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Schluss mit Blumen: Was sich Frauen zum Frauentag wirklich wünschen!

Was wünschen sich Frauen für eine gendergerechte Zukunft? Zum internationalen Frauentag haben wir acht Expertinnen aus verschiedenen Branchen nach ihren Visionen und Wünschen gefragt. 

Jeden Tag werden weltweit 16,4 Milliarden Stunden Haus- und Familienarbeit geleistet. Das sind 16,4 Milliarden Stunden unbezahlte Arbeit. Der sogenannte Gender Care Gap bezeichnet diese Lücke in der Zeitverwendung von Männern und Frauen* für unbezahlte Hausarbeit, Kinder- oder Familienbetreuung. Obwohl diese Lücke in Deutschland seit 1992 zurückgegangen ist, leisten Frauen* nach wie vor deutlich mehr unbezahlte Arbeit als Männer.

Und das hat für sie drastische Konsequenzen: Neben Erschöpfung, Burn-Out und wesentlich weniger Freizeit müssen Frauen* auch in Sachen Karriere weiterhin zurückstecken. Deshalb sind sie deutlich stärker von Altersarmut betroffen und gegenüber Männern finanziell systematisch schlechter gestellt. So steuert nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums jede dritte Frau mit einer Vollzeitstelle in Deutschland auch nach 40 Arbeitsjahren auf eine Rente von weniger als 1.000 Euro netto zu.

Trotz der Hürden, die für Frauen* auf dem Arbeitsmarkt und durch die unbezahlte Arbeit zu Hause entstehen, stemmen die meisten von ihnen Berufliches, den Haushalt und die Care-Arbeit gleichzeitig. Ist Gendergerechtigkeit und Gleichberechtigung auf diesem unausgewogenen Fundament überhaupt möglich? Was muss sich für Frauen* ändern, damit soziale, gesellschaftliche und politische Teilhabe ohne Einschränkungen möglich sein werden? Wir haben anlässlich des Internationalen Frauentags acht Expertinnen aus der Finanz- und Modebranche, dem Journalismus und den Medien nach ihren Visionen und Wünschen für eine gendergerechte Zukunft gefragt. Dies sind ihre Stimmen.

Kim Hoss

Die Unternehmerin und Influencerin Kim Hoss entdeckte vor einigen Jahren aus ihrer Einsamkeit heraus die sozialen Medien als Sprachrohr. Heute lässt sie ihrer Kreativität in ihrem Berufsleben freien Lauf: Sie singt, macht Podcasts und füttert ihre Community mit kritischem und unterhaltsamen Content. 

Wofür wollen wir entlohnt werden?

Für das, was wir tun. Nicht für das, was wir sind.

Wie wollen wir altern (können)?

Ich würde gerne so altern, wie es die Natur vorhergesehen hat: Ohne Geld dafür auszugeben.

Wofür hätten wir gerne mehr Zeit?

Zeit ist immer da, man muss sie sich nehmen, um mehr davon zu haben. Für was nimmst du dir Zeit?

Bild: Steffen Geldner

Wie soll sich Gendergerechtigkeit in Zukunft manifestieren?

Eine wilde Idee: Ein Jahr lang haben Männer weltweit ein Verbot, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Und dann schauen wir mal was passiert.

Welche Hürden wollen wir in Zukunft nicht mehr auf uns nehmen müssen?

Eine Hürde ist nur eine Hürde, wenn wir sie als Hürde bezeichnen. Ohne Herausforderungen würden wir nie wachsen, oder? Ich nehme gern alle Hürden mit Anlauf.

Hava Misimi, femance

Hava Misimi ist eine der wenigen Frauen in der männerdominierten Finanzbranche. 2018 startete sie den Finanzblog femance noch während sie bei einer Wirtschafts­prüfungs­gesellschaft arbeitete. 2021 gründete sie dann ihre eigene, women-led Finanzberatung YFinance, für die sie als Geschäftsführerin tätig ist. 

Wofür wollen wir entlohnt werden?

Für unsere Arbeit, unser Wissen, unsere Expertise, unseren Einsatz und auch unsere Erfahrung. Und unter Arbeit fällt auch die Care-Arbeit, die man leistet, wenn man sich dafür entscheidet, für die Familie da zu sein. Egal ob lediglich für eine gewisse Zeit oder dauerhaft.

Wie wollen wir altern (können)?

Mit Freude und mit ausreichender Rente. Daher ist private Altersvorsorge unumgänglich.

Bild: Hava Misimi

Wofür hätten wir gerne mehr Zeit?

Für uns selbst. Wichtig ist aber: Zeit hat man nie, man muss sich Zeit bewusst nehmen.

