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Short Q

“Fische kennen keinen Schmerz“ – Irrglaube wird aufgedeckt

Fische kennen keinen Schmerz? Das glauben nicht nur Laien. Auch in der biologischen Forschung ging man davon aus. Die Verhaltensforschung zeigt aber: das stimmt überhaupt nicht.

Als ich das erste Mal angeln war, hab ich mich zunächst gefreut über die sich plötzlich spannende Schnur: ein Erfolgserlebnis. Aber als die Forelle dann vor mir lag, nach Luft schnappend und zappelnd, und ich sie mit einem kräftigen Schlag “betäuben“ und anschließend ausnehmen sollte, schnürte mir ein bedrückendes Gefühl in der Brust die Luft weg. Der Freund, ein begeisterter Angler seit Kindertagen, drängte mich, schnell zu machen.

Im Nachhinein berichtete ich ihm, dass ich ihn nicht wieder begleiten werde. Dass die Zeit am Wasser an der frischen Luft erholsam war, das Angeln selbst aber nichts für mich sei. Und ich fragte ihn, ob ihm das gar nichts ausmache, die Tiere so leiden zu sehen. “Schön ist das nicht, aber Fische fühlen doch keinen Schmerz. Das singt sogar Kurt Cobain.”, antwortete er.

But it’s okay to eat fish

‘Cause they don’t have any feelings

Something in the Way, Nevermind, 1991

Zebrafische (CC BY 2.0) by NICHD NIH

Kein Neocortex – kein Schmerz?

Damit sind mein Freund und Kurt Cobain nicht alleine. Auch viele Biologen sind der Ansicht, Fische fühlen keinen Schmerz. Ein Verfechter dieser These ist etwa der australische Neurowissenschaftler Brian Key. In seiner wissenschaftlichen Publikation “Why fish do not feel pain“ erklärt er, dass Fische im Unterschied zu Säugetieren keinen Neokortex haben, und daher gar nicht fähig sind, Schmerz zu empfinden.

In einem Longread des Guardian zum Thema wird die Argumentation des Neurowissenschaftlers über folgende Metapher angefochten: “Menschen bewegen sich mit ihren Füßen. Fische haben keine Füße. Fische können sich also nicht bewegen.” Zudem reagierten fast 40 Wissenschaftler auf Keys Publikation mit eigenen Veröffentlichungen.

Gerade in der Verhaltensforschung wurden interessante Entdeckungen zur Frage gemacht, ob Fische Schmerzen empfinden oder nicht. Denn während wir bisher nur ein sehr rudimentäres Verständnis von der Funktionsweise von Gehirnen haben, lässt sich Verhalten gut beobachten und interpretieren.

Verhaltensforschung produziert andere Ergebnisse

Was hat man also mit den Fischen gemacht? Ihnen wurden Substanzen in die Lippe injiziert, die im Menschen Schmerzen hervorrufen. Die Fische reagierten folgendermaßen: Sie fingen an, mit der Lippe über den Wannenboden zu schrubben und sich auf die Seite zu drehen. Auch der Appetit war ihnen vergangen, denn sie wollten vorübergehend nicht gefüttert werden, berichtet Gabor Paal im SWR Blog.

Foto: Drew Farwell

In einem anderen Versuch wurde das Verhalten eines Zebrafisches untersucht. Sein Aquarium war in verschiedene Kammern unterteilt. Er schwamm in einer mit abgedunkeltem Licht und vielen Verwinkelungen, in denen er sich verstecken konnte. In der anderen Kammer gab es keine Verwinkelungen, nur blendend-helles Halogenlicht. Zudem wurde die helle Kammer mit einem schmerzlindernden Wirkstoff angereichert. Dort schwamm der Zebrafisch nicht hinein. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihm ein schmerz-erzeugendes Mittel injiziert wurde.

Jonathan Balcombe, Autor von “What a Fish Knows”, bewertet diese Entscheidung so: “Es zeigt, dass Fische sich Risiken aussetzen, um Schmerzlinderung zu erfahren.”

Gefühlloser Fisch, ein Mythos

Ähnliche Versuche wurden schon vor langer Zeit angestellt. Im bereits erwähnten Longread des Guardian wird darüber hinaus aufgezeigt, dass sich inzwischen sogar auf neurologischer Ebene das Schmerzempfinden von Fischen nachweisen lässt.

Das bedrückende Gefühl meines ersten und einzigen Angelerlebnisses kam also nicht von ungefähr. Fische fühlen Schmerzen. Und sie vermeiden sie, wo es nur geht. Wir sollten uns dessen bewusst sein, wenn wir Angeln gehen, über Fischereigesetze abstimmen oder das nächste mal ein Fischstäbchen essen.

Die Natur und die eigene Lebenswelt werden im modernen Alltag oft als Gegensätze wahrgenommen. In Eco Identity untersucht unser Autor Marius Hasenheit, wie dieser Widerspruch aufgelöst werden kann.

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