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Kompendium: Smart Contracts

Wenn Codes wie Gesetze gelten, werden Verträge zu Programmen, die lernen, sich ganz von selbst um ihre Ausführung zu kümmern.

Kompendium: Smart Contracts

Wenn intelligente Maschinen erst wissen, was wir sagen, tun und denken, findet das Vertragswesen in einer vollautomatischen, selbstexekutierenden Welt sein Ende.

Kompendium

Von der intimsten bis zur globalsten werden alle unsere Beziehungen von Verträgen begleitet und festgeschrieben. Schwarz auf weiß binden sie Taten an Worte. Nun kommen Maschinen hinzu und intelligente Verträge sollen für ihre eigene Ausführung sorgen. Vom ersten Vertragswort bis zur reibungslosen Überflüssigkeit von Verträgen.

Kompendium: Smart Contracts

Durch die Schrift werden Versprechen zu Verträgen und erhalten ihren rechtlichen Rahmen.

Kompendium: Smart Contracts

Der Begriff des modernen rechtsfähigen Subjekts und die Rechtsform der modernen Staaten wurden aus Verträgen geboren. Vom ersten Vertrag zwischen zwei Einzelpersonen zum Vertrag mit Gott.

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Verträge treten an die Stelle des Rechts – nicht zuletzt deshalb, weil sie die Stärkeren begünstigen. Doch nicht immer profitieren diese wirklich davon.

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Vom Ehrenwort zur Entstehung des ersten schriftlichen Vertrags

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Vom Ehrenwort zur Entstehung des ersten schriftlichen Vertrags

Dort wo die Verwaltung vieler durch Einzelne geregelt wird, sind Verträge unverzichtbar. Foto: "Cincinnatus verlässt den Pflug, um Gesetze für Rom zu erlassen." Gemälde von Juan Antonio Riberas um 1806.

Durch die Schrift werden Versprechen zu Verträgen und erhalten ihren rechtlichen Rahmen.

Am Anfang galt nur das Wort – das Ehrenwort. Wenn zwei sich etwas versprechen, befinden wir uns schon auf dem Weg zum Vertrag. Aus diesem Blickwinkel betrachtet gibt es Verträge vermutlich schon, seit Menschen überhaupt kommunizieren können. Vielleicht gibt es sie sogar unter Tieren, die sich wechselseitig helfen, so wie man es unter anderem bei Elefanten, Delfinen, einigen Affenarten und sogar Elstern beobachtet hat. Sobald nicht mehr nur jeder für sich sorgt und Arbeit geteilt wird, kommt es ganz von alleine zu vertragsähnlichen gegenseitigen Verpflichtungen.

Die frühesten Verträge finden sich auf antiken Steintafeln vorchristlicher Dynastien. Foto: Codex von Hammurabi. Entstanden zw. 1792-1750 v. Chr.

Formalisiert wurden diese Versprechen und Kooperationen erst viel später, nämlich mit dem Medium der Schrift. Bereits in den frühesten Gesetzestafeln finden sich Abschnitte zu Verträgen, etwa in den babylonischen Gesetzessammlungen des Hammurapi, die auf das 18. Jahrhundert vor Christus datiert werden. Verträge zwischen Privatpersonen sind aus der nächsten Nachbarschaft Babylons überliefert, nämlich aus dem Alten Testament, Moses I.22, zwischen Abraham und Abimelech. Historisch lässt sich das nicht belegen, aber in etwa zur selben Zeit, also um die Jahrtausende vor Christus, gründeten die Phönizier ihre Handelsstädte am östlichen Mittelmeer. Reich wurden sie durch den Handel – und ihre Macht sicherten sie nicht etwa mit Armeen und Kriegen, sondern mit wechselseitigen Verträgen.

Der erste bilaterale Vertrag

Einer dieser Verträge führt uns zum Geburtsort des heutigen Vertragsrechts. Im Jahre 508 vor Christus schloss die phönizische Stadt Karthago den ersten bekannten bilateralen Vertrag – und zwar mit der Stadt Rom. Die Karthager zogen die Römer dabei über den Tisch und sicherten sich weitreichende Handelsvorteile im westlichen Mittelmeer.

