„Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“, ein Satz, den der Dominikanermönch, Johann Tetzel, ein offenkundiger Gegner Martin Luthers, geäußert haben soll. Mit diesen Worten bringt er die Absurdität des Ablasshandels genau auf den Punkt. Die Kirche versprach im Mittelalter Gnade gegen Geld, Seelenheil mit Brief und Siegel. Nachdem der französische Domdekan Raimund Peraudi um das Jahr 1470 in Rom einen päpstlichen Ablass organisierte, um die baufällige Kathedrale von Saintes zu restaurieren, begann die im 15. Jahrhundert breit angelegte Kapitalisierung und Professionalisierung des Ablasshandels.
Geschäftsmodell Gottesfurcht: Mit Angst lassen sich Unmengen von Geld verdienen. Dies erkannte die Kirche schon vor 600 Jahren. „Das Leben der Menschen im Mittelalter war von einer tiefen Frömmigkeit und Heilssehnsucht geprägt. Man fürchtete, nach dem Tod für begangene Sünden schreckliche Qualen im Fegefeuer erleiden zu müssen. Durch Bußtaten wie Fasten oder Wallfahrten glaubte man, die Sündenstrafen mildern zu können”, erklärt Christiane Domtera-Schleichardt vom Institut für Kirchengeschichte an der Universität Leipzig. „Die von der Kirche verkündeten Ablässe versprachen einen solchen „Nachlass“ gegen Geldzahlung, sc
hließlich sogar vollkommenen Straferlass sowie Ablass, und zwar nicht nur für das eigene Seelenheil, sondern auch für bereits verstorbene Familienangehörige. Die Gläubigen schauten zur Kirche auf und betrachteten sie als Mittlerin zu Gott und als Verwalterin eines unermesslichen (durch Christus und die Heiligen erworbenen) Gnadenschatzes.”
Reißerische Bußpredigten öffneten die Geldtruhen
Damit Menschen jeglichen Standes den Bußpredigern mit ihren überzeugenden Inszenierungen Münzen geben konnten, konzipierte die Kirche eine Preisstaffelung. Erzbischof Albrecht von Mainz gab im Jahr 1507 eine Art Leitfaden für Kirchenvorsteher heraus, in dem die man den Kommissaren riet, die Beichtenden zunächst nach ihren finanziellen Möglichkeiten fragte, „damit sie die Menschen daraufhin leichter zum Zahlen bewegen können. Und da die Zustände der Menschen allzu mannigfaltig und verschieden sind, können solche Taxen im Allgemeinen unterschieden werden.”
„Diese Ablassinstruktionen, auf dessen Grundlage die Ablasshändler tätig wurden, regelten die Tarife genau. Im Falle des berühmten von dem Dominikanermönch Johann Tetzel vertriebenen Petersablasses, an dem sich Martin Luthers Kritik entzündete, hatten zum Beispiel Bürger, Handwerker und Kaufleute einen rheinischen Goldgulden für einen gedruckten Ablassbrief aufzubringen, „kleinere Leute“ einen halben. Ein stattlicher Wert: Ein Gulden entsprach zu Luthers Zeiten in etwa dem Preis für ein gemästetes Schwein oder für 25 Hühner. Ein Handwerker verdiente im ganzen Jahr gerade einmal 20 Gulden als Lebensunterhalt für sich und seine Familie“, ordnet die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Lehrstuhls für Spätmittelalter und Reformation, Domtera-Schleichardt die damalige Situation ein. Wer allerdings völlig mittellos war, durfte anstatt einer Geldleistung auch durch Beten und Fasten Ablass „erwerben“ – als würden die Armen nicht ohnehin zwangsläufig hungern, da sie sich keine Lebensmittel leisten können …
Auf Angst gebaut
Insgesamt ist das Konzept und die Machtverkettung paradox: Da wurde das Fegefeuer für den göttlichen Bauauftrag instrumentalisiert – die Menschen wurden kleingehalten, um die Kirchen größer zu machen. Die irrationalen Ängste der Bürger wurden zu handfesten Baumaterialen für die prunkvolle Institution. Und somit zementierten die Gotteshäuser ihre spirituelle Macht. „Ein Teil der Ablassgelder diente der Vergütung der Kommissare, ein Teil floss an die römische Kurie, die damit zum Beispiel Kreuzzüge oder den Bau von Kirchen finanzierte.
Indirekt wurde durch den Ablass also auch das Bau- und Kriegswesen gefördert. Und indem ein Teil der Einnahmen aus dem Ablass an andere „Lizenznehmer“ abgetreten wurde, wenn sie für die Organisation von Ablasskampagnen sorgten, konnten diese eigene Projekte damit finanzieren. Der Bau der Nürnberger Lorenzkirche etwa, ein Projekt des Nürnberger Bürgertums, wurde durch Ablässe teilfinanziert”, so die Kirchenhistorikerin. Das berühmteste Beispiel steht aber natürlich im Vatikan: Auch der Bau des Petersdoms in Rom wurde von Geldern der Menschen, die ihre Seelen befreien wollten, unterstützt.
Der Ablasshandel mit seinem berühmten Brief ist in der römisch-katholischen Kirche seit dem Jahr 1562 verboten und seit 1567 mit der Strafe der Exkommunikation belegt, allerdings gibt es den Ablass noch heute – nur ohne Cashflow. Das große Geld kommt heute dank Kirchensteuer und Spenden direkt aufs Konto.