In der Romantrilogie The Hunger Games der Autorin Suzanne Collins, wurde das Credo der Antike neu entfacht: Brot und Spiele – Leben oder Tod. Die richtige Taktik und die gekonnte Inszenierung der eigenen Person ist der bestimmende Faktor, um in der Arena – und darüber hinaus – seine Existenz zu sichern.
Ähnlich war es bei den Gladiatoren der Antike, deren blutige Auseinandersetzungen der Belustigung des Volkes und der Sicherung der Führungsposition einiger (weniger) Familien dienten. Als Spielfiguren einer erbarmungslosen Klassengesellschaft, blutiger Eroberungszüge und machtgieriger Herrscher waren die Gladiatoren zu Beginn der Tradition noch Sklaven oder Kriegsgefangene, schon bald schlossen sich ihnen jedoch freie und freigelassene Bürger an.
Heldenhafte Männlichkeit als tödliches Unterhaltungsschauspiel
Warum? Mit dem Erhalt der Gladiatorenausbildung versprach man ihnen Ruhm, Ehre und Geld. Erfolgreiche Kämpfer wurden zu begehrten Symbolen der Männlichkeit, von denen beide Geschlechter gleichermaßen angezogen wurden. „Die Kämpfer konnten zwar schwer bewaffnet sein und sich an den Körperregionen schützen, die direkt einem Stoß des Gegners ausgesetzt waren. Der trainierte Oberkörper der Männer hatte aber bitteschön nackt zu sein“, meint Prof. Dr. Boris Dreyer in einem Interview mit dem G/Geschichte Magazin. Dieses sexualisierte Stilmerkmal kann man heute auch auf den Instagram-Auftritten von Fitness-Influencern, wie Nathan McCallum oder Stian Bjornes wiederfinden – bei jenen Muskelmännern ist das größte Risiko jedoch lediglich, Follower zu verlieren, nicht wie bei ihren historischen Vorgängern den Kopf …
Die ein bis drei Kämpfe pro Jahr waren angesichts der generell niedrigen Lebenserwartung zu der Zeit ein akzeptables Risiko, um im Gegenzug mit Nahrung, Obdach und medizinischer Versorgung rechnen zu können. Auch ein finanzieller Obolus kam den siegreichen Gladiatoren zu Gute: Freie durften dabei ein Viertel, Unfreie ein Fünftel des Preisgeldes behalten, welches häufig das Privatvermögen eines Sklaven überschritt. Damit waren die Gladiatoren bessergestellt als ein Großteil des gewöhnlichen Volkes. Die Gladiatoren standen im Zentrum der Massenveranstaltungen und kreierten damit einen Kult, der auch in Darstellungen auf Hauswänden, etwa in Pompeji, verewigt wurde.
Weniger tödlich und dennoch ertragreich: das Bühnenschauspiel
In seinem Buch Roman Theater and Society erwähnt William J. Slater eine weitere Personengruppe, die durch gezielte Selbstinszenierung ein Leben als verehrter, wohlhabender Bürger führen konnte: die Schauspieler. Dabei sticht vor allem ein Beispielcharakter heraus, der sogar zum Ritter des Römischen Reiches ernannt wurde. Quintus Roscius Gallus begann seine Karriere zu einem Zeitpunkt, also die großen Dramaturgen und Lyriker so viele Stücke produziert hatten, dass sich die Darsteller ihre Rollen nach ihrem eigenen Charakter und Können aussuchen konnten. Schon zu Beginn seiner Laufbahn wurde er wegen seines einmaligen Talents täglich mit 4.000 Sesterzen aus öffentlichen Mitteln plus zusätzlichen Beträgen aus der eigenen Tasche von Magistern entlohnt. Er machte sich einen Namen und er wurde zum Star der Zeit. Sogar Gelehrte wie Cicero zog er in seinen Bann. Als Lehrer gab Gallus sein Wissen und Können weiter, jedoch nicht aus Gutherzigkeit, sondern vor allem, um sein Vermögen zu erhöhen.
Auch auf politischer Ebene war berechnete Selbstdarstellung eine essentielle Voraussetzung für Macht, Manipulation, Propaganda und Geld. Cäsar war der erste römische Kaiser, der sein Gesicht noch zu Lebzeiten auf die Münzen pressen ließ (Königin Elisabeth kennt das wohl auch …) und es so im ganzen Reich verbreitete. Seine Statuen ließ er sogar neben jenen von Göttern aufstellen.
Ein Vorreiter des Selfie-Beauty-Filters – also der Idee, das Aussehen des Porträtierten nach seinen Vorstellungen zu modifizieren – war Kaiser Augustus von Makedonien. Er selbst suchte nach Künstlern, die ihn nach seinen Idealen – wallendes Haar, Koteletten, bartlos – darstellten. Stets war er darauf bedacht, sein junges Alter, das ihn bei den Eroberungszügen zur Gallionsfigur machte, in den Fokus zu stellen. Seine Nachfolger imitierten diese gotthafte Inszenierung, um dem Volk Legitimität und Stabilität vorzutäuschen.