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Kompendium: Multipolar World

Der Erste Weltkrieg verteilte die Macht neu. Er ließ in seiner Folge zu, dass eine nationalistisch orientierte und militärisch gedrillte, selbstermächtigte Elite die Macht in Deutschland, Spanien, Italien und Japan an sich riss. Der Faschismus verstand sich als neuer Machtpol – und wollte die Welt unter sich aufteilen.

Kompendium: Multipolar World

Die Welt der Gegenwart ist komplex und multipolar: So global verflochten wie noch nie, gibt es keine eindeutige Weltordnung. Mehrere Machtpole versuchen ihren Einfluss in der Welt auszuüben. Dabei kommt es zu kulturellen Missverständnissen, wie unser China-Bild oft zeigt.

Kompendium: Multipolar World

Wem gehört der Nordpol? Eine Frage, die umso brisanter wird, wenn die geopolitischen Interessen auf wirtschaftliches Potenzial stoßen. Mit dem Klimawandel wird die Arktis mittelfristig Bodenschätze freilegen und im Sommer neue Routen für die Schifffahrt ermöglichen. Doch wer hier Anspruch hat, ist unklar und Konflikte schwelen unter dem Eis.

Kompendium: Multipolar World

Der Klimawandel war schon lange dringliches Thema, aber es wurde zu viel Zeit mit Debatten verschwendet. Die Welt im Jahr 2045 hat sich unweigerlich erwärmt und die Konsequenzen nagen auch an den Machtpolen. Ein Blick in die erwärmte Zukunft des Planeten.

Kompendium

Die Hegemonialstellung der USA wird immer mehr von China bedroht. Aber auch die Europäische Union, Indien und Brasilien suchen eine neue Position auf der Landkarte der Macht. Kann eine Welt mit mehreren Machtpolen vielleicht sogar gerechter und friedlicher werden, oder bedroht die Konkurrenz die Gesellschaft und den Handel?

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Mit der Gier nach Land und Rohstoffen bildeten sich die europäischen Staaten in der Neuzeit als umtriebiges Machtzentrum der Welt heraus. Gerechtfertigt wurde die wirtschaftliche Expansion durch eine vermeintliche geistige Überlegenheit.

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Kolonialismus und die Entstehung von globalen Machtpolen

Kompendium: Multipolar World

Kolonialismus und die Entstehung von globalen Machtpolen

Selbst die große Erdkugel und alles was sie enthält ist zu klein für diesen unstillbaren Appetit der europäischen Kolonialisten. Bild: James Gillray, United States Library of Congress

Mit der Gier nach Land und Rohstoffen bildeten sich die europäischen Staaten in der Neuzeit als umtriebiges Machtzentrum der Welt heraus. Gerechtfertigt wurde die wirtschaftliche Expansion durch eine vermeintliche geistige Überlegenheit.

Ursprung des Kolonialismus lag im Handel

Zunächst war es der Handel, der die Schiffe um die Welt schickte und neue Routen für den Fluss von Gütern und Geldern erschloss. Der Handel war es auch, der zu den ersten Territorien außerhalb der eigenen Landesgrenzen führte: Stützpunkte der Handelsmächte sicherten die Seewege; als Außenposten hielten sie in Vertretung des Zentrums Stellung auf dem Weg. Diese Stützpunkte lassen sich als erste Anzeichen eines Bestrebens nach größeren Machtgesten begreifen. Im Geiste eines Imperiums waren viele europäische Länder bestrebt, ihre Macht auszubauen und auch weit entfernte Regionen der Welt und deren Ressourcen zu kontrollieren – waren sie doch die Grundlage für ihren Reichtum. Dabei war die Welt aus eurozentrischer Sicht noch in weiten Teilen unbekannt. Überall gab es Seewege und neue Handelsrouten und damit Reichtümer zu entdecken. Mit den umtriebigen Schiffen des 15. Jahrhunderts machte Portugal sich auf, das sogenannte Zeitalter der „Entdeckungen“ einzuläuten. Auf einer ähnlichen Expedition der spanischen Krone landete auch Kolumbus in Amerika, glaubte dort Indien entdeckt zu haben und startete so einen Prozess der Kolonialisierung, der zwei ganze Kontinente in ihrer Struktur verändern würde: Nord- und Südamerika wurden ihrer indigenen Bevölkerung durch Gewalt und Mord entrissen, die neuen Kolonialherren beanspruchten dank Schusswaffentechnologie ganze Landmassen für sich. Das koloniale Leitmotiv: Die Gier.

