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Kompendium: Eco Identity

Umweltschutz professionalisiert sich. Ressourcen werden nun gemanagt. Geschützt wird vor allem, was einen direkten Wert hat. Öko zu sein, kann heute vieles bedeuten.

Kompendium: Eco Identity

In der Mitte des 21. Jahrhunderts sollen die Sustainable Development Goals (SDGs) schon lange erreicht sein. Tatsächlich mutet die rußende Industrie von früher seltsam an ...

Kompendium: Eco Identity

Die Schlüsseldaten der Natur sind nun engmaschiger erfasst. „Key performance indicators” gibt es schon lange nicht mehr nur für Menschen und menschengemachte Systeme, sondern auch für Flächen.

Kompendium

Auf der einen Seite stehen der Mensch, die Kultur und die Technik. Auf der anderen Seite steht „die Natur”. Wer behauptet, beides gehöre zusammen, wird schnell als esoterisch abgestempelt. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass beide Seiten wieder miteinander verschmelzen – dann wird wohl aber nicht der Mensch wieder in die Natur aufgenommen, sondern die Natur wird gänzlich von Technologie vereinnahmt.

Kompendium: Eco Identity

Warum gibt es Überschwemmungen? Warum fallen die Ernten manchmal gut und manchmal schlecht aus? Die Vorsokratiker machten sich Gedanken über die Prozesse ihrer Umwelt und waren in ihrem Denken ziemlich „gottlos”.

Kompendium: Eco Identity

Dass Biosiegel und plastikfreies Einkaufen heute schick sind, liegt auch an der Pionierarbeit, die während der 68er geleistet worden ist.

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Naturphilosophie: Als die Naturgesetze die Götter vertrieben

Kompendium: Eco Identity

Naturphilosophie: Als die Naturgesetze die Götter vertrieben

Ob Wirbelsturm oder Vulkan-Ausbruch: Lange Zeit wurden ausschließlich Götter für Naturkatastrophen verantwortlich gemacht. Foto: Nick Karvounis

Warum gibt es Überschwemmungen? Warum fallen die Ernten manchmal gut und manchmal schlecht aus? Die Vorsokratiker machten sich Gedanken über die Prozesse ihrer Umwelt und waren in ihrem Denken ziemlich „gottlos”.

Sie waren sozusagen die denkenden Bad Boys Kleinasiens: In einer Zeit, in der alles dem Wirken der Götter zugeschrieben wurde – sei es der Ausbruch von Kriegen, Wind- und Wetterereignisse oder der letzte fallende Apfel, grübelten die Vorsokratiker. Der Kosmos hatte für sie etwas Geheimnisvolles.  Auch uns geht es so, wenn wir in den Sternenhimmel schauen. Stets fragten Sie: „Warum?“ und machten sich Gedanken über den Ursprung, die Vergänglichkeit und das Vermächtnis aller Dinge, einschließlich des Lebens.

Neu an ihrer Herangehensweise war: Statt sich irgendwelcher Mythen zu bedienen, setzten sie auf Vernunft, Logik und Argumentationsketten, um die Wahrheit zu erkennen. Die Naturphilosophie war geboren. Der Naturphilosoph Thales von Milet – bekannt aus dem Matheunterricht durch den „Satz von Thales“ –  begründete etwa die Überschwemmungen durch den Nil mit der Kraft des Wassers und bestimmter Winde. In vielen anderen Fällen hatte er zwar Unrecht – er ging bspw. davon aus, dass die Erde auf Wasser schwimmen würde – doch seine Überzeugung, dass Wasser Grundlage allen Lebens sei, war und ist gar nicht so abwegig, in Zeiten in denen wir auf dem Mars danach suchen.

Die Vorsokratiker entzogen nicht nur Erdbeben, Überschwemmungen und Ernten der göttlichen Wirkmacht – sondern auch der Menschen selbst. Foto: John Fowler

Die Legenden der Vorsokratiker

Von den Vorsokratikern sind leider kaum Aufzeichnungen erhalten, ihre Überlegungen überlebten größtenteils durch Zitate und Referenzen der nachfolgenden Philosophen. Fest steht jedoch: Sie begannen mit der Entmystifizierung der Welt. Doch sie entzogen nicht nur Erdbeben, Überschwemmungen und Ernten die Wirkmacht der Götter – sondern nicht zuletzt auch die der Menschen selbst. In ihrem Weltbild fand sich der Mensch nun inmitten einer Umgebung wieder, die ihr Erscheinungsbild bestimmten Prozessen verdankt. Die Umgebung konnte so „Natur“ werden und die Prozesse „Naturgesetze“.

