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Short Q

Warum Sci-Fi-Autoren jetzt für Unternehmen statt für Hollywood schreiben

Strategie und Marktanalyse war gestern, Firmen setzen heute auf Science-Fiction-Agenturen und erfinden die Zukunft ihrer Marke einfach selbst.

Sci-Fi liegt im Trend. Netflix wirft fast monatlich neue Sci-Fi-Filme und Serien auf den Markt. Das Genre machte laut Business Insider ein Drittel der Eigenproduktionen des Streaming-Dienstes im Jahr 2018 aus – ein Rückgang der Sci-Fi-Welle sei nicht in Sicht. Menschen lieben es mehr denn je sich Geschichten von unglaublichen Zukunftsgesellschaften, rasanten Weltraumschlachten und dystopischen Weltuntergangsszenarien erzählen zu lassen.

Doch der Einfluss von Sci-Fi-Autor*innen reicht weiter als bis in die kurzweilige Freitagabend-Unterhaltung. Die Wirtschaft hat das Potenzial der kreativen Weltgestalter*innen für sich entdeckt.

In den letzten 50 Jahren ist der Grad zwischen Fiktion und Realität immer schmaler geworden. Von der Erfindung des ersten Computers und der Verbreitung des Internets, über Direct-Messaging und Virtual Reality, bis hin zu Genmanipulation – im Jahr 2018 ist sogar künstliche Intelligenz nicht mehr länger nur ein gruseliges Gedankenspiel, wie sie es noch 1968 im Film 2001: Odyssee im Weltraum von Kultregisseur Stanley Kubrick war.

Die Firma Hanson Robotics aus Hong Kong machte im Jahr 2016 mit dem – unheimlich – humanoiden Roboter Sophia weltweite Schlagzeilen. Sophia ist in der Lage, durch erste, rudimentäre Formen künstlicher Intelligenz mit Menschen in Kontakt zu treten.

Sci-Fi wird Sci-Fact

Lange Zeit blieb das Wirken wirtschaftlicher Innovator*innen und Erfinder*innen von Science-Fiction Welten getrennt. In Büchern, Film- und Fernsehsendungen kreierten die Schöpfer*innen von Science-Fiction fantastische und grenzenlose Welten, und Produktentwickler*innen ließen sich in ihrer Arbeit – im Bereich des physikalisch möglichen – von deren blühender Fantasie inspirieren. Im letzten Jahrzehnt hat die Wirtschaft jedoch das zukunftsweisende Potenzial des Genres erkannt. Produktentwickler*innen und ‘Sci-Fi-Futuristen’, wie sie sich selber nennen, arbeiten heute gemeinsam im Auftrag von Firmen wie Apple, Microsoft oder Boeing an ‘der Welt von morgen’.

Der Science-Fiction Thriller Minority Report von Regie-Ikone Steven Spielberg (2002) war bezeichnend für den Einfluss, den die Fiktion eines Spielfilms auf reale Entwicklungen haben kann. Der Film handelt von John Anderton (Tom Cruise), der im Washington D.C. des Jahres 2054 als ‘Precrime-Cop’ Verbrechen bekämpft, bevor sie entstehen.

Fiktive Technologien im Film wurden später Realität, darunter selbstfahrende Autos, tragbare Computer mit Touchscreens und 3D-Videos. Bas Ording, einer der leitenden Designer des User-Interfaces (Bedienoberfläche) des ersten iPhones, berichtet in einem Interview mit medium.com, dass seine Arbeit von Minority Report inspiriert wurde. Apples bedienungsfreundlicher Alleskönner – 2002 noch reine Fiktion – kam 2007 auf den Markt und passt in jede Hosentasche. Sci-Fi wird Sci-Fact in nur fünf Jahren.

Zukunft. Made in Hollywood

Um am Ball zu bleiben, sollten die leitenden Kräfte der Wirtschaft mehr Science Fiction lesen, schrieb Eliot Peper 2017 im Harvard Business Review. Die Vorstellung einer fiktiven Zukunft ermögliche es, sich von unserer eingeschränkten Realität zu lösen. In der Praxis setzten die Führungsebenen großer Firmen jedoch lieber gleich auf die Schöpfer von Science-Fiction-Literatur, als die Werke selber zu lesen.

Wie sieht die Welt der Zukunft aus? Sci-Fi-Autoren lassen futuristische Bilder nicht mehr nur zur Unterhaltung entstehen. Foto: Luca Bravo

Agenturen wie Experimental.Designs und SciFutures aus Los Angeles haben die Entwicklung einer zukunftsweisenden Fiktion zur lukrativen Dienstleistung gemacht. Sie nennen es ‘Sci-Fi-Prototyping’ oder ‘Worldbuilding’ – recht ambitionierte Arbeitsbezeichnungen. Alex McDowell, Leiter der Agentur Experimental. Designs, war nicht nur Produktionsdesigner von Spielbergs Minority Report, sondern ebenso von Hollywood Blockbustern wie Man of Steel, Fight Club und Watchmen.

Heute realisiert der Weltenschöpfer seine Visionen nicht länger für Hollywood, sondern entwirft mit seiner Firma Zukunftskonzepte für Ford und Nike – globale Big Player, die horrende Summen für diesen fiktionalen Zukunftsentwurf bezahlen. Ob diese Fiktion je Realität wird, hängt jedoch zum einen vom finanziellen Einsatz des Unternehmens, aber auch von der tatsächlichen Umsetzbarkeit des Entwurfs ab.

Welches Genre hat die Zukunft?

Die Chance, aber auch die Gefahr von Science-Fiction als kreativer Motor unserer Zukunft liegt in der Unendlichkeit des Vorstellbaren, denn auch die genialste Idee kann in ihrer Umsetzung größenwahnsinnig sein.

In einer Dokumentation zeigt Vice ein Beispiel dafür, wie schnell Genialität zu Größenwahn werden kann. Die Fertility Clinics von Dr. Jeffrey Steinberg ermöglichen es US-amerikanischen Eltern, die DNA ihrer Embryonen noch vor dem Mutterleib durch genetische Präimplantationsdiagnostik (PGS) auf Krankheiten oder Behinderungen zu testen, doch können sie auch das Geschlecht oder die Augenfarbe des Kindes auswählen. Auf Grund des schmalen Grads zwischen Krankheitsvorbeugung und genetischer Verbesserung blieb die bahnbrechende Innovation von PGS in den letzten zwei Jahrzehnten kontrovers.

Andere Kliniken gehen heute jedoch noch weiter. Vox berichtet von einer US-amerikanischen Firma namens Genomic Prediction, die noch in diesem Jahr Polygene-Tests einführen möchte, durch die Eltern nicht nur die Augenfarbe, sondern sogar Intelligenz, Größe oder Stärke ihrer Kinder im Vorhinein designen können. Der CEO des Unternehmens bezeichne den Science-Fiction-Film Gattaca aus dem Jahr 1997 als eine der Hauptinspirationsquellen seiner Arbeit.

Der Film zeigt eine Gesellschaft, in der Menschen durch Manipulation des Genpools in diskriminierende Genklassen eingeteilt werden …

… Und schon wird fiktive Dystopie zu realer Dystopie.

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