Kolonialist Kolumbus wird von Königin Isabella bei seiner Abfahrt in Spanien verabschiedet. Bild: Stefan Kühn

Europäische Expansion ergreift die Welt

Angetrieben von dieser Gier, breiteten sich die Europäer nach und nach über die ganze Welt aus. Dabei wechselten sich verschiedene Länder in ihrer Vormachtstellung ab. Waren es zunächst die Portugiesen, die die Welt für sich in Anspruch nahmen und damit ihre Schatztruhen füllten, folgten bald Spanien und später auch England und Frankreich in den Rang der Kolonialmächte. Die Geschichte dieser Kolonien prägt noch heute die Lebensrealität vieler Menschen. Aber wieso wollte Europa sich so sehr profilieren und woher kam das Selbstverständnis? Eine Antwort findet sich in der Rassenideologie, die bereits im Kolonialismus ihren Ursprung hatte. Die Begegnung mit anderen Menschen und Völkern veranlasste die europäischen Eroberer und Missionare dazu, Theorien über die Andersartigkeit und damit die Unterlegenheit der Menschen herzustellen, die ihnen begegneten. Diese Unterschiede rechtfertigten zugleich auch die gewaltvolle Expansion der Europäer, die sich durch dieses ideologische Konstrukt überlegen fühlten und einen „noblen” Grund hatten, die Menschen der anderen Kontinente mit Gewalt in die „Zivilisation“ zu führen. So spielten sich die Ausbeuter als Retter auf, um ihre Regime zu rechtfertigen. Ob es in einer anderen Version der Geschichte zu einem friedlicheren Aufeinanderstoßen gekommen wäre? Kolonialismus hat die Welt derart geprägt, dass eine Welt ohne diese dunkle Periode schwer vorstellbar ist.

Deutschlands später Platz an der Sonne

Die Crinoline Karikatur zu Bismarcks Kolonialpolitik vergleicht Kolonien mit einer Mode, die bei den Nationen um sich greift. Quelle: Scan, Volker Ullrich: Otto von Bismarck. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1998, S. 102 (Rowohlts Monographien 50602).

Auch wenn mehrere Kolonialmächte aus Europa heraus entstanden und diese verschiedenen Strukturen um die Welt bauten, so kann man dennoch von einem europäischen Machtpol sprechen. Kaum ein anderer Kontinent beherrschte für Jahrhunderte so sehr und so aggressiv die Welt. Als Deutschland die Riege der Kolonialmächte im 19. Jahrhundert betreten will, ist ein Großteil der Welt bereits erschlossen und aufgeteilt. Eine Karikatur aus der Regierungszeit Bismarcks vergleicht Kolonien mit einer Mode, die bei den Nationen um sich greift. Doch bei den kolonialen Bestrebungen ging es auch hier vor allem darum, den Handel zu stärken und wirtschaftliche Erträge durch den Besitz von sogenannten „überseeischen“ Gebieten, das heißt Gebieten, die per See zu erreichen waren und als weit weg definiert wurden, zu generieren. Diese überseeischen Gebiete versprachen Reichtum, neuen Lebensraum und waren zugleich auch eine Projektionsfläche. Ein Zentrum kann sich nur durch seine Peripherie definieren und Deutschland kann auf der Weltkarte der Großmächte nicht ohne eine entsprechende Peripherie bestehen.

Doch Kolonien bedeuten immer auch Unterdrückung lokaler Bevölkerungsgruppen: Der Genozid an den Herero und Nama im sogenannten Deutsch-Südwestafrika geht als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Damit zieht sich ein blutroter Faden durch die Geschichte der Kolonien und ihre menschenverachtende Politik der Unterdrückung für den Profit.

Die Vertragsunterzeichnung in der Spiegelgalerie des Schlosses von Versailles, 1919, von William Orpen. Bild: Imperial War Museum Collections, London

Auch wenn das Deutsche Reich ab den 1880er Jahren großflächige Gebiete in Afrika und Ozeanien erwirbt, kann es sie nicht lange halten: Mit Abschluss des Versailler Vertrags verliert Deutschland 1919 alle Kolonien und soll damit auch als Weltmacht nachhaltig eingeschränkt werden. Diese Demütigung wird die Grundlage für den Aufstieg des Faschismus in Deutschland.

Weiterlesen Faschistische Wahnvorstellungen: Die Macht-Achse Berlin-Rom-Tokio
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Bild: Alicia Kassebohm
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Faschistische Wahnvorstellungen: Die Macht-Achse Berlin-Rom-Tokio

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Faschistische Wahnvorstellungen: Die Macht-Achse Berlin-Rom-Tokio

Japanische Kriegs - Propaganda

Der Erste Weltkrieg verteilte die Macht neu. Er ließ in seiner Folge zu, dass eine nationalistisch orientierte und militärisch gedrillte, selbstermächtigte Elite die Macht in Deutschland, Spanien, Italien und Japan an sich riss. Der Faschismus verstand sich als neuer Machtpol – und wollte die Welt unter sich aufteilen.