Damit sind die Vorsokratiker im wahrsten Sinne des Wortes legendär: Wir kennen sie nur aus Zitaten und Geschichten – Legenden eben. Zweifellos waren sie für die Geschichte der Philosophie wichtig und auch für den später aufkommenden Naturschutzgedanken, denn sie begannen zu definieren, was eigentlich geschützt werden sollte.

Weiterlesen Die Öko-Revolution der 68er
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Edouard Duvernay
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Die Öko-Revolution der 68er

Kompendium: Eco Identity

Die Öko-Revolution der 68er

Die 68er bereiteten den Boden für unser heutiges Umweltbewusstsein. Foto: Roya Ann Miller

Während heutzutage die „Bionade-Bourgeoisie” diskutiert, ob Milchflaschen aus Glas gut (weil plastikfrei) oder schlecht (weil schwer und damit CO2-intensiv im Transport) sind, galten Umweltbewegte, die sich fragten ob DDT oder Atomkraft wirklich so praktisch sind, lange Zeit als Spinner. Dass Biosiegel und plastikfreies Einkaufen heute schick sind, liegt auch an der Pionierarbeit, die während der vieldiskutierten 68er geleistet worden ist.

Wer heute von multiplen Krisen spricht, bekommt nicht selten von älteren Semestern ein müdes Lächeln geschenkt. Ja, heute heißen die Krisen Klimawandel, Ressourcenverbrauch, Kriegsgefahr und laufende Konflikte oder soziale Ungleichheit. Doch in den 70ern klangen die Krisen nicht harmloser: Naturzerstörung, Ozonloch, Regenwaldrodung, zahlreiche bewaffnete Konflikte und nicht zuletzt der Kalte Krieg mit der ständigen drohenden nuklearen Vernichtung. Nun gab es schon zu jeder Zeit warnende Kassandras oder spür- und sichtbare Krisen – doch in den 70ern passierte etwas Seltenes: Man hörte ihnen zu!

Atomkraft ist eines der umweltpolitischen Dauerbrenner unter Unweltaktivisten. Foto: Frederic Paulussen

Goethe schrieb 1807: „Wir mögen an der Natur beobachten, messen, rechnen, wägen und so weiter, wie wir wollen, es ist doch nur Maß und Gewicht, wie der Mensch das Maß der Dinge ist”. Diesem Narrativ folgten immer weniger Menschen. Die Angst vor Reaktorunfällen, dem stillen, weil Vogel-losen, Frühling, die Sorge um den Wald oder die Frage nach dem Wirtschaftswachstum beschäftigte auf einmal viele Menschen. Die Schäden waren schlichtweg immer auffälliger. Und auch wenn Naturschutz kein Luxusproblem sein sollte: Auch der angewachsene materielle Wohlstand in vielen Gesellschaften sorgte wohl dafür, dass Umweltthemen auf die Agenda kamen. Willy Brandt forderte bereits 1961 einen blauen Himmel über der Ruhr. Für viele war dies damals ein verrücktes Versprechen – heute ist nicht nur der Himmel blau, man kann sogar in der Ruhr schwimmen. Ein Jahr später veröffentlichte Rachel Carson ihr Buch Silent Spring, welches in den USA eine Debatte entfachte und schließlich zu einem Verbot des Insektizids DDT führte. Dass sie das Buch beenden konnte, zeugt von einer starken Willenskraft – sie selbst war an Krebs erkrankt.

Als „öko” noch Protest, nicht Konsumentscheidungen, bedeutete

Die politische Umweltbewegung begann auf der Straße. Foto: Clem Onojeghuo

Keine Frage: In dieser Zeit, als sich Ökoparteien und Umweltbewegungen gründeten, gab es so etwas wie eine Öko-Identität. Wer sich mit einer solchen Identität identifizierte, setzte sich jedoch vor allem politisch für Umweltbelange ein. Sicherlich spielten Naturerfahrungen und auch der Habitus, einschließlich des ikonischen Wollpullovers eine Rolle – doch dieses private Ausleben war nicht der Kern der Öko-Identität. Heute mögen es für viele die Stahlbehälter der No Waste-Bewegung sein, damals spielten Demonstrationen gegen Flugbahnverlängerungen und Kraftwerke eine größere Rolle.

