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Die Digitalisierung verfügt eigentlich das Potenzial, viele Abläufe umweltfreundlicher zu gestalten. Sie hat allerdings einen entscheidenden Nachteil: Sie frisst zu viel Strom, der oft nicht nachhaltig erzeugt wird. Foto: Jonathan Hanna / Bearbeitet mit photomosh.

Die Digitalisierung frisst zu viel Strom

Die Digitalisierung schien einst eine große Chance für eine ökologischere Zukunft zu sein: Wenn keine DVDs mehr verkauft, kaum noch Papier bedruckt und unsere Daten nicht mehr auf externen Festplatten gespeichert werden – dann wäre das Problem der Ressourcenknappheit gelöst. Doch eine Frage bleibt: Woher soll der ganze Strom kommen, um all die Dateien abzurufen?  

Wer die Website solar.lowtechmagazine.com öffnen möchte, kommt nicht immer durch. Die Seite ist nur dann online, wenn die Sonne scheint und diese damit die für die Bereitstellung notwendige Energie liefert.

Denn das Internet – so die Botschaft des LOW-TECH MAGAZINE – verbraucht viel Strom und der Energiebedarf wächst mit der fortschreitenden Digitalisierung stetig an.

Es ist wichtig, in dieser Hinsicht die richtigen Prioritäten zu setzen und darüber nachzudenken, welche Schritte wir ergreifen müssen. Vor allem aber sollten wir uns damit auseinandersetzen, wie wir uns die Technik zunutze machen, um das digitale Zeitalter selbst nachhaltig und somit überhaupt erst zukunftsfähig zu gestalten.

Die Seite lowtechmagazine.com ist nur dann online, wenn die Sonne scheint und diese damit die für die Bereitstellung notwendige Energie liefert. Foto: Thinnapob Proongsak.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat in diesem Frühjahr das Gutachten „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ veröffentlicht, das erstmals versucht, diese Frage zu beantworten.

„Nun ja“, wird man sich nun fragen, „weshalb sollten sich die Ökos des WBGU mit der Digitalisierung befassen?“

„Nun ja“, wird man dann antworten, „die Erderwärmung, der zweite Megahype unserer Zeit, und die damit verbundene, unabdingbare Energiewende könnten uns die Digitalisierung ganz und gar vermiesen. Denn das Internet kostet Strom, Technik frisst Energie und wir wollen doch weniger DVDs kaufen und mehr Netflix streamen.“

Denn kein zukunftsfähiger Strom bedeutet keine zukunftsfähige Digitalisierung.

Das Ergebnis der Untersuchung: Der digitale und der ökologische Wandel sind miteinander verbunden. Der WBGU gibt in seinem Gutachten Richtungen vor, die beides integrieren und letztlich einen Aspekt als Ziel der „großen Transformation“ festlegen: Nachhaltigkeit.

Die internetbasierte Welt ist wenig nachhaltig und könnte so zu einem „Brandbeschleuniger“ der Erderwärmung werden, so der WBGU. Laut einer Studie des französischen Think Tanks „The Shift Project“ ist die Nutzung des Internets heutzutage bereits für 4 % aller globalen Emissionen verantwortlich – also mehr, als der zivile Luftverkehr verursacht.

Hinter jeder vermeintlich rein virtuellen Google-suche oder kurzen Social-Media-Session steckt reale Energie. Foto: Jezael Melgoza.

Hinter jeder vermeintlich rein virtuellen Google-Suche, jedem Netflix-Stream und jedem „Kurz-mal-Insta-Checken“ steckt reale Energie. Die riesige Infrastruktur des Internets wird bedient durch Rechenzentren, in denen Computer dem Datenverbrauch nachkommen. Zum Vergleich: Sämtliche Rechenzentren der Stadt Frankfurt veranschlagen 20 % des gesamten Energiebedarfs der Metropole. In Deutschland werden diese Computer fast zu 50 % mit Strom gespeist, der aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Die Rechner wandeln die Energie vollständig in Wärme um, die letztlich oft ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben wird.

Wenn der Strom für Rechenzentren aus erneuerbaren Energien stammt, ist das schon einmal ein Anfang. Greenpeace hat in der Studie „Clicking Green“ 2017 die Nachhaltigkeit von Technikunternehmen bewertet: Apple, Microsoft, Facebook und Google setzen demnach mehr auf regenerative Energien und investieren in Rechenzentren, die dementsprechend operieren.