Der Faschismus als weltweites Netzwerk

Faschistische Regimes tauchten ab den 1920er-Jahren in verschiedenen Teilen der Welt auf, vor allem aber in Europa, wo faschistische Führer in mehreren Staaten an die Macht kamen. Das zeigt die weltweite Strahlkraft dieser Ideologie und ihre Auswirkung auf verschiedene Gesellschaften der Welt. Es ist hilfreich, sich den Faschismus als ein weltweites Netzwerk vorzustellen, ein Netzwerk lokaler Faschismen, die jeweils die eigene Nation und damit den eigenen Volkskörper „schützen“ wollten. Und zwar mit aller Gewalt. Dabei sahen sich die Nationen, die von einem faschistischen Regime regiert wurden, als Partner in einem globalen Kampf um die Vorherrschaft gegenüber dem Liberalismus und vor allem dem Kommunismus. Diese Ideologien bildeten die Grundlage für spätere Machtpole. Sie sind bis heute in der politischen Landschaft relevant.

Diese Polarisierung in eine liberale, kommunistische und faschistische Ideologie ist prägend für das Ringen um die Deutungshoheit der Moderne. Die rapiden technischen Veränderungen, die Folgen des Ersten Weltkriegs und ein neues Menschenbild machten die Gegenwart zu einem komplexen, überfordernden Gebilde. Der Aufbruch in eine neue Zeit stand bevor, doch wie sollte die Zukunft aussehen? Die Menschen waren besonders empfänglich für neue Narrative und Deutungsangebote.

Am 27. September 1940 unterschrieben Deutschland, Japan und Italien auf Initiative Adolf Hitlers den Dreimächtepakt. Er wurde von den Vertragspartnern auch als Achse Berlin-Rom-Tokio bezeichnet. Bild: Heinrich Hoffmann

Der Faschismus beanspruchte für sich ein Narrativ der Erlösung, denn er alleine wollte in eine bessere Zukunft führen, eine Zukunft, die den auserwählten Völkern zustand, nicht aber denen, die als minderwertig angesehen wurden. Diese menschenverachtende, ideologische Härte und Gewalt fruchtete vor allem in Deutschland, Italien und Japan. Ihre ideologische Verwandtschaft brachte diese Mächte zusammen: Sie bildeten im Zweiten Weltkrieg die sogenannten Achsenmächte und standen in regem wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Austausch.

Ein neuer Machtpol strebt nach Weltherrschaft

Die realpolitische Konsolidierung der faschistischen Nationen als global agierender Machtpol war eine Folge von politischen Abmachungen und Pakten. Mit dem sogenannten Antikominternpakt einigten sich das Deutsche Reich und das Japanische Kaiserreich auf die Bekämpfung der Kommunistischen Internationalen. Was beide faschistische Regimes gemeinsam hatten, war eine starke anti-kommunistische Linie. Später trat diesem Pakt auch Italien bei. Mit dem Dreimächtepakt von 1940 war die Achse Berlin-Rom-Tokyo endgültig ein Begriff im Vokabular des Zweiten Weltkriegs. Die Achse der drei Reiche strebte für sich eine Weltherrschaft an, die die gesamte Welt unter den drei Mächten aufteilen sollte. Das faschistische Bestreben nach Dominanz war grenzenlos, keine andere Macht sollte es mehr auf der Welt geben, alles sollte unterworfen und bereinigt werden. Soweit die Theorie und der Anspruch.

Susan Sontag beschreibt in ihrem Essay “Fascinating Fascism” die faschistische Ästhetik als eine Ästhetik der Idealisierung und Glorifizierung, in der das sich Ergeben und der Tod eine große Rolle spielen. Bild: Lynn Gilbert