Doch die politische Umweltbewegung wurde nicht nur von Studenten, Autoren und einigen Politikern getragen – auch die Wissenschaftler und Experten des Club of Romes schlossen sich der Allgemeinkritik 1972 mit ihrem ersten Bericht an. Bereits dessen Titel „Die Grenzen des Wachstums“ brach mit dem Paradigma des „immer weiter so“. Dabei begründeten sie ihre Aussagen nicht moralisch, sondern mathematisch: So auch das Team um Dennis Meadows. Sie waren überzeugt: Das Weltbevölkerungswachstum und Wirtschaft würden an die biophysischen Grenzen des Planeten stoßen.

Mensch und Natur waren immer noch getrennt, doch die Bedeutung der Natur, als „Gastgeberin” für den „Gast” Mensch wurde erkannt. Wie man sich als Gast verhalten sollte, erkundeten später viele Menschen in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Weiterlesen Manche verschönern Öko-Bilanzen, andere blockieren Kohlekraftwerke
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Edouard Duvernay
Kompendium: Eco Identity

Manche verschönern Öko-Bilanzen, andere blockieren Kohlekraftwerke

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Manche verschönern Öko-Bilanzen, andere blockieren Kohlekraftwerke

Für die Natur fahren wir gern mal mit dem Fahrrad oder achten beim Einkauf auf das Bio-Siegel. Aber reicht das schon aus? Collage aus Fotos von: Anneliese Phillips und Thomas Millot

Umweltschutz professionalisiert sich. Ressourcen werden nun gemanagt. Geschützt wird vor allem, was einen direkten Wert hat. Öko zu sein, kann heute vieles bedeuten.

Inzwischen ist die Umweltpolitik ein professionelles Feld geworden. Viele Institute, Parteien, und Organisationen beschäftigen sich mit dem Erhalt und Management der Natur. Ist nun alles gut?

Es scheint, als könnten wir sie nicht überwinden: Die Lücke zwischen Wissen und Handeln. Zwar kennen wir relativ genau die Auswirkungen unseres Handelns, doch unsere Handlungen ändern sich kaum. Immerhin wird die Natur nun zunehmend in unsere Wirtschaftsweise und Gesellschaft integriert, indem immer mehr Ressourcen und auch der Ausstoß von Emissionen und Müll Preise bekommen: Verursacht jemand einen Schaden an der Umwelt, etwa in Form von illegaler Müllentsorgung, so wird eine Strafe fällig oder – wie in vielen Regionen bereits üblich – eine Steuer für den CO2-Ausstoß gezahlt. Auch die Nutzung von Rohstoffen ist in dieses Konzept häufig integriert: Von Holz über Wasser, bis hin zu Zahlungen für die Nutzung von Ökosystemdienstleistungen wie Luftreinhaltung. Die Logik ist, dass was einen Preis hat, nicht verschwendet wird. Doch müssen wir wirklich für jeden Krabbelkäfer und jede unbebaute Fläche einen Preis festsetzen, um die Natur zu schützen? Und sollte wirklich nur Geld darüber entscheiden, wer welche Ressource oder Dienstleistung der Natur erhalten darf?

Dass Flugzeuge ungleich viel CO2 in die Umwelt pusten, weiß inzwischen jeder. Dennoch möchte kaum jemand auf das schnelle Transportmittel verzichten. Foto: Jesse Ramirez

Wie viel ist ein Krabbelkäfer wert? –  Drei Euro fünfzig

Manche Umweltschützer sagen: „Wir müssen den Menschen bewusst machen, dass Umweltschutz auch marktwirtschaftlich Sinn ergibt“, andere Aktivisten  sagen: „Eine Marktwirtschaft, die Kosten an die Allgemeinheit weitergibt und Gewinne privatisiert, ist gerade das Problem – Preise helfen dem Krabbelkäfer nicht.“ Und so hat sich die Umweltbewegung professionalisiert und diversifiziert – in radikale und kompromissbereite Gruppen.  Immerhin ist die Bewegung ist groß genug, dass es möglich ist, sich aufzusplitten. Die positive Lesart dieser Entwicklung ist, dass im Endeffekt in der politischen Landschaft jeder Akteur eine bestimmte Rolle spielt. Radikalere Organisationen oder Parteien sorgen mit Aufsehen erregenden Aktionen oder Standpunkten für den Auftakt einer Diskussion. Weniger radikale Organisationen fungieren dann als Brückenbauer und machen Kompromisse möglich.