Wie soll sich Gendergerechtigkeit in Zukunft manifestieren?

Lohngerechtigkeit – insbesondere für die gleiche Arbeit. Generell: Verringerung des Gender Pay Gap, und damit langfristig auch der Gender Pension Gap.

Welche Hürden wollen wir in Zukunft nicht mehr auf uns nehmen müssen?

Sich stärker „beweisen zu müssen“, um befördert zu werden und sich für seine Entscheidungen in der Karriere, aber auch privat rechtfertigen zu müssen.

Edith Löhle

Female Empowerment ist zentral für Edith Löhles Arbeit und ihrer Meinung nach auch fundamental für eine gerechtere Welt. Die Journalistin und Autorin schreibt über die Geschichten starker Frauen und feministischer Strömungen. 

Wofür wollen wir entlohnt werden?

Jeder Mensch hat das Recht, für seine Arbeit, Zeit und für seine Fähigkeiten fair und transparent entlohnt zu werden, und zwar unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Sexualität. Ich wünsche mir, dass die Sorgearbeit zu Hause nicht nur anerkannt, sondern auch entlohnt wird. Laut der Hilfsorganisation Oxfam erledigen Frauen und Mädchen weltweit mehr als zwölf Milliarden Stunden unbezahlte Arbeit am Tag.

Wie wollen wir altern (können)?

Wie schön wäre es, in einer Welt zu altern, die eine Wertigkeit in Lebenserfahrung sieht, statt besessen von der Jugend zu sein? Wir wollen ohne das Stigma der „unbrauchbaren“ Alten altern, mit Würde und vor allem mit finanzieller Sicherheit.

Bild: Philip Nürnberger

Wie soll sich Gendergerechtigkeit in Zukunft manifestieren?

In: Gleiche Chancen für alle! Auf den ersten Blick sind Männer und Frauen zwar vor dem Gesetz gleichgestellt, der genauere Blick in die Machtstrukturen des Patriarchats zeigt aber: Für Gleichheit braucht es eindeutige gesellschaftliche Bemühungen und einen Perspektivwechsel. Ebenso bedarf es mehr Schutzgesetze für die Sicherheit und Freiheit der Frau.

Welche Hürden wollen wir in Zukunft nicht mehr auf uns nehmen müssen?

Es darf nicht sein, dass weiblich gelesenen Menschen immer noch mehr Steine in den Weg gelegt werden, um den gleichen Zugang zu Bildung, Arbeitsplätzen, Gesundheitsversorgung, körperlicher Unversehrtheit, politischer Teilhabe und anderen gesellschaftlichen Bereichen zu haben wie Männer.

Astrid Zehbe & Daniela Meyer, fresh and furious

Das Thema Frauen und Finanzen liegt Astrid und Daniela von @fresh.and.furious besonders am Herzen: 2019 gründeten die Finanzjournalistinnen das Courage Magazin, Deutschlands erstes Finanz- und Karrieremagazin für Frauen. Später folgte der Blog Fresh & Furious. Mittlerweile sind Astrid und Daniela Chefredakteurinnen des Magazins Finanzielle.

Wofür wollen wir entlohnt werden?

Für unsere berufliche Tätigkeit, unsere Expertise und Erfahrung, aber auch für die Arbeit, die auf der großen Bühne leider noch immer nichts zählt und im Alltag meist nicht gesehen wird – die Care-Arbeit. Damit eine angemessene Entlohnung stattfinden kann, müssen Aufgaben wie die Erziehung von Kindern, die Pflege von Angehörigen, die Organisation von Haushalt und Familie als gesellschaftlich relevante Arbeiten auch auf politischer Ebene wertgeschätzt werden. Solange Care-Arbeit weiter als eine Art „Freiwilligendienst” oder private Angelegenheit von Familien betrachtet wird, werden wir weiter auf eine angemessene Entlohnung warten müssen.

Wie wollen wir altern (können)?

Zum unbeschwerten Altern gehört auch finanzielle Unabhängigkeit. Ob wir dann irgendwann strickend im Garten sitzen, unsere Enkelkinder verwöhnen, Spanisch lernen, einen Tangokurs machen, ein Studium starten oder die Welt bereisen, – die gesundheitliche und finanzielle Freiheit zu haben, all das tun zu können, ist unser Traum fürs Alter.

Wie soll sich Gendergerechtigkeit in Zukunft manifestieren?

Wir sind schon auf einem sehr guten Weg. Aber bis Gender-Gerechtigkeit erreicht ist, wird es noch dauern. Gendergerechtigkeit geht dabei vor allem mit finanzieller Unabhängigkeit von Frauen einher. Eine Frau, die finanziell in der Lage ist, für sich selbst einzustehen, kann unabhängig agieren, entscheiden, gestalten und Forderungen stellen – an ihre:n Partner:in, an Arbeitgeber:innen, an die Gesellschaft.

