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Short Q

Freiluftschule: Kinder in den Wald statt in Quarantäne 

Das Homeschooling bringt Kinder und Eltern an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Klar ist, die Kinder brauchen Bildung, aber auch Schutz vor dem nach wie vor grassierenden Coronavirus. Könnte eine Neubelebung der Freiluftschulen-Idee ein Lösungsansatz sein?

Im Zuge der Kontakt-Restriktionen in der Corona-Pandemie sind nicht zuletzt die schulpflichtigen Kinder die Leidtragenden. Der reguläre Schulunterricht fällt seit nunmehr sechs Wochen aus, gestresste Eltern versuchen dies durch Homeschooling aufzufangen und den Kindern fehlt es nicht nur an Kontakt zu Gleichaltrigen (abgesehen von den eigenen Geschwistern), sondern auch an Bewegung  an der frischen Luft. Und damit an Essentiellem für ein soziales und gesundes Leben. 

Die Kinder werden via digitalen Unterricht oder Homeschooling mit Arbeitsaufgaben unterrichtet – ohne Kontakt zu Gleichaltrigen. Foto: Annie Spratt.

Eine deutschlandweit einheitliche Lösung für den Schulstart aller Altersklassen ist noch nicht in Sicht. Bisher ist lediglich geplant, Abschluss- und Übergangsklassen ab spätestens dem 4. Mai unter verstärkten Hygienemaßnahmen wieder in die Schulen zu lassen. Das könnte sich aber grundsätzlich recht schwierig gestalten: Die Schulklassen vor allem, aber nicht nur in Grundschulen werden seit Jahren immer größer. “An 156 von insgesamt 430 [in Berlin] Grundschulen übersteigt die Schülerzahl die zulässige Größe von 26 Kindern [pro Klasse]”, titelte die Berliner Morgenpost noch im Dezember 2019. Die Klassenräume – oft untergebracht in alten Gebäuden aus verschiedenen Epochen der vergangenen Jahrhunderte, sind selten renoviert, umso öfter jedoch findet sich an den Wänden und den Decken der eine oder andere Schimmelfleck. Nicht gerade gut für die Gesundheit.

Man befindet sich also an einem Punkt im Verlauf der Corona-Krise, an dem die jeweiligen Landesregierungen sorgfältig abwägen müssen, was wichtiger ist: Prävention und Infektprophylaxe unter Kindern und Jugendlichen oder ausgeglichene und sozialisierte Kinder, die allerdings – sobald sie in engen Kontakt mit anderen treten – eine Ansteckungsquelle für alle anderen in der Familie sein können. Was kann die Lösung sein?

Ganzheitliche Naturerfahrung in der Freiluftschulbewegung

Mittagspause in der Charlottenburger Walschule im Grunewald. Foto: unbekannt, via Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Gegen Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitete sich die Idee von der Freiluftschule – oder Waldschule – weltweit, ausgehend von Berlins erster Waldschule in Berlin Charlottenburg. Diese Idee basierte auf dem gesundheitsfördernden Einfluss der Natur auf kränkliche Menschen, die in zumeist engen Wohnungen der Großstadt schlechten Hygienebedingungen ausgesetzt waren. “Es scheint, dass wir jetzt eine ähnliche Situation haben; Kinder, die etwas frische Luft und Sonnenlicht brauchen, aber auch ein bisschen Trennung. Vielleicht ist es an der Zeit, sich noch einmal mit der Idee der Freiluftschule zu befassen.” schreibt das Online-Magazin TreeHugger.

Besonders en vogue war die Idee vor allem während der Zeit um den ersten Weltkrieg herum, als damals todbringende Krankheiten wie die Spanische Grippe und die Tuberkulose grassierten. Diese Schulen umfassten laut den vom TreeHugger zitierten Expertenberichte in der Enzyklopädie “Children and Childhood in History und Society” ein Bildungsprogramm mit vor allem “viel körperlicher Bewegung […] und einer genau überwachten Ernährung […].” Auch die Architektur der Schulgebäude wurde gegensätzlich zu den Gebäuden der Großstädte konzipiert: viel Licht und Luft durch große Glasfronten oder Fenster, und ausreichend Platz sowie natürlich eine direkte Erfahrung der Natur rundherum. 

Waldschule als mögliche Konsequenz der neuen Corona-Pandemie?

In Waldkindergärten sind die Kinder den gesamten Tag in der freien Natur – nur bei extremen Witterungen wird Schutz aufgesucht. Foto: Markus Spiske.

Zum festen pädagogischen Spektrum gehören in Deutschland seit 1993 und inspiriert von Dänemark immerhin die Waldkindergärten, in denen Kinder, anstatt in einer Einrichtung, bei jeglichem Wetter den gesamten Tag im Freien verbringen. Die Freiluftschulbewegung verschwand nach dem zweiten Weltkrieg größtenteils von der Bildfläche. Das lag zunächst an der aufwändigen Instandhaltung der Gebäude, aber auch daran, dass sich die städtischen Hygienestandards nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich verbesserten. Zu guter Letzt fand die naturverbundene Erziehung der Kinder in einem neuen Bildungsbürgertum in Zeiten des Wirtschaftswunders nur noch wenig Anklang. – Heute können Waldschulen und Waldjugendheime lediglich tage- oder wochenweise und mit dem vorrangigen Themen-Fokus auf Wald und Natur besucht werden. 

Aber wäre die Nutzung dieser Einrichtungen als Ausweichmöglichkeit nicht ideal, um einen einigermaßen geregelten Schulbetrieb wieder mit einer gehörigen Portion Frischluft und Bewegung zu verbinden? Natürlich reichen die bereits existierenden Schulen als Ressource für sämtliche Schulkinder nicht aus – auch nicht, wenn man sich auf die Kinder der jüngeren Jahrgänge beschränken würde, die noch kein großes Verständnis für die Wichtigkeit des Abstandhaltens aufbringen. 

Allerdings könnte auch die provisorische Umsetzung solcher Schulkonzepte schnell Abhilfe schaffen: Genügend freie Fläche wäre in Berlin gegeben, wenn man sich die Vielfalt an Parks vor Augen hält und die Größe des Tempelhofer Feldes. Zudem wäre es beim Unterricht mit kleinen Gruppen von Kindern im Freien viel einfacher, einen gewissen Mindestabstand einzuhalten und somit das Risiko einer Ansteckung zu minimieren, da dies außerhalb von geschlossenen Räumen in der Regel ohnehin unwahrscheinlicher ist. Nicht zuletzt wäre es eine Chance, junge Generationen wieder mehr in Verbindung mit der Natur zu bringen – und mit dem Bedürfnis, sie in Zukunft stärker zu schützen. Es wäre doch zumindest eine Überlegung wert.

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