Ist es sinnvoll, alles zu bepreisen, um es zu schützen? Oder ist die Bepreisung von allem das eigentliche Problem? Foto: Annie Spratt

So mobilisiert heute das Bündnis “Ende Gelände” für den Kohleausstieg. Die Aktivistinnen und Aktivisten errichten Protestcamps und blockieren Kohlekraftwerke. Nicht alle Umweltorganisationen sind bei den Aktionen dabei oder stellen sich hinter den Protest. Manche Aktionen setzen eher auf den Dialog mit Politik und Wirtschaft. Sie kämpfen für die Natur, indem Siegel für Produkte, Selbstverpflichtungen der Industrie und Kompromisse eingefordert werden. Doch letztendlich ergänzen sich die verschiedenen Organisationen der Zivilgesellschaft: Die radikaleren machen Druck auf der Straße und sorgen für Öffentlichkeit, die gemäßigten Organisationen betreiben Lobbyarbeit in den Hauptstädten – bewaffnet mit Studien und Kompromissvorschlägen.

Dass auch die Menschen auf die Umweltschützer eingehen, die in der Natur kaum einen intrinsischen Wert sehen, liegt auch daran, dass sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass die Natur ohne den Menschen sehr wohl kann – aber nicht umgekehrt. Der Physiker Hans-Peter Dürr schrieb dazu: „Die Natur wird uns keine Sonderbehandlung gewähren, nur weil wir uns als ‚Krone der Schöpfung‘ betrachten. Ich fürchte sie ist nicht eitel genug, um sich an den Menschen als Spiegel zu klammern, in dem allein sie ihre eigene Schönheit sehen kann”.

Wer heute den Nachhaltigkeitsbericht einer großen Firma entwickelt, wer ein Gesetz zum Schutz der Küstenlandschaft kommentiert, wer ein Kohlekraftwerk blockiert – all diese Menschen würden sich wohl als umweltfreundliche Menschen beschreiben. Und doch verfolgen sie völlig verschiedene, manchmal vielleicht gar konträre Ansätze. Auf der Metaebene lässt sich allerdings vielleicht sagen: Für einen erfolgreichen Naturschutz braucht es motivierte Menschen, die Umweltschutz vielleicht auch als Teil ihrer persönlichen Selbstverwirklichung sehen. Und diese Menschen braucht es auf allen Ebenen!

Weiterlesen Die rußenden Feuer sind weg! – Ist die Gesellschaft in 2040 sauberer?
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Edouard Duvernay
Kompendium: Eco Identity

Die rußenden Feuer sind weg! – Ist die Gesellschaft in 2040 sauberer?

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Die rußenden Feuer sind weg! – Ist die Gesellschaft in 2040 sauberer?

In der Retrospektive wirkt das 20. Jahrhundert wie ein Zeitalter ungebändigten Feuers. Foto: Born Tore

In der Mitte des 21. Jahrhunderts sollen die Sustainable Development Goals (SDGs) schon lange erreicht sein. Bis dahin wollen sich einige Städte und Länder dekarbonisieren. Tatsächlich mutet die rußende Industrie von früher seltsam an ...

Wir schreiben das Jahr 2040 und das 20. Jahrhundert klingt in den Ohren unserer Kinder wie ein Zeitalter des Feuers und der kontrollierten und weniger kontrollierten Explosionen: Benzin explodierte regelmäßig in den Motoren der meisten Fahrzeuge, um die schweren, behäbigen Gefährte durch die Straßen zu treiben. Es gab nicht nur Waldbrände, die leider über die Zeit in ihrer Häufigkeit zugenommen haben, sondern auch Feuerrodungen – etwa um Platz für Soja- oder Palmölplantagen zu schaffen. Nicht zuletzt war es weit verbreitet, Nikotin zu konsumieren, indem man geschredderte Blätter, in Papierrollen gestopft, anzündete. Ganz schön archaisch.