Doch die Serverfarm von Amazon, derer sich auch Netflix bedient, wird lediglich mit 4 % „Ökostrom“ gespeist. Da sich die Rechenzentren oft in großer Distanz zu den regenerativen Stromerzeugern befinden, ist es momentan noch keine finanziell lohnenswerte Alternative, Ökostrom zu beziehen.

Wind als integrierter Lösungsansatz von Rechenzentren

Das möchte WestfalenWind ändern. Der Windenergieerzeuger hat in Lichtenau bei Paderborn vor einem Jahr den ersten „WindCore“ in Betrieb genommen. Dieser Prototyp ist ein Rechenzentrum, das in eine Windkraftanlage integriert wurde.

Bis zu 50 Serverracks fasst ein Windrad. Diese werden mit der dort umgewandelten Energie versorgt – so spart man sich die sonst oft langen Wege. Der Strom wird direkt am Erzeuger verbraucht und ist damit um einiges günstiger als bei externer Beschaffung. Das ermöglicht die preiswerte Nutzung des Rechenzentrums.

Weiterhin kann die Abwärme nicht nur in die Atmosphäre abgeführt, sondern auch wiederverwendet werden: In Stockholm etwa werden Rechenzentren genutzt, um Heizwärme zu sparen. Die Abwärme der Rechner wird in Form von Warmwasser weitergegeben.

So wird zumindest die Ökobilanz aufgebessert. Wenn die Zentren dann noch auf regenerativem Strom basieren und Notaggregate nutzen, um überflüssige Energie zu speichern, kann man von Klimaneutralität sprechen.

Um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten, ist es unabdingbar, in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts nicht nur Klimaneutralität zu erreichen, sondern auch aktiv CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.

Das Start-up Windcloud hat ein Rechenzentrum unmittelbar in Reichweite eines Windparks errichtet. Die dort entstehende Energie wird verlustfrei weitergeleitet in ein Gewächshaus mit CO2 absorbierenden Algen auf dem Dach des Rechenzentrums. Foto: Brady Bellini.

Das Start-up Windcloud aus Enge-Sande in Norddeutschland denkt genau darüber nach: Das Unternehmen hat ein Rechenzentrum auf einem ehemaligen Bundeswehrgelände errichtet, das sich unmittelbar in Reichweite eines Windparks befindet.

Die dort entstehende Energie wird verlustfrei weitergeleitet und kann gegebenenfalls in Notaggregaten gespeichert werden. Normalerweise würde die im Serverpark entstandene Wärme über Wasserleitungen weitergegeben werden, doch meist hat das Wasser nicht die nötige Temperatur, um diese effektiv zu transportieren.

Deshalb nutzt Windcloud die Hitze alternativ. Anstatt weit entfernte Gebäude mit der Wärme zu versorgen, pumpt die Anlage diese in ein Gewächshaus auf dem Dach des Rechenzentrums. Dort wachsen Algen, die CO2 aufnehmen können. So erzielt der Serverpark nicht nur eine neutrale Klimabilanz, sondern hat darüber hinaus auch noch positive Auswirkungen. Das Rechenzentrum fungiert im besten Fall also als ganzheitliches Ökosystem.  

Die Digitalisierung kann zum Brandbeschleuniger werden!

Wenn das LOW-TECH MAGAZINE ohne Sonnenenergie nicht läuft, dann mag das albern erscheinen. Der Konsens jedoch ist klar: Auf der Erde sind Ressourcen und fossiler Strom nicht unendlich vorhanden. Und: Die Digitalisierung benötigt Elektrizität.

Diese Gegebenheiten legen den Gestaltungsrahmen für eine Vereinbarung unserer Lebensweise und der Erde ganz allgemein fest. Es muss folglich sicher mehr Geschäftsmodelle geben, die nach dem gemeinen Verständnis nachhaltig sind, also Strom einsparen, auch wenn dadurch ein Nachteil im Wettbewerb entsteht.

Doch langfristig wird es nicht möglich sein, auf Strom oder Verfügbarkeit zu verzichten. Ökologie muss demnach auch wirtschaftlich gedacht werden, sodass ein Wettbewerb entsteht, der Geschäftsmodelle hervorbringt, die nicht nur das Klima schützen, sondern sogar verbessern.

Der WBGU hat „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ genau zur richtigen Zeit veröffentlicht: Noch kann man sich von dieser Denkweise inspirieren lassen und die fortwährende Digitalisierung ermöglichen.