Doch die Römer lernten bald dazu und entwickelten das Vertragsrecht in vorher nie erreichter juristischer Gründlichkeit. Sie unterschieden zwischen dem einfachen Konsensualvertrag, bei dem zwei Parteien sich einigen; dem Realvertrag, der erst gilt, wenn etwas gegeben wurde; dem auf einem Schriftakt begründeten Litteralvertrag und im Gegensatz dazu dem Verbalvertrag, bei dem nur eine Formel gesprochen wurde. Diese beginnt beispielsweise mit: „Willst du …“.

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Ehe, Ablass und Frieden: Verträge, Verträge und noch mehr Verträge

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Ehe, Ablass und Frieden: Verträge, Verträge und noch mehr Verträge

Eheverträge sorgten für die Gleichberechtigung von Mann und Frau innerhalb der Ehe. Bild: Buchcover des Dramas "El Castigo sin Veganza", um 1631 geschrieben vom spanischen Dramatiker Lope de Vega.

Der Begriff des modernen rechtsfähigen Subjekts und die Rechtsform der modernen Staaten wurden aus Verträgen geboren. Vom ersten Vertrag zwischen zwei Einzelpersonen zum Vertrag mit Gott.

Im Jahr 1672 schrieb der deutsche Gelehrte Samuel von Pufendorf zum ersten Mal einen Vertrag zwischen zwei Einzelpersonen: einen Ehevertrag zwischen Mann und Frau. Damit trug er wesentlich zur Gleichberechtigung der Geschlechter bei, wurden Frauen vorher doch verkauft, verschenkt oder zwischen Familien vergeben. Pufendorf wendete allerdings nur an, was andere zuvor ausgearbeitet hatten. Im 16. Jahrhundert waren es die Juristen Donellus und Althusius, die das alte römische Recht um das Konzept des Individuums als rechtsfähiges Subjekt entschieden erweitert haben.

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Das Märchen von der reinen Seele – Ablassbrief als Vertrag mit Gott

Spuren des Vertragshandels mit Seelen finden sich schon in alten Märchen. Das bekannteste literarische Beispiel ist J.W. Goethes Faust. Bild: Faust und Mephisto. Stich von Tony Johannot , entstanden zw. 1845 und 1847.

Die Kirche profitierte als einer der ersten Akteure von diesen neuen Vertragspartnern. Ein Kardinal namens Raimundus Peraudi hatte schon vor 1500 verstanden, wie sich mit der neuen Technik des Buchdrucks die alten Ablassbriefe zur Massenwurfsendung umgestalten ließen. So machte sich Rom daran, mit vorgedruckten Verträgen sein größtes Asset zu vermarkten: die Seelen der Gläubigen. Gegen eine immerhin sozial gestaffelte Gebühr sicherten sie die Reinigung der Seelen zu. Diese Einkünfte finanzierten mitunter den Petersdom.

Spuren des Vertragshandels mit Seelen finden sich schon in alten Märchen. Aus der vermeintlichen Tatsache, dass eine Seele gegen Bezahlung gereinigt werden kann, ergibt sich im Umkehrschluss, dass es auch jemanden geben muss, der dafür zahlt, sie zu beschmutzen. Deshalb beginnen so viele Märchen – und auch Goethes Faust – mit dem berühmten Pakt mit dem Teufel.

Einen weiteren großen Schritt nach vorne nahm das Vertragswesen mit dem Niederländer Hugo Grotius. Der große Gegenspieler von Thomas Hobbes ging davon aus, dass Menschen keine Monster sind, die bei einem noch größeren absolutistischen Staatsmonster Zuflucht suchen müssen, sondern dass sie klug genug sind, um sich selbst einigen zu können. Deshalb machte Grotius – letztlich auch im Interesse des holländischen Handels mit den absolutistischen Staaten – in seinem Werk „De jure belli et pacis“ („Über das Recht des Kriegs und des Friedens“ – 1625) den Vertrag zum Fundament des Völkerrechts. Im Westfälischen Frieden von 1648 wurde daraus die Grundlage aller modernen Staaten.

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Gute Zeit, schlechte Zeit für Verträge

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Gute Zeit, schlechte Zeit für Verträge

Um Verträge auf interntaionaler Ebene kümmert sich unter anderem der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Foto: Cédric Puisney. Quelle: www.flickr.com/photos/puisney/1674479483

Verträge treten an die Stelle des Rechts – nicht zuletzt deshalb, weil sie die Stärkeren begünstigen. Doch nicht immer profitieren diese wirklich davon.