“Es war weit verbreitet, Nikotin zu konsumieren, indem man geschredderte Blätter, in Papierrollen gestopft, anzündete. Ganz schön archaisch.” Foto: Maaike Nienhuis

Feuer wird heute von vielen Städten und Ländern nicht mehr benötigt – weder für ihre Mobilität, noch für ihre Energieversorgung. Solarenergie und Windkraft erlaubten die Dekarbonisierung der Gesellschaft. CO2 stoßen die Anlagen nur noch bei ihrer Produktion und dem Recyclingprozess aus. Die Länder des Globalen Nordens rechnen sich solche Emissionen in ihren nationalen Emissionsmonitoring-Prozessen gut: Bei vielen Ländern hat die Waldfläche über viele Jahre zugenommen. Landwirtschaft zu betreiben, war im globalen Norden schlichtweg lange Zeit unökonomisch.  Das hat sich in den letzten Jahren wieder geändert: Da die chemische Industrie Rohöl immer mehr durch Biomasse ersetzt, ist der Bedarf an billigem und hochwertigem Pflanzensubstrat immens gestiegen. Die Exporteure für Biomasse (Brasilien, Indonesien und Malaysia) können den Bedarf schon lange nicht mehr abdecken – auch, da sie selbst mit ausgelaugten Böden, Schädlingen und Dürren zu kämpfen haben. Nun soll der Zucker und Mais wieder vermehrt aus Deutschland, Frankreich und Polen kommen.

Gehackte Autos mit pflanzenbasierten Karosserien

Auch die Autokarossen sind inzwischen häufig aus leichten, pflanzenbasierten Materialien gebaut. Schwere, mit Zylinder bestückte Autos gibt es nur noch in Museen zu bestaunen. Inzwischen sind alle Verkehrsmittel elektrifiziert – nur Flugzeuge stellen noch ein Problem dar – Batterien sind zu schwer. Die neuen Elektro-Flitzer benötigen allerdings eine ganze Menge seltener Erze. Die verwendeten Rohstoffe werden immerhin fast ausschließlich im Kreis geführt, das heißt es können fast alle Rohstoffe recycelt werden – doch Verluste, und freiwerdende Giftstoffe gibt es auch hier. Immerhin werden die Fahrzeuge häufig genutzt – fast keines der E-Autos bleibt länger als eine halbe Stunde am Straßenrand unbenutzt stehen.

Landwirt sein lohnt sich wieder. Seitdem natürliche Rohstoffe zur Energie-Gewinnung eingesetzt werden, ist der weltweite Bedarf enorm gestiegen. Foto: Karten Wurth

Ein paar Jahre waren mobile, automatisierte Schulbusse und Meeting-Raum-Wagen ziemlich beliebt. Die Gefährte fuhren von Familie zu Familie, beziehungsweise von Mitarbeiter zu Mitarbeiter – während sie sich langsam füllten, fand bereits ein Teil des Unterrichts oder Meetings im Wagen statt. Nachdem jedoch ein solcher Schulbus gehackt wurde, hat die Dichte der neu entstandenen Mobilitätskonzepte wie Meeting- Raum-Wagen und Bar-Wagen spürbar abgenommen. Kiosk-Wagen gibt es dafür immer mehr. Die teuren Parkplätze schrecken nur wenige Firmen ab, schließlich parken ihre Fahrzeuge praktisch nie. Die meisten Städte reagieren nun mit einer City-Maut für unbemannte Fahrzeuge. Die Umweltaktivisten hingegen erinnern, wie es bereits ihre historischen Vorbilder getan haben, an ihr Lieblingsfortbewegungsmittel: das gute alte Fahrrad.

