen?”

„Ja, haben wir.”

„Weißt du, ich wechsle so oft zwischen Deutsch und Englisch hin und her … Ich hab’ das gar nicht bemerkt. Wir können gerne Deutsch reden.”

„Das wäre ja cool,” sage ich. „Gibt es hier WiFi?”

„Leider nicht,” sagte sie. “Sorry!”

Mehr zum Thema Sprache in unserem Kompendium Visual Language und in unserem Interview mit dem Startup Babble.


Unser Autor Josh hat auf Englisch einige Gedanken über die Deutsche Sprache festgehalten. In der finalen Fassung des Artikels fanden sie keinen Platz mehr. Dennoch möchten wir sie euch nicht vorenthalten:

“Often is love irrational and I do love the German language. The logic of its grammar (in comparison with English) and the equal attention to every syllable of every word resonates with the profundity of its champion Dichters und Denkers.

But in these almost daily instances, I forget the Gedichte der Sprache and my Gedanken revolve around what grammatical mistake or mispronunciation triggered this strange paradox of speaking German and being answered in English.”