Faschistische Softpower und ihre zerstörerische Fortsetzung

Aber wie konnte dieser Anspruch untermauert werden? Die Gedankengebäude des Faschismus sind immer auch mit großspurigen Erzählungen verknüpft, die den Stil der Politik beeinflussen. Softpower bezeichnet man die Machtausübung durch softe Maßnahmen, die im Gegensatz zu harten Maßnahmen wie der Kriegsführung weniger drastisch sind. Neben der Diplomatie gehört auch der kulturelle Austausch und Einfluss dazu. Ein ausgewachsener Machtpol kann seine Vormachtstellung und Anziehungskraft nicht durch politische und militärische Macht allein ausüben; es gehört auch ein kultureller und gesellschaftlicher Einfluss dazu. Diese Ähnlichkeiten bilden eine gemeinsame Wertegrundlage. So war die faschistische Machtausübung nicht nur auf Pakte und Verträge gestützt, sondern auch von einer gemeinsamen Ästhetik geprägt. Susan Sontag beschreibt in ihrem Essay “Fascinating Fascism” die faschistische Ästhetik als eine Ästhetik der Idealisierung und Glorifizierung, in der das sich Ergeben und der Tod eine große Rolle spielen. So entsteht eine einigende Ästhetik, die zum Ziel hat, zu reinigen und auf die herbei fantasierte bessere Zukunft vorzubereiten. Diese Ästhetisierung ist zugleich auch ein Machtanspruch, der sich in der monumentalen Architektur des Faschismus ablesen lässt, vor allem in Deutschland und Italien.

Das Olympiastadion in Berlin ist ein klassisches Beispiel für faschistische deutsche Architektur. Bild: Thomas Wolf

Doch zugleich brachte der Faschismus vor allem eine große Welle der Zerstörung, die die ganze Welt mit in einen Strudel der Gewalt riss. Nachdem die faschistischen Länder immer aggressiver wurden, begann auch eine Phase der internationalen Isolation. International hatte sich Japan bereits in den frühen 1930ern durch die Besetzung chinesischer Provinzen ins Abseits gerückt. Später kam der Austritt aus dem Völkerbund, nur wenige Monate bevor auch Hitler-Deutschland dem UN-Vorläufer den Rücken kehrte. Die Eskalation ging weiter, so unterstützte Deutschland die Faschisten in Spanien im spanischen Bürgerkrieg, und von dort war der Weg bis zum Überfall auf Polen nicht mehr weit. Den gesamten Weltkrieg hindurch standen Japan und Deutschland in regem Austausch. Die Idee eines globalen Machtpols war damit mit politischer Affinität und dem Gefühl von Isolation verbunden. All das waren direkte Konsequenzen des Ersten Weltkrieges. Was daraus folgte? Eine unvorstellbare Welle von Gewalt, die letztlich in einer Niederlage von Japan und Deutschland mündete. Eine Niederlage, die mit viel Blutvergießen einherging.

Weiterlesen Ost vs. West ist vorbei – Willkommen in einer multipolaren Welt
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Bild: Alicia Kassebohm
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Ost vs. West ist vorbei – Willkommen in einer multipolaren Welt

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Ost vs. West ist vorbei – Willkommen in einer multipolaren Welt

Bild: Rafael Banha

Die Welt der Gegenwart ist komplex und multipolar: So global verflochten wie noch nie, gibt es keine eindeutige Weltordnung. Mehrere Machtpole versuchen ihren Einfluss in der Welt auszuüben. Dabei kommt es zu kulturellen Missverständnissen, wie unser China-Bild oft zeigt.

Ist die multipolare Weltordnung da?

Es kann einem fast verklärt und gestrig vorkommen, dass die Welt mal so einfach war: Hier war der Westen, demokratisch und kapitalistisch, und da war der Osten, kommunistisch und unfrei. Zwei Machtpole, die sich gegenüberstanden, so wie auch die geografischen Pole ihre Magnetlinien über die Welt werfen. Diese simple Aufteilung der Welt hat sich mittlerweile aber komplett verändert – aus einer bipolaren Welt ist eine ungeordnete Welt geworden, die verschiedene Machtzentren besitzt. Komplexe internationale Beziehungen bilden verschiedene Cluster, sie bewegen sich von einem US-zentrierten Ansatz in neue Machtgewebe.

Noch ist die neue Weltordnung nicht austariert, denn die Großmächte sind noch immer im Verhandlungsprozess. Dieses globale Ringen um Macht wird durch die global verflochtene Wirtschaft umso komplizierter. Neuordnungen wie nach dem Brexit zeigen, wie interdependent Menschen- und Warenflüsse geworden sind. Allein auf sich gestellt, kann keine Macht mehr bestehen, ein gewisser Grad an Öffnung ist überlebensnotwendig. Bereits in der Vergangenheit, wie während des Kolonialismus, zeichnete sich ein Machtpol dadurch aus, dass er die Kontrolle über Ressourcen außerhalb des eigenen Territoriums besaß. Diese Verflechtung setzt einen Zugang zu Ressourcen und eine Machtverteilung voraus, die im aktuellen politischen Weltklima von mehreren Ländern ausgeht.