Tech-Ökos machen Probleme sichtbar

Nicht alles, was grün ist, ist auch sauber. Foto: Marija Murenaite

Obwohl die neuen Ökos immer noch auf ihr Fahrrad setzen, mit Glasbehältern einkaufen gehen, um Verpackungen zu sparen und wie früher Lebensmittel vor der Biotonne bewahren, hat sich in der Bewegung einiges geändert: Sie sind technologieaffiner geworden. Klar: Es hat schon immer solche gegeben, die lieber Windräder als Kompostklos und Hochbeete bauten. Doch inzwischen hat sich eine starke Szene herausgebildet, die selber Hand anlegt und mit Lötkolben und Open-Source-Bauplänen Umweltprobleme sichtbar macht. Die Tech-Ökos bauen Sensoren, mit denen sie Umweltbelastungen messen und auf Karten sichtbar machen – nur wenige Seen, Städte und Böden erscheinen ihnen unerreichbar. Manche von ihnen schleichen sich sogar auf Firmengelände und in abgesperrte Minen. Das ist mitunter sehr gefährlich, hat der Öffentlichkeit allerdings deutlich aufgezeigt: Wer in der Erde buddelt und Erze herausholt, produziert auch viel Abraum. Dieses ungenutzte Material häuft sich dann an den Rändern der Minen an. Mit den Mineralen passiert dann etwas, was Untertage nicht geschieht: Sie oxidieren in der Umgebungsluft. Damit lösen sich die Mineralien und Metalle teilweise und gelangen ins Grundwasser. Die Messwerte sollen nun von staatlichen Stellen überprüft und wiederholt werden. Keine Frage: Die Tech-Ökos mit ihren Sensoren sind inzwischen genauso wirkungsvoll wie diejenigen, die vor einigen Jahrzehnten die Kohlekraftwerke blockierten.

Weiterlesen Mensch und Natur sind wieder vereint – der Preis dafür ist hoch
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Edouard Duvernay
Kompendium: Eco Identity

Mensch und Natur sind wieder vereint – der Preis dafür ist hoch

Kompendium: Eco Identity

Mensch und Natur sind wieder vereint – der Preis dafür ist hoch

"Wer Naturerfahrungen sucht, dem wird eine gut abgestimmte, künstliche Wildnis in Parks präsentiert." Foto: Douglas Sanchez

Die Schlüsseldaten der Natur sind nun engmaschiger erfasst. „Key performance indicators” gibt es schon lange nicht mehr nur für Menschen und menschengemachte Systeme, sondern auch für Flächen.

Die Natur, wie wir sie im Jahr 2100 kennen werden, ist wieder gänzlich in die menschliche Kultur aufgenommen und gleichzeitig romantisiert. Kaum jemand beschäftigt sich noch mit Müll, Energie oder Ressourcen aus Sicht der Umwelt: Wer welche Ressourcen oder Energien verbraucht, weiterverarbeitet oder entsorgt wird mittels Stoffkreislaufberechnungen aufgezeigt. Diese Berechnungen dienen sowohl der Politik, als auch den Unternehmen als Grundlage für Entscheidungen. Doch nicht nur Ressourcen, auch Flächen werden durchgängig gemonitort: Ob Acker, Park oder Moor – fast alle Flächen werden in ihrer Funktion erfasst, überwacht und ausgewertet. Es ist zunehmend schwer geworden, von Menschen unberührte und nicht vermessene Gegenden zu finden – vor allem seit die letzten weißen Flecken der Monitoringsysteme von Forschungstrupps auf der Suche nach vielversprechendem genetischen Material durchkämmt worden sind.

Die (digitale) Vermessung der Welt ist 2100 abgeschlossen. Wer Pfadfinder sein will muss lange suchen. Foto: Scott Webb

Es ist fatal, dass es lange Zeit keinen greifbaren Wert für Biodiversität gab. Dadurch gab es für viele Menschen schlichtweg keinen Grund die Artenvielfalt zu schützen. Die Spenden der Bevölkerung konzentrierten sich auf „repräsentative” Tiere wie Löwen oder Luchse. Doch auch Moose, Würmer und seltene Einblattgewächse sind interessant – für medizinische Zwecke oder die Produktion neuer chemischer Produkte. Auch wird immer offensichtlicher, dass ganze Nahrungsnetze, die früher noch Nahrungsketten hießen, reißen, da scheinbar unwichtige kleine Tiere fehlen.

Die ehemals als „ungezähmt” romantisierte Natur ist heute „unvermessen”

Wer Naturerfahrungen sucht, dem wird eine gut abgestimmte, künstliche Wildnis in Parks präsentiert. Besonders wertvoll und schützenswert erscheinen dabei die Wildparks, die besonders viele Besucher anziehen und in denen jene dann besonders viel Geld ausgeben.