Mittlerweile sind so viele Verträge geschlossen worden, dass es oft schwierig ist, den Überblick zu behalten. Betrachten wir dies am Beispiel des Brexits: Der Staatenbund der Europäischen Union wird durch nichts anderes als eine Unmenge an Verträgen zusammengehalten. Dabei bilden die Verträge von Lissabon und Maastricht nur die Spitze eines gigantischen sinnbildlichen Eisbergs.

Eine Kündigung wurde zwar vertraglich eingeräumt, aber ihre Folgen lassen sich in dem Dickicht wechselseitig zugesicherter Verbindlichkeiten kaum absehen. In der Finanzwelt treffen wir auf ähnliche Knäuel von Vertragsverhältnissen; so sind die Kontrakte zu Derivaten oft mehrere hundert Seiten lange hochkomplexe juristische Vertragsgebilde.

Internationale Abkommen – Gefangen im Dickicht der Verträge

Auch auf zwischenstaatlicher internationaler Ebene haben Verträge Hochkonjunktur. Globalisierung, Deregulierung, der Rückbau der internationalen Institutionen zugunsten von bilateralen Beziehungen, Handelsabkommen mit Schiedsgerichten – all das geschieht auf der Basis von Verträgen. Oft überschreiben diese nationales sowie internationales Recht. Und genau dazu sind sie da.

Die Unterzeichnung der EU-Verfassung – soll nun durch den Vertrag von Lissabon ersetzt werden. Foto: Portugiesische EU-Ratspräsidentschaft 2007.

Verträge sind schnell und agil. Sie bringen für manche große Vorteile, für andere nicht. In der Regel stärken Verträge die Starken und schwächen die Schwachen. Das steht im unmittelbaren Kontrast zu einer Rechtsordnung, die für alle gleichermaßen gilt. Genau deshalb sind sie zur Durchsetzung von Macht so beliebt. Und genau deshalb werden sie in einer Welt, in der mehrere Staaten um Vorherrschaft ringen, zum Mittel der Wahl.

Dafür genügt ein Blick auf die andere Seite des Atlantiks. „Make America great again“ heißt nicht nur, internationale Gerichtshöfe nicht mehr anzuerkennen, sich vom internationalen Recht zu verabschieden und aus multilateralen Verträgen auszusteigen, sondern auch, mit Macht „bessere“ Deals durchzusetzen. Bislang allerdings erwies sich Donald Trumps Versuch, mit den Manieren eines Immobilienhändlers die schwächeren Partner über den Tisch zu ziehen, als nicht sehr erfolgreich.

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Smart Contracts – Die neue Schlauheit der Verträge

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Smart Contracts – Die neue Schlauheit der Verträge

Blockchain sorgt dafür, dass man Verträge nicht mehr vor Zeugen oder Notaren schließen muss. Foto: Chuttersnap.

Wenn Codes wie Gesetze gelten, werden Verträge zu Programmen, die lernen, sich ganz von selbst um ihre Ausführung zu kümmern.

Die große Neuerung im Vertragswesen kommt mit einer Art von Schrift, bei der Sagen und Tun von Anfang an zusammenfallen. Computerprogramme bestehen aus Befehlszeilen, die von Maschinen ausgeführt werden. Wenn Menschen sich genauso vorhersehbar verhalten würden wie diese programmierbaren Rechner, wäre das für Vertragsrechtler wahrlich ein Traum. Vorbei die Zeiten, in denen man noch auf unzuverlässige Lebewesen und ihre chaotischen, störanfälligen Lebensumstände setzen musste. Der Zauberspruch der neuen schlauen Verträge lautet „executes itself“– sie führen sich ganz von selbst aus.

Wenn der Harvard-Jurist Lawrence Lessig sagt „Code ist Gesetz“, dann weist er genau auf diese Verbindung von Programm und Recht hin. Die Gesetzeskraft betrifft nicht nur Computerprogramme, sondern gleichermaßen die verschiedenen Protokolle und Standards im Datenverkehr. Jedes Protokoll schließt eine Art Vertrag zwischen dem Netzwerk und lokalen Computern ab. Alle Teilnehmer einigen sich darauf, über eine vorher festgelegte Schnittstelle zu kommunizieren und sich an die entsprechenden Regeln zu halten.

Ein Vertragsprogramm mit Selbstausführung

Die sogenannten „smart contracts“ übernehmen derart ausführbare Routinen für das Vertragswesen und setzen Code in Verträge um. Sie formulieren nicht nur, was zu tun ist, sondern überprüfen auch gleich, ob alle Vertragspartner ihre Verpflichtungen einhalten.

Wenn Codes wie Gesetze gelten, werden Verträge zu Programmen, die lernen, sich ganz von selbst um ihre Ausführung zu kümmern. Foto: Kevin Ku.

So jedenfalls die Idee des Programmierers und Juristen Nick Szabo, der 1997 als erster von „smart contracts“ sprach.

Noch einen Schritt weiter geht ein Verfahren namens „Blockchain“. Es sorgt dafür, dass man Verträge nicht mehr vor Zeugen oder Notaren schließen muss. Diese Aufgabe übernimmt nun die Internet-Community in einer Art ausgelagerter P2P-Zeugenschaft. Die digitale Währung „Bitcoin“ stellt dabei nur eine von vielen Anwendungen dieser Vertragsform dar.

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Ob es für die neuen, schlauen Verträge die Blockchain überhaupt braucht, sei dahingestellt. Sicher ist hingegen, dass Verträge, wenn sie zu Programmen werden, ganz neue Formen von Organisation und Kooperation hervorbringen.

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Zukunftsblick: Die Datenwolke verschlingt das Vertragswesen

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Zukunftsblick: Die Datenwolke verschlingt das Vertragswesen

Social Score Systeme bestimmen deinen "Wert" anhand der Aufzeichnungen all deiner Taten und Entscheidungen. Foto: Jan Alexander via pixabay.

Wenn intelligente Maschinen erst wissen, was wir sagen, tun und denken, findet das Vertragswesen in einer vollautomatischen, selbstexekutierenden Welt sein Ende.

In einer fernen Zukunft könnte sich das Vertragswesen ganz und gar erübrigen. Wenn kleine datenverschlingende Automaten und Plattformen die Welt erst vollständig genug erfassen, braucht es keine Verträge mehr, um Sagen und Tun in Einklang zu bringen. Richtig schön klingt diese Utopie nicht, und deswegen wäre es vielleicht sogar wünschenswert, mit unserer Zukunft einen Vertrag schließen zu können, damit es nicht so weit kommt.

Wer seine ausgesprochenen oder vielleicht auch nur gedachten Verpflichtungen nicht erfüllt, bekommt einen Abzug in der sozialen Wertung – wie heute schon im chinesischen „Social Credit“-System. Foto: Vinicius Amano.

Genauer betrachtet sieht diese gar nicht so weit entfernte Welt nämlich so aus: Wenn halbwegs intelligente Maschinen erst einmal wissen, was wir tun und sagen – und vielleicht auch, was wir denken – können wir unser Leben wie in einem großen Videospiel führen. Alle unsere Wohl- oder Übeltaten werden geradewegs auf unseren Social Score durchschlagen. Wer seine ausgesprochenen oder vielleicht auch nur gedachten Verpflichtungen nicht erfüllt, bekommt einen Abzug in der sozialen Wertung – wie heute schon im chinesischen „Social Credit“-System, das am Ende auch nicht so viel anderes ist als das amerikanische Credit Rating oder die deutsche Schufa. Nur erstrecken sich derartige Systeme in Zukunft auf alle Daten, die ihnen zur Verfügung stehen und damit letztlich auf das ganze Leben in fast beliebig genauer Detailauflösung.

Wenn ein Versprechen nicht mehr gilt und alles zum Vertrag wird

Wenn es unter diesen Bedingungen überhaupt noch Verträge brauchen sollte, dann nur zum Zweck der moralischen Ermahnung. Für alle Sünder, die auch nur daran denken, ihre Abmachungen nicht einzuhalten, wird das Leben zu einem langen und nicht enden wollenden Wiedereingliederungsvertrag. Alle anderen tun gut daran, auf den freundlichen Rat ihrer intelligenten Apps zu hören.

Bezogen auf das große Ganze werden Verträge dagegen so zügig und günstig abzuwickeln sein, dass all die riesigen Organisationen mit ihren starren Regeln durch bewegliche Knäuel von Vertragsverhältnissen abgelöst werden.

Die durchschaut dann zwar kein Mensch mehr, aber genau dafür werden wir ja intelligente Maschinen haben, die alle Anwaltsgehilfen arbeitslos machen, weil sie sämtliche Verträge, Präzedenzfälle und Urteile überblicken.

Die wirklich wichtigen Verträge werden dagegen zwischen jenen Rechnern geschlossen, auf denen unsichtbar im Hintergrund das System läuft.

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