Die Dokumentation “My Octopus Teacher” erzählt in beeindruckenden Bildern die Verbindung, die der Dokumentarfilmer und Naturforscher Craig Foster zu einem Oktopus aufbaut. Ein Hommage an die Rückbesinnung zur Natur.
In vielerlei Hinsicht ist der Oktopus ein ungewöhnliches Meereslebewesen: ein Weichtier, das den Großteil seines Gehirns in seinen acht Armen trägt, seinen skelettlosen Körper durch kleinste Öffnungen zwängen kann und bei weitem als intelligentester Vertreter aller wirbellosen Tiere gilt. Diese Andersartigkeit ist der Kern unserer Faszination für Oktopusse. Doch kann es uns gelingen, eine Verbindung zu einem uns so fremden Wesen aufzubauen? Die neue Netflix-Dokumentation von Pippa Ehrlich und James Reed wagt den Versuch.
Wir befinden uns im Jahr 2010. Der Filmemacher und Naturforscher Craig Foster, der nach seinem Burnout wieder eine Verbindung zur Natur aufbauen möchte, beginnt täglich in den Kelp-Wäldern vor Kapstadt tauchen zu gehen. Eines Tages stößt er auf ein auffälliges Durcheinander von Muscheln auf dem Meeresboden. Es stellt sich heraus, dass der kleine Muschelberg das Kunstwerk eines Oktopusses ist, der sich zu verstecken versucht. Fasziniert verfolgt Foster das Verhalten des Meerestiers und will sehen, was passiert, wenn er einen Monat lang jeden Tag zu jenem Oktopus zurückkehrt. Kann es ihm gelingen, eine Beziehung zu diesem fremdartigen Wesen aufzubauen?
Ein Alien oder gar ein Seeungeheuer? – Die Faszination Krake bleibt über Jahrhunderte bestehen
Bildstark und etwas sentimental gewährt “My Octopus Teacher” seinen Zuschauern einen intimen Einblick in ein uns völlig fremdes Leben. Obwohl die meisten Inhalte der Dokumentation für die Wissenschaft nichts Neues sind, bringt das alltägliche Studium des Tintenfischlebens uns als Zuschauern immer wieder neue, erstaunliche Beobachtungen nahe. Vor unseren Augen passt der Krake seine Jagdstrategien an, weicht einem Hai aus, indem er auf seinen Rücken klettert und verändert seine Gestalt so, dass er Korallen oder dem Meeresboden ähnelt. Man beobachtet ihn also stets dabei, wie er seine Intelligenz und Kreativität einsetzt, um zu überleben.
Nicht immer wurden Oktopusse Faszination und Wertschätzung entgegen gebracht. In alten Märchen und überlieferten Schriften wurden sie als Riesenkraken verewigt, die Menschen und Schiffe in die Tiefe gezogen haben sollen. Was Fans dieser Geschichten begeistern sollte: Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen existieren jene Riesenkalmare, die als Vorbild dieser Geschichten dienten, tatsächlich.
Die zeitgenössische Wissenschaft diskutiert heute zudem, ob Tintenfische ihren Ursprung im All haben könnten. Somit wird das Bild des wundersam aussehenden Weichtiers um die Bezeichnung als irdisches Alien erweitert. Eine Reihe Astronomen setzten sich tatsächlich 2018 mit der Frage auseinander, ob Asteroiden und Kometen die Kraken durch kosmische Keime auf die Erde gebracht haben. Wirklich glaubhaft ist diese Theorie allerdings nicht, da es sonst keine Abstammungslinie zu anderen evolutionären Vorfahren geben dürfte.
Was wir von Fosters Umgang mit dem Oktopus lernen können
Das Oktopusse weder Seeungeheuern noch ominösen Aliens sind, zeigt uns der Dokumentarfilm “My Octopus Teacher”. Der Moment, in dem Fosters tägliche Besuche Früchte tragen und das Oktopusweibchen sich an seinen Arm schmiegt, ist nicht nur der Höhepunkt der Doku, er setzt ebenfalls ein wichtiges Zeichen. Er wirft die Frage in den Raum, wie weit wir uns durch Profitgier und Schaffensdruck von der Natur entfernt haben.
Die Dokumentation zeigt eindrücklich, wie sehr man durch Entschleunigung, Achtsamkeit und Hingabe seine Verbindung zur Natur aufleben lassen kann. Und das alles durch ein wenig liebevolle Aufmerksamkeit den Lebewesen und dem Lebensraum gegenüber, die uns täglich umgeben. Egal wie seltsam und alienhaft sie auf den ersten Blick auch erscheinen mögen.