Die Neue Seidenstraße geht auch durch Deutschland. Eine Route führt von Chongqing über Kasachstan, Russland, Weißrussland und Polen nach Duisburg. Der Hafen Duisburg entwickelt selbst Logistik-Investitionen an der Neuen Seidenstraße. Bild: Spielvogel

Die Neue Seidenstraße und Chinas Machtanspruch

Die sogenannte „Neue Seidenstraße” ist eines der wichtigsten Projekte der chinesischen Regierung mit globaler Auswirkung. Sie soll eine Handelsroute werden, aber bestimmt zugleich die Außenpolitik der Großmacht. Die neue Handelsroute bekommt ihren Namen in Anlehnung an die alte Seidenstraße, die vom Mittelmeerraum über den Landweg bis nach China führte. Die Neue Seidenstraße braucht den Landweg nicht mehr, sie ist komplexer. In diesem Projekt forciert China eine engere Verflechtung der Handelsbeziehungen in Asien, Afrika und Europa. Dabei will die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt auch dafür sorgen, dass sich die Handelsnetzwerke stärker nach China ausrichten und damit eine Neusortierung der globalen Machtverhältnisse auf den Weg bringen. Wie ein magnetischer Pol würde sich so der wirtschaftliche Kompass dann nach China ausrichten. Wie will China das erreichen?

Zum einen stehen die Investitionen in Infrastruktur in strukturschwächeren Partnerländern im Vordergrund. Staudämme werden gebaut, Eisenbahnen verlegt und Flughäfen errichtet. Die konkreten Projekte bietet China auch gleich als Paket an, inklusive der Umsetzung. Das schafft zugleich Absatzmärkte für chinesische Unternehmen, die diese Projekte umsetzen. Länder wie Malaysia oder Äthiopien, die daran beteiligt sind, haben sich bereits stark bei der chinesischen Staatsbank verschuldet – eine weitere Form der Machtausübung. Doch die Neue Seidenstraße reicht auch bis nach Europa: So wurden Güterzugverbindungen zwischen China und Deutschland ausgebaut, unter anderem mit dem „Trans-Eurasia-Express”. Auf dem Seeweg steht der griechische Hafen von Piräus im Zentrum, denn er ist ein wichtiger Umschlagplatz und wird derzeit mit chinesischen Geldern ausgebaut. Die Neue Seidenstraße ist ambitioniert – insgesamt sollen 4 Milliarden Menschen mit dem Projekt dazu in die Lage versetzt werden, besser miteinander zu handeln.

Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße ist ambitioniert – insgesamt sollen 4 Milliarden Menschen in die Lage versetzt werden, besser miteinander zu handeln. China zeigt damit, wie ein Machtpol im 21. Jahrhundert funktionieren kann. Bild: Katherine Gu

China zeigt damit, wie ein Machtpol im 21. Jahrhundert funktionieren kann: Internationale Politik wird nicht mehr mit Kolonien gefestigt wie noch im 19. Jahrhundert, sondern mit wirtschaftlicher Einflussnahme und der Förderung von Infrastruktur. Die Globalisierung kennt neue Formen der Dominanz, denn die Einflussnahme ist vor allem ökonomischer Natur. Dabei geht es nicht mehr um Überlegenheit begründet auf einer Ideologie, die sich mit Rasse oder anderen Konstruktionen beschäftigt, sondern um die vermeintliche Förderung des globalen Handels.

Dennoch: Unser China-Bild ist oft reduziert

War die alte Seidenstraße noch ein Ort des kulturellen und geistigen Austauschs, wirkt die Neue Seidenstraße dagegen sehr nüchtern und pragmatisch. Was ist mit dem kulturellen Austausch zwischen China und Deutschland? Oft sind es Klischees, die das Chinabild prägen. Dabei ist China als Land keineswegs so uniform, wie es oft in westlichen Medienberichten dargestellt wird. China ist eine komplexe Gesellschaft, die ihre Widersprüche und Diskurse hat. Entlang von Zensur und staatlichen Eingriffen stehen diese vor Herausforderungen, aber China ganz ablehnen? Die Schriftstellerin Lea Schneider beschreibt in einem Essay ihre Verbindung zu China und ihr Fernweh. Dabei macht sie sichtbar, wie eine Beschäftigung mit China eben auch bedeutet, sich mit einer Gesellschaft in ihren Aushandlungsprozessen und Widersprüchen auseinanderzusetzen. Dabei geht es nicht um ein für oder gegen China, sondern vielmehr ums Zuhören. Sie schreibt: „Ich vermisse die Würde von Topfpflanzen, von Goldfischen, von Hühnern – von Lebewesen, um die gesorgt wird, in täglicher, kleinteiliger, routinierter Arbeit, die eine Form von Liebe ist, die nicht von sich spricht, die Demut zu schätzen weiß.“ Dabei macht sie China als Ort kultureller Praxis sichtbar – und nicht als globalen Opponenten im Kampf um Ressourcen.

