In der heutigen Stadt wollen die Bewohner nicht einfach nur gesund bleiben, sondern fit sein und Lebensenergie tanken. Im globalen Städtewettbewerb werden diese Kriterien entscheidend sein.
Heute scheint es als wären die Städte in der westlichen Welt so grün, sauber und gesund wie nie zuvor. Diesen Eindruck erweckt zumindest der „Lebensqualität“-Index des Beratungsunternehmens Mercer, der jährlich erscheint. Dort belegen westliche Städte wie Wien, Zürich oder München die Spitzenplätze. Auch, da Luftverschmutzung, Trinkwasserqualität, Abfallentsorgung und Zugang zum Gesundheitssystem als Gradmesser dienen.
Die Stadt war noch nie so grün und gesund wie heute – Zumindest in der westlichen Welt.
„Der Erfolg internationaler Entsendungen hängt maßgeblich davon ab, wie reibungslos Fortbewegung und Kommunikation funktionieren und ob ausreichend hohe Standards in den Bereichen Hygiene, persönliche Sicherheit und Zugang zu behördlichen Dienstleistungen erfüllt sind“, sagt Slagin Parakatil von Mercer, der verantwortlich ist für die Lebensqualität-Studien. Das prägt etwa eine Stadt wie Zürich, die größte Metropole der Schweiz. Sie liegt im Index weit vorne, weil sie viele Aspekte einer gesunden Stadt vereint: kurze Wege, reibungsloses ÖV, Erholungsgebiete mit Badeanstalten und Parks und ein hervorragendes Gesundheitssystem. Aber auch Faktoren wie politische Sicherheit, Jobsicherheit und Kinderbetreuung beeinflussen die Gesundheit der Menschen. Ein Mangel dieser Faktoren kann psychischen Stress und damit verbundene Krankheiten auslösen.
„Das Risiko an Schizophrenie zu erkranken, ist in der Stadt etwa doppelt so hoch wie auf dem Land“
Bei europäischen Metropolen wie London, Paris, Berlin oder eben Zürich zählen heute vor allem „softe Faktoren“, die nicht in verschmutzten Straßen, dreckigem Wasser und kaputten Gebäuden messbar sind. Das gesundheitliche Wohlbefinden der westlichen Stadtbewohner hängt von wirtschaftlichen Faktoren ab: Bildungsangebote, Kultur- und Freizeit, Konsum und Dienstleistung, Wohnsituation und Umwelt. Ein hoher Gesundheitsstandard scheint selbstverständlich zu sein. Eine Ambulanz ist immer vor Ort, jeder hat Zugang zu einem Arzt und öffentliche Krankenhäuser erfüllen hohe Standards. Es gibt genügend Angebote, sich sportlich zu betätigen und die Luftverschmutzung hält sich in Grenzen.
“Eine gesunde Stadt von heute muss Räume schaffen, in denen sich die Menschen wohlfühlen und ihren Stress abbauen können.” Foto: Hal Ozart
Städte sind grün, Seelen sind belastet
Was den Menschen in westlichen Städten zu schaffen macht, sind Burnouts, Beziehungsstress und lange Arbeitstage. Diese psychischen Faktoren sind wenig fassbar und deshalb schwierig in die Planung einer „gesunden Stadt“ miteinzubeziehen. Das verdeutlicht auch Mazda Adli, Chefarzt der Fliedner Klinik in Berlin. Er kümmert sich dort um jene „Großstadtmenschen“ mit psychischen Störungen und sagt in einem Interview mit der Berliner Zeitung: „Das Risiko an Schizophrenie zu erkranken, ist in der Stadt etwa doppelt so hoch wie auf dem Land, und es steigt mit der Größe der Stadt.“ Unser Gehirn sei nicht ausgerichtet auf das Leben in den großen, überbevölkerten Großstädten, sagt Adli.
Aus diesem Grund sollte die Gesunde Stadt von heute entsprechende Räume schaffen, in denen sich die Menschen wohlfühlen und ihren Stress abbauen können. Das kann allerdings nur gelingen, wenn diese speziellen Räume so konzipiert sind, dass man zwischen sozialer Interaktion und privaten Rückzug wählen kann.
Gehen ist besser als fahren
In den „Gardens by the bay“ in Singapur verschmelzen Stahl, Pflanze und Licht zu einer Art Science-Fiction-Baum. Foto: Chen Hu
Daraus ergibt sich ein weiteres Schlagwort, welches eine moderne Stadt ausmacht: „Walkability“. Álvaro Valera Sosa von der Technischen Universität Berlin am Institut für Architektur beschäftigt sich mit eben jenem Thema der Walkability. Er ist der Gründer des Health Environment Institute Berlin (HEI). „Ein bestimmtes Gesundheitsverhalten wie Laufen oder Radfahren kann das Auftreten und die Prävalenz von lebensstilbezogenen Krankheiten reduzieren“, sagt Sosa. „Die Stadt von heute, aber auch von morgen, muss begehbar sein. Es muss Fahrräder geben und die Stadt muss einen aktiven Lebensstil der Bewohner fördern“, betont der Wissenschaftler.
Das sogenannte Urban Gardening wie es bspw. auf dem Tempelhofer Feld stattfindet, verschafft den Menschen Erholung auch im Zentrum der Stadt. In den „Gardens by the bay“ in Singapur verschmelzen Stahl, Pflanze und Licht zu einer Art Science-Fiction-Baum. Diese High-tech-Natur und unser Verlangen nach Wohlbefinden, zusätzlich gepusht von Apps und gesundem Essen wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen.