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Short Q

Die schönsten Orte der Welt sind belagert von Smombies

Muss der Fotomanie von Instagram-Touristen dringend Einhalt geboten werden? Was das ständige Knipsen für die Tourismusbranche bedeutet und was es mit unseren Erlebnissen macht. 

Man sieht nur mit dem Herzen gut, schrieb Antoine de Saint-Exupéry in seiner philosophischen Erzählung Der kleine Prinz. Die gleichnamige Hauptfigur macht auf seinen Reisen ungewöhnliche Begegnungen mit besonderen Wesen und lernt von ihnen über das Leben und Lieben. 

Vom Frühstück bis zur Abschminkroutine am Abend wird heutzutage alles mit den Follower*innen geteilt. Foto: cottonbro.

Wenn man heute Menschen beim Reisen beobachtet, stellt man fest: Für Begegnungen hat keiner mehr so richtig Zeit und Nerv. Alle sind zu beschäftigt mit den Smartphones. Das Motto lautet: “Man sieht nur mit dem Handy gut. Und was die Kamera nicht festgehalten hat, hat man nicht erlebt”. In Zeiten des allgegenwärtigen Internets ist es so einfach wie noch nie, seine Eindrücke mit Menschen überall auf der Welt zu teilen. Das Problem dabei ist nur, dass das auch ein jeder tut.

Sogut wie alles wird via Social Media den Follower*innen mitgeteilt, vom Hipster-Acaí-Bowl-Frühstück bis hin zur Abschminkroutine am Abend. Und wenn schon das alltägliche Leben derartig öffentlich dokumentiert wird, liegt es auf der Hand, so auch mit den als “besonders” klassifizierten Momenten zu verfahren. Aber hält uns das nicht davon ab, diese besonderen Momente auch wirklich selbst zu erleben? Oder haben wir inzwischen weniger Freude daran, wenn wir nicht alles für die Ewigkeit festhalten können?

Pic or didn’t happen

Genau diese Einstellung wird nun vielen Museen, Hotels, Restaurants und anderen Sehenswürdigkeiten allmählich lästig. Durch die Fotomanie der Instagram-Touristen steigt die jährliche Besucherzahlen einiger Sehenswürdigkeiten in schwindelerregende Höhen – und das alles nur für einen kleinen Schnappschuss. Mit diesem Problem kämpft der Ort Hallstatt in Österreich, seitdem im Internet das Gerücht gestreut wurde, es sei die Vorlage für das Königreich Arendelle aus den Disneyfilmen Frozen Teil 1 und 2. Nun strömen jährlich Unmassen an Touristen nach Hallstatt – zu viele, denn der Ort habe durch seine Lage zwischen Berghängen und Wasser keine Möglichkeit zu wachsen, äußerte sich der Bürgermeister des Ortes gegenüber dem Spiegel. Und mit jedem Bild, das auf Instagram gepostet wird, kommen mehr Menschen nach, die auch knipsen wollen.

Hallstatt – ein beschaulicher Ort in Österreich – kämpft seit den Frozen-Disneyfilmen mit Unmassen an Touristen, die die Vorlage für Königin Elsas Königreich “Arendelle” sehen wollen. Foto: Sydney Russakov.

“Einige Hotels, Restaurants und Touristenattraktionen wie Museen haben der Fotografie strenge Grenzen gesetzt, andere haben sie gänzlich verboten. Einige dieser Verbote ermutigen überarbeitete Urlauber, den Stecker zu ziehen, während andere mit der Hoffnung aufgestellt wurden, die Zahl der Instagram-Besucher, zu dämpfen”, verrät ein genereller Artikel zum Thema Fotografie und Tourismus bei CNN travel

Wer also nicht unendlich oft knipsen kann, der kommt auch nicht mehr? Würde das nicht einen enormen Einbruch an Touristik und damit auch erhebliche Rückläufe in den Einnahmen einiger Einrichtungen bedeuten?

Mit Analogen Trips gegen den digitalen Massenwahn

Nicht unbedingt. Oft reicht es, die Menschen ein bisschen umzuerziehen. Reiseveranstalter Jonny Bealby, der mit seiner Agentur Wild Frontiers Reisen zu einigen abgeschiedenen Orten dieser Welt organisiert, möchte seine Touristen wieder zu einem gesunden Umgang mit der Fotografie bringen. Auf seinen Touren werden die Handys daheim gelassen. Wer aber möchte, kann sich eine Kamera ausleihen – eine analoge, versteht sich. 

Bei analoger Fotografie muss man präziser vorgehen als bei Handykameras. Das Motiv muss sorgfältig ausgesucht werden, die Lichtverhältnisse müssen stimmen, der Moment – und erst dann kommt das Foto. Das ist ein Prozess, bei dem sich die Menschen dessen, was sie fotografieren, sehr viel bewusster sein müssen als bei den schnellen Schnappschüssen für Instagram und Co. Es geht um das Bild an sich, nicht darum, wie viele Menschen es heute liken werden.

Manche Einrichtungen wie das Van Gogh Museum in Amsterdam bieten eine andere Art Kompromiss an: Indem sie an einigen Stellen Vergrößerungen von ikonischen Werken platzieren, wo es erlaubt ist zu posieren und Fotos zu machen, ohne dass sich andere Besucher dadurch gestört fühlen. Aber nicht jede Einrichtung hat die Kapazitäten dazu – und letztlich bleibt die Frage, ob das das Problem der fotowütigen Massentouristen langfristig beheben würde.

Alles festhalten – und nicht erleben ?

Die Fotografin Erin Sullivan führte in ihrem Vortrag, der bei TEDx-Talks als Video zu sehen ist, aus, wo das Problem der heutigen Gesellschaft liegt. Der Trend sei sehr lange in die Richtung des unbedingten Festhaltens von Momenten gegangen – ohne die Momente wirklich zu erleben. Wer eine Reise, Wanderung oder ähnliches nur deswegen macht, um schnell ein Foto für Instagram zu machen – um zu zeigen: “Guck mal, ich war hier” –, der verpasst womöglich das eigentliche Erlebnis, um das es bei solchen Reisen gehen sollte. Und er verpasst, es mit den eigenen Sinnen wahrzunehmen – denn zwischen ihm und dem Erlebnis steht die Handykamera, sie ist immer im Einsatz. 

Natürlich soll niemand vollständig darauf verzichten müssen, Fotografien von besonderen Momenten als Erinnerung zu machen. Allerdings sollte man sich dann und wann die Frage stellen, ob ein Foto für eine Erinnerung wirklich nötig ist. Oder ob nicht vielleicht der Eindruck viel prägender ist, wenn man die Kamera einmal beiseite lässt. 

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