Unser China-Bild ist oft reduziert: Wir sehen das Land häufig nur als globalen Opponenten im Kampf um Ressourcen, statt als Ort kultureller Praxis. Bild: Hiep Duong

Das „China der Macht“ geht bei ihr aber keineswegs verloren, sondern wird als Beobachtung vorgelegt: „Es ist drei Jahre her, dass ich das letzte Mal in China war und mich mit zunehmender Beunruhigung zwischen Xi-Jinping-Plakaten und Überwachungskameras bewegte, die überall waren, wo es sie im Jahr zuvor noch nicht gegeben hatte.“ Was uns Schneiders Blick auf China sofort ermöglicht, ist Komplexität, die sich nicht einfach ausdeuten lässt.

Weiterlesen Nordpol: Reiche Bodenschätze und neue Seidenstraße
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Bild: Alicia Kassebohm
Kompendium: Multipolar World

Nordpol: Reiche Bodenschätze und neue Seidenstraße

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Nordpol: Reiche Bodenschätze und neue Seidenstraße

Bild: Hannes Grobe, AWI

Wem gehört der Nordpol? Eine Frage, die umso brisanter wird, wenn die geopolitischen Interessen auf wirtschaftliches Potenzial stoßen. Mit dem Klimawandel wird die Arktis mittelfristig Bodenschätze freilegen und im Sommer neue Routen für die Schifffahrt ermöglichen. Doch wer hier Anspruch hat, ist unklar und Konflikte schwelen unter dem Eis.

Der Nordpol und seine Bodenschätze werden begehrt

Solange die Arktis ganzjährig von einem dicken Eispanzer umgeben war, war aus dieser Region der Welt nicht viel zu holen. Doch mit dem Klimawandel schmilzt das Eis zunehmend und damit verändert sich die Beschaffenheit des Nordpols. Lebensräume gehen verloren, Arten sterben aus und durch die fehlende Eisdecke wird der Klimawandel weiter verstärkt. Hinzu kommen die steigenden Meeresspiegel und weitere komplexe Folgen für das Weltklima. All das ordnen wir in der Regel negativ ein, und vollkommen zu Recht wird das schmelzende Arktiseis als Warnsignal gelesen.

Mit Prognosen, die die Arktis bereits um 2035 eisfrei sehen, steigt auch der Druck und das Gerangel am Nordpol. Wem gehört die Arktis? Bild: Sémhur

Aber nicht alle Akteure der Weltpolitik sehen nur Probleme: Auftritt China und Russland. Eine eisfreie Arktis führt in naher Zukunft zu internationalen Konflikten wegen wirtschaftlicher und strategischer Nutzung. Denn zeitgleich mit den schlimmen Folgen des Klimawandels gibt es für einige Länder hier wirtschaftliche Interessen, die eiskalt mit einkalkuliert werden, sobald das ewige Eis gar nicht mehr so ewig ist. Dabei geht es konkret um Bodenschätze, die unter dem Eis vermutet werden und Routen für Schiffe. Ertragreiche Öl- und Gasvorkommen versprechen Profite. Ironischerweise treiben genau diese fossilen Brennstoffe die globale Temperatur nach oben. Hinzu kommt, dass die meisten der Vorkommen „off-shore“ liegen, das heißt auf hoher See abgebaut werden müssen – umso mühsamer in einer Umgebung wie der Arktis. Anrainerstaaten wie Kanada, die USA, Russland, aber auch China interessieren sich deswegen für die Gebietshoheit. Mit Prognosen, die die Arktis bereits um 2035 eisfrei sehen, steigt auch der Druck und das Gerangel am Nordpol. Wer hat hier Anspruch?

Schwelendes Konfliktpotenzial zwischen den Machtpolen

Nach dem Völkerrecht gehört die Arktis niemanden, das regelt das sogenannte UN-Seerechtsübereinkommen. Die Arktis hat zwar viele Anrainerstaaten, aber darf selbst von keinem der Machtpole für sich eingenommen werden. Lediglich eine 320 Kilometer breite Zone ab der Grenze der jeweiligen Staaten darf beansprucht und bewirtschaftet werden. Durch seine Lage in der Welt hat der Nordpol viele Anrainerstaaten und es besteht eine entsprechende Gemengelage von Interessen. Länder, die sonst keine Grenzen teilen, geraten plötzlich in geopolitische Konflikte.