Bild: Marcus Witte

Welche Hürden wollen wir in Zukunft nicht mehr auf uns nehmen müssen?

Hürden, die mit veralteten Rollenbildern zu tun haben: Die Frage, wo unsere Kinder sind, wenn wir an einer Abendveranstaltung teilnehmen. Diskussionen mit dem Chef, der es gerechtfertigt findet, dass der männliche Kollege mehr verdient. Die Tatsache, dass die Kita oder Schule fast immer zuerst die Mutter anruft, wenn das kranke Kind abgeholt werden muss. Überschwängliche Komplimente und Erstaunensbekundungen, wenn Väter es geschafft haben, ganz alleine Spaghetti mit Tomatensoße für die Kinder zu kochen. Mütter, die andere Mütter kritisieren, weil sie in Vollzeit arbeiten. Und viele, viele kleine Alltags-Beispiele mehr, die für sich genommen scheinbar immer nur Kleinigkeiten sind. In der Summe sorgen sie aber dafür, dass es viele große Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern gibt, die bewusst oder unbewusst weiter gelebt werden.

Vreni Jäckle, Fashion Changers

Vreni Jäckle hat sich Gendergerechtigkeit und Nachhaltigkeit zum Beruf gemacht. 2018 gründete Jäckle mit Nina Lorenzen und Jana Braumüller das Herzensprojekt „Fashion Changers”, eine Plattform und Netzwerk für nachhaltige Mode.

Wofür wollen wir entlohnt werden?

Für meine Fähigkeiten, mein Denken, meinen Mut zum Unbequemsein und für meine Kreativität.

Wie wollen wir altern (können)?

Ich möchte in Gemeinschaft älter werden, am liebsten in einem Verbund aus Menschen unterschiedlichen Alters, sodass ich immer wieder erfahren kann, was es bedeutet, zehn, 20, 30 oder 60 Jahre alt zu sein. Ich möchte außerdem im Prozess der ständigen Neuerfindung altern und mich dabei immer wieder neu kennenlernen. 

Bild: Hanna Vogel

Wofür hätten wir gerne mehr Zeit?

Konkret hätte ich gerne mehr Zeit fürs Malen. Aber dafür braucht es nicht nur die Zeit zum Malen selbst, sondern auch die Zeit für „Leerläufe“, in denen überhaupt erst Ideen und Impulse entstehen können. Kreativität braucht Raum fürs Nichtstun. Diese Räume im Kapitalismus zu finden und zu verteidigen, erscheint mir immer wieder wie eine sehr große Aufgabe. Vielleicht ist der Schlüssel, es nicht als Nichtstun zu beschreiben? Denn eigentlich tun wir schon etwas: wir erholen uns, regenerieren, denken und fühlen. Wir erfahren unsere Umwelt, um dann überhaupt erst reagieren zu können.

Wie soll sich Gendergerechtigkeit in Zukunft manifestieren?

Sie muss intersektional-feministisch gedacht werden, mit dem Fokus auf eine global gerechte Machtverteilung und mit einem wachsamen Auge auf Machtinteressen. In der Modeindustrie würde das bedeuten, dass wir den globalen Handel ganz neu denken, uns die Lieferketten ansehen und uns fragen: Wer hat hier welche Macht und übt sie über wen aus, warum ist das so und wie können wir diese Macht gerecht umverteilen? In der Näherei sieht man zum Beispiel oft ab dem Middle-Management aufwärts nur noch Männer, die überproportional viel Macht über die Angestellten ausüben können, die wiederum nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Wir müssen uns fragen: Wo findet wann Machtmissbrauch statt und welche Mechanismen müssen etabliert werden, damit Machtdynamiken immer wieder ausbalanciert werden?

Welche Hürden wollen wir in Zukunft nicht mehr auf uns nehmen müssen?

Ich wünsche mir, dass wir kollektiv aufhören, uns in kleinteiligen Debatten zu verlieren, um nicht über die großen Themen sprechen zu müssen. Ich will wirklich überhaupt nichts mehr über Autos oder das Gendern hören und sehen, wie sich daran Feindbilder formen. Wir sollten stattdessen endlich anfangen, konstruktive Lösungen für Klimaschutz und Gerechtigkeit für alle in den Fokus zu stellen.

Anika Landsteiner

Anika Landsteiner ist Autorin des Romans So wie du mich kennst (2021), bei welchem es um häusliche Gewalt geht. Gemeinsam mit der Paartherapeutin Dr. Sharon Brehm hostet sie den Podcast Hello Lovers! Wie wollen wir heute lieben?. Die Journalistin und Autorin beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit Feminismus und Gleichberechtigung und begleitet angehende Autor:innen in ihrer Schreibwerkstatt. 