Wer auf der Suche nach der noch unberührten Natur ist, sieht schnell ein, dass es diese schon seit 300 Jahren nicht mehr gibt. Wer Naturerfahrungen sucht, dem wird eine gut abgestimmte, künstliche Wildnis in Parks präsentiert. Die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen, schwer abbaubare Chemikalien – all das beeinflusst auch die Ökosysteme, die am schwersten zu erreichen sind. Heute erscheinen die Gegenden als besonders „authentisch”, wenn sie nur grob vermessen sind. Die Monitoringsysteme der Nationen, Unternehmen und Städte erfassen nur ihre wichtigsten Gebiete besonders detailliert. Wer sich von der Natur überraschen lassen will, sucht daher Gegenden auf, die nur via Satellit und Computermodellierungen vermessen und abgeschätzt sind.

“Wer auf der Suche nach der noch unberührten Natur ist, sieht schnell ein, dass es diese schon seit 300 Jahren nicht mehr gibt.” Foto: NG

Die Suche nach der Natur war schließlich schon immer eine Suche nach der größtmöglichen Entfernung zwischen der Kultur, der Technik und dem Menschen.

Immerhin: Die überbordende Masse an Daten muss zwar erfasst, gespeichert und verarbeitet werden und verbraucht dabei Unmengen Energie, doch Staaten und Unternehmen müssen sich nun rechtfertigen. Ressourcen- und Energieverbrauch, die Produktionsbedingungen: All das lässt sich kaum mehr verstecken. Lieferketten werden immer transparenter. Die vorhandenen Daten erlauben den zivilgesellschaftlichen Gruppen immer weitere Formen der Überprüfung. Viele Neo-Ökos ketten sich daher nicht mehr an Bäume oder stricken Wollpullis, sondern programmieren und sammeln Daten, um diese aufbereitet dort zu veröffentlichen, wo sie nicht eh schon Open-Source sind. Kontrolliert werden auf diese Weise auch Regierungen bis hin zu Gruppen oder Individuen. Ist das die datengetriebene Öko-Diktatur, vor der zuvor viele gewarnt haben? Die Neo-Ökos erwidern, dass sie ja nur die Gesellschaft widerspiegeln. Ihrer Meinung nach stellt das Erfassen und Auswerten der Datenberge kein Problem dar – das Bruttoinlandsprodukt wurde schließlich auch ein Jahrhundert lang penibel gemessen, warum sollte man es nicht mit dem Ressourcenverbrauch gleich tun?

Die Welt retten? Erstmal den Schaden begrenzen und daraus lernen …

Ein Organ natürlich, ein Organ technisch, das nächste eine Mischung – die grenzen Verschwimmen. Foto: Josh Riemer

Die planetaren Grenzen sind größtenteils hemmungslos überschritten, inzwischen geht es um Schadensminimierung und völlig neue Herausforderungen wie den extraterrestrischen Rohstoffabbau und die damit verbundene Zunahme von Raketenstarts oder der unstillbare Hunger der technologischen Entwicklung und Zellzüchtung nach Rohstoffen und Ressourcen. Die rasante Entwicklung in den Naturwissenschaften erlaubt schon lange eine ökonomisch-effiziente Züchtung verschiedenster Zellkulturen. Möglich wurde dadurch nicht nur ein Nachzüchten beschädigter Organe – für die Menschen, die es sich leisten können. Auch die pflanzlichen und tierischen Zellen, die die Grundlage der menschlichen Ernährung darstellen, werden seit längerer Zeit in großem Stil gezüchtet. Glaubte man sich damit zunächst einer umweltfreundlichen Ernährung nah, so kam die Ernüchterung schnell: Die Zellkulturen benötigen Unmengen an Nährlösungen, die vor allem aus dem Zucker von massenhaft angebauten Energiepflanzen produziert werden. In Zeiten des nachgezüchteten Gewebes Chips, die bei nachlassender Sehkraft oder nachlassenden kognitiven Fähigkeiten unterstützend nachhelfen, verschwimmt auch die letzte Grenze zwischen Umwelt und Mensch oder Natur und Kultur. Die Natur ist nun vermessen und in Form von Stoffkreisläufen Teil der wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Gleichzeitig ergänzen Menschen ihren Körper mit künstlich gezüchteten Organen, aber auch technologischen Produkten. Mensch und Natur sind nun wieder auf dem besten Weg eine Einheit zu bilden – wohl aber in anderer Form, als von vielen Generationen der Ökos erhofft.

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