Vor allem der russische Anspruch auf das Gebiet wird mit milder Aggression auf Konferenzen wie der Wirtschafts- und Ministerkonferenz „Arctic Frontiers“ vorgetragen. Der Anspruch Russlands am Nordpol leitet sich aus einer verschieden auslegbaren Definition der konkreten Grenzen des russischen Festlands ab. Wo endet der Festlandsockel Russlands und wo beginnt der Radius, in dem Russland seine Macht ausüben darf?

Die Arktis galt eigentlich immer als Nebenschauplatz der Weltgeschichte, sogar im Kalten Krieg. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass es einen Krieg um den Nordpol geben wird, bringt eine eisfreie Arktis neue Seerouten auf den Plan der Großmächte. Bild: Vince Gx

Diese Frage ist umstritten und wird in einem UN-Organ besprochen. Und so wie das Eisschild der Arktis ein Indikator für die aktuelle Situation und das Fortschreiten des Klimawandels ist, so sieht man auch in den Bemühungen um die Arktis eine Verschiebung der Machtpole. Keine der gegenwärtigen Supermächte USA, Russland oder China hat jemals einen Konflikt in der Arktis austragen müssen. Die Arktis galt immer als Nebenschauplatz der Weltgeschichte, sogar im Kalten Krieg war das ewige Eis eher das Ende der Welt als ein Zentrum des Interesses.

Wird es einen Krieg um den Nordpol geben?

Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass es einen Krieg um den Nordpol geben wird, bringt eine eisfreie Arktis neue Seerouten auf den Plan der Großmächte. Das heißt, für den Konfliktfall können aus Handelsrouten auch schnell militärische Routen werden, die sich für die Infrastruktur von Kriegen nutzen lassen. Wer die Handelsrouten bestimmt, kann von ihnen profitieren und so das eigene Machtzentrum stärken. Damit wird der Nordpol nicht nur zu einem Kreuzungspunkt verschiedener Anrainerstaaten, sondern zum Symbol für eine sich durch das veränderte Klima neugeordnete Weltpolitik. Derzeit wird nur diskutiert, doch wie sich die Konflikte weiterentwickeln, hängt auch von den noch unklaren Gegebenheiten am Nordpol ab. Eisfrei ab 2035 oder 2045? Was für die einen Profit verspricht, heißt für den Rest der Welt: Der Klimawandel ist in vollem Gange.

Weiterlesen 2045: Kann Europa seinen Machtpol trotz Klimawandel beibehalten?
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2045: Kann Europa seinen Machtpol trotz Klimawandel beibehalten?

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2045: Kann Europa seinen Machtpol trotz Klimawandel beibehalten?

Der Hamburger Hafen ist im Jahr 2045 nicht mehr das, was er mal war. Bild: DJ Photographie

Der Klimawandel war schon lange dringliches Thema, aber es wurde zu viel Zeit mit Debatten verschwendet. Die Welt im Jahr 2045 hat sich unweigerlich erwärmt und die Konsequenzen nagen auch an den Machtpolen. Ein Blick in die erwärmte Zukunft des Planeten.

Klimawandel greift Infrastruktur der Machtpole an 

Trotz aller Anstrengungen gab es kein Zurück mehr. Es gelang den Entscheidungstragenden in Politik und Wirtschaft zu spät, Veränderungen herbeizuführen, die die globalen Folgen des Klimawandels hätten eindämmen können. Dürren, Überschwemmungen und Stürme: Die Katastrophen, die den Klimawandel begleiten, häuften sich auf dem Weg in die Mitte des 21. Jahrhunderts von Jahr zu Jahr. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit starker globaler und gesellschaftlicher Veränderungen stellte sich zu langsam ein, um größere Veränderungen in der Machtlandkarte zu vermeiden.

Auch wenn jüngere Generationen für ihr Recht auf ein Leben auf einem bewohnbaren Planeten eintraten, waren sie von den Machthabenden nicht früh genug gehört worden. In den 2030er-Jahren begann eine Welle von Klimaterrorismus die Machtzentren der Welt von Washington bis Moskau aufzurütteln. Diese radikalisierte Klimabewegung erreichte durch ihren Aktivismus, der sich vor allem gegen Gegenstände und Güter richtete, eine neue Aufmerksamkeitsstufe für den Klimawandel. Seine Folgen waren bekannt, doch der notwendige Gestaltungswille blieb lange aus. Die Beschädigung von Infrastruktur klimaschädlicher Industrien stand bei der Bewegung im Vordergrund. Doch sie war nicht allein: Auch Umweltkatastrophen griffen die Infrastruktur der Industrien und damit die Infrastruktur der Macht an.