Wofür wollen wir entlohnt werden?

Für Care-Work. Diese Form von Arbeit wird schon immer unsichtbar gemacht und fördert extreme Ungerechtigkeit. Sorgearbeit sollte ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und endlich entlohnt werden.

Wie wollen wir altern (können)?

Gerecht. Das bedeutet, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen, unabhängig von Geschlecht, Klasse oder ethnischer Herkunft. Ich wünsche mir mehr Fokus auf geschlechtsbezogene Medizin und vor allem die monetäre Förderung dieser.

Bild: Frank Stolle

Wofür hätten wir gerne mehr Zeit?

Für alles, was der Kapitalismus versucht, mit einem schlechten Gewissen zu verknüpfen. 

Wie soll sich Gendergerechtigkeit in Zukunft manifestieren?

Das Wissen um Genderungerechtigkeit, die sich im Gender Pay Gap oder auch im Wealth Gap ausdrückt, ist seit Jahrzehnten vorhanden. In den letzten Jahren haben so viele Journalist:innen und Forscher:innen Bücher mit spannenden Vorschlägen und guten Ideen herausgebracht, die zeigen: Wir müssen nur anfangen und die bestehenden Strukturen wirklich verändern wollen. Vom Reden ins Handeln, und zwar in allen Bereichen.

Welche Hürden wollen wir in Zukunft nicht mehr auf uns nehmen müssen?

Alle Hürden, die es aufgrund struktureller Benachteiligung gibt. Natürlich gehören individuelle Herausforderungen zum Leben dazu. Doch Hürden, mit denen ich ausschließlich konfrontiert bin aufgrund meines Geschlechts, möchte ich nicht mehr auf mich nehmen müssen. 

Celine Nadolny, book of finance

Finfluencerin Celine Nadolny bekam bei einem Praktikum vor acht Jahren ihr erstes Buch über Finanzen geschenkt. Bis dahin hatte sie noch nie etwas von finanzieller Freiheit oder Investitionen gehört. Sie begann zu lernen – und hörte nicht mehr auf. Auf das erste Buch folgten mehr als 600 weitere rund um das Thema Finanzen und Unternehmertum, die sie in den letzten Jahren tiefer beschäftigt haben und die sie auf ihrem Finanzblog rezensiert.

Wofür wollen wir entlohnt werden?

Ich möchte nur für eine einzige Sache entlohnt werden: für den Mehrwert, den ich im Leben anderer Menschen schaffe, – in welcher Hinsicht auch immer. Meine Leistung soll im Vordergrund stehen, ich möchte keine Geschenke und keine Almosen, sondern eine faire Entlohnung für das, was ich tue.

Wie wollen wir altern (können)?

Glücklich, gesund und aktiv. Dafür habe ich mich bereits jetzt mit meinen Leidenschaften selbstständig gemacht. Darüber hinaus wünsche ich mir im Alter, meine Familie an meiner Seite zu haben – mit allen, die da noch kommen werden.

Wie soll sich Gendergerechtigkeit in Zukunft manifestieren?

In meiner Traumvorstellung verschwindet das Geschlecht vollkommen aus dem Spektrum der Leistungsbeurteilung. Für mich sind Merkmale wie Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Religion und Co. vollkommen irrelevant im täglichen Leben und erst recht in der Arbeitswelt. Wir sind alle Menschen. Und so unterschiedlich wir doch sind, sollten uns dennoch möglichst alle Türen offen stehen, sodass wir am Ende die auswählen können, die am besten passt.

Bild: Celine Nadolny

Welche Hürden wollen wir in Zukunft nicht mehr auf uns nehmen müssen?

Ich habe keine Lust mehr, mich für die Dinge zu rechtfertigen, für die ich mich bewusst entschieden habe. Es ist mir ein Dorn im Auge, dass andere Menschen, nur weil ich in der Öffentlichkeit stehe, meinen, sie könnten über mich oder mein Verhalten urteilen, ohne mich zu kennen. Jedes Mal, wenn wieder abschätzige Bemerkungen über meine fröhliche Art, mein Geschlecht, mein Alter oder sonstige Äußerlichkeiten kommen, wird mir bewusst, dass wir noch einen weiten Weg zu gehen haben.

Wenn ihr noch mehr Inspiration zum Thema Gleichberechtigung sucht, schaut in unserem Kompendium Uncoupling Love from Finance vorbei. Praktische Informationen von Frauen auf dem Finanzmarkt findet ihr hier.