In den 2030er-Jahren begann eine Welle von Klimaterrorismus die Machtzentren der Welt von Washington bis Moskau aufzurütteln. Doch der Aktivismus der jüngeren Generationen ist von den Machthabenden nicht früh genug gehört worden. Bild: Ehimetalor Akhere Unuabona

Der Hamburger Hafen verkleinert sich

Wir schreiben das Jahr 2045, Hamburg. Der Hamburger Hafen, seit Jahrhunderten Umschlagplatz von Waren und Tor zu Europas Festland, hat sich verändert. Waren Zugang zu Meer und Flüssen in vergangenen Jahrhunderten noch wichtige Zugänge für Handelswege, wurden sie durch steigende Meeresspiegel und häufige Überflutungen immer mehr zu wunden Punkten. Das musste auch die alte Hansestadt erleben, die noch im Jahr 2020 in ihrem Klimareport für die Stadt nur darüber spekulieren konnte, welche Konsequenzen der erhöhte Meeresspiegel haben würde. 2045 spielen auch die Gezeiten nicht mehr mit. Sturmfluten sind viel häufiger geworden und starke Regenschauer können zu Überschwemmungen führen. Auch wenn der Hamburger Hafen bereits in den 2020er und 2030ern umgerüstet wurde, sind die Folgen der Naturkatastrophen dennoch verheerend. Was früher einmal einer der wichtigsten wirtschaftlichen Umschlagplätze der Welt war, ist jetzt ein ruhiger Hafen. Viele Produktionsketten haben sich verändert, der Import von exotischen Nahrungsmitteln hat sich drastisch reduziert. Bananen das ganze Jahr? Ein Luxus aus Omas Vergangenheit, eine Geschichte von früher. Mit den entsprechenden Konsequenzen: Der wirtschaftliche Schaden ist über die Jahre hinweg zum Normalzustand geworden. Das Elbufer, früher mal ein Strand, an dem Hamburger mit dem Hund entlang spazieren konnten, ist mittlerweile überschwemmt. Die Sommer sind so heiß, dass die Bausubstanz dem nicht mehr angepasst ist. Hinzu kommen verlängerte Hitzeperioden, Starkregen und ein immer mehr verdorrendes Umland.

Um den Hamburger Hafen ist es ruhig geworden: Auch wenn der Hamburger Hafen bereits in den 2020er und 2030ern umgerüstet wurde, sind die Folgen der Naturkatastrophen dennoch verheerend. Bild: DJ Photographie

Die Welt im Kampf um Ressourcen

Die Ressourcen der Welt sind knapper geworden. Seit fossile Brennstoffe weltweit radikal an Bedeutung verloren haben und ein Großteil der weltweiten Wirtschaft mit nachhaltigen und erneuerbaren Energien funktioniert, wird viel Energie in die Forschung von alternativen Energiequellen investiert. Während sich Europa innerhalb weniger Jahrzehnte stark verändert hat, bleibt es weiterhin ein wichtiges Machtzentrum. Als ein technologischer Entwicklungsmotor hatten europäische Innovationen aber beigetragen, neue Energieressourcen zu erschließen und das Wirtschaften umzustellen.

War die Welt zurzeit des Kolonialismus aus eurozentristischer Sicht ein zu entdeckender Abenteuerspielplatz der Ressourcen, so ist die globalisierte und vom Klimawandel gebeutelte Welt in der Mitte des 21. Jahrhunderts ein weitaus weniger üppiger Ort. Ausbeutung hatte die Menschheit fast in den Abgrund geführt und war mittlerweile ein historischer Fehler der Vergangenheit.

Doch es gibt Hoffnung: Die Herausforderungen der globalisierten Welt wurden, wenn auch zaghaft, gemeinsam getragen und so entstanden internationale Solidarität und ein neues Verständnis einer gemeinsamen Existenz auf der Erde. Wichtiger Motor waren dabei die radikalisierte Klimabewegung, aber auch neue weltumspannende philosophische Bewegungen, die über eine Kritik hinaus neue Denkmodelle lieferten. So versuchten die neuen Denkenden des 21. Jahrhunderts Erklärungsmodelle und Lösungen für eine sich in Veränderung befindlichen Welt zu finden. Sie speisten sich aus kulturellem Austausch und aus einem Denken, das keine Hegemonie, sondern Zusammenleben anstrebte. Klingt nach Märchen? Die Herausforderungen eines sich erhitzenden Planeten machten dies notwendig.

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