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Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Wenn das Gegenüber ganz gläsern ist, kann es dann noch Faszination ausüben? Keine Sorge, die Technik wird's richten.

Kompendium

Die gekonnte Selbstinszenierung kann zum profitablen Geschäft werden, das sich in allen Abschnitten der Kultur- und Zeitgeschichte wiederfindet: von Gladiotoren über Frida Kahlo bis hin zu Influencern.

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Während Gladiatoren ihr körperliches Wohl zur Bespaßung des Volkes verkauften, erkämpfte sich die Riege der Schauspieler gesellschaftliches Ansehen.

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Wie Frida Kahlo durch ihre Selbstporträts zur Legende wurde und die Werbung das Image von Hollywood-Darstellern für sich entdeckte.

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Durch den Siegeszug der sozialen Netzwerke wurde eine neue Währung eingeführt: die Follower. Jeder kann es schaffen! Das ist zumindest das Versprechen – die virtuelle Antwort auf den ausgedienten American Dream.

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Mit den Möglichkeiten von Augmented und Virtual Reality verschwimmen die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt – und ermöglichen ungeahnte Business-Konzepte.

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Die Muskelshow der ersten Popstars der Antike

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Die Muskelshow der ersten Popstars der Antike

Joaquín Sorolla: Messalina in the Arms of the Gladiator

Während Gladiatoren ihr körperliches Wohl zur Bespaßung des Volkes verkauften, erkämpfte sich die Riege der Schauspieler gesellschaftliches Ansehen.

In der Romantrilogie The Hunger Games der Autorin Suzanne Collins, wurde das Credo der Antike neu entfacht: Brot und Spiele – Leben oder Tod. Die richtige Taktik und die gekonnte Inszenierung der eigenen Person ist der bestimmende Faktor, um in der Arena – und darüber hinaus – seine Existenz zu sichern.

Ähnlich war es bei den Gladiatoren der Antike, deren blutige Auseinandersetzungen der Belustigung des Volkes und der Sicherung der Führungsposition einiger (weniger) Familien dienten. Als Spielfiguren einer erbarmungslosen Klassengesellschaft, blutiger Eroberungszüge und machtgieriger Herrscher waren die Gladiatoren zu Beginn der Tradition noch Sklaven oder Kriegsgefangene, schon bald schlossen sich ihnen jedoch freie und freigelassene Bürger an.

Heldenhafte Männlichkeit als tödliches Unterhaltungsschauspiel

Eine Gladiotorenausbildung versprach Ruhm, Ehre und Geld. Jean-Léon Gérôme: Pollice Verso

Warum? Mit dem Erhalt der Gladiatorenausbildung versprach man ihnen Ruhm, Ehre und Geld. Erfolgreiche Kämpfer wurden zu begehrten Symbolen der Männlichkeit, von denen beide Geschlechter gleichermaßen angezogen wurden. „Die Kämpfer konnten zwar schwer bewaffnet sein und sich an den Körperregionen schützen, die direkt einem Stoß des Gegners ausgesetzt waren. Der trainierte Oberkörper der Männer hatte aber bitteschön nackt zu sein“, meint Prof. Dr. Boris Dreyer in einem Interview mit dem G/Geschichte Magazin. Dieses sexualisierte Stilmerkmal kann man heute auch auf den Instagram-Auftritten von Fitness-Influencern, wie Nathan McCallum oder Stian Bjornes wiederfinden ­ – bei jenen Muskelmännern ist das größte Risiko jedoch lediglich, Follower zu verlieren, nicht wie bei ihren historischen Vorgängern den Kopf …

Jean-Léon Gérôme: Pollice Verso

Ein Beitrag geteilt von Nathan McCallum (@isnathan) am

Die ein bis drei Kämpfe pro Jahr waren angesichts der generell niedrigen Lebenserwartung zu der Zeit ein akzeptables Risiko, um im Gegenzug mit Nahrung, Obdach und medizinischer Versorgung rechnen zu können. Auch ein finanzieller Obolus kam den siegreichen Gladiatoren zu Gute: Freie durften dabei ein Viertel, Unfreie ein Fünftel des Preisgeldes behalten, welches häufig das Privatvermögen eines Sklaven überschritt. Damit waren die Gladiatoren bessergestellt als ein Großteil des gewöhnlichen Volkes. Die Gladiatoren standen im Zentrum der Massenveranstaltungen und kreierten damit einen Kult, der auch in Darstellungen auf Hauswänden, etwa in Pompeji, verewigt wurde.

Weniger tödlich und dennoch ertragreich: das Bühnenschauspiel

In seinem Buch Roman Theater and Society erwähnt William J. Slater eine weitere Personengruppe, die durch gezielte Selbstinszenierung ein Leben als verehrter, wohlhabender Bürger führen konnte: die Schauspieler. Dabei sticht vor allem ein Beispielcharakter heraus, der sogar zum Ritter des Römischen Reiches ernannt wurde. Quintus Roscius Gallus begann seine Karriere zu einem Zeitpunkt, also die großen Dramaturgen und Lyriker so viele Stücke produziert hatten, dass sich die Darsteller ihre Rollen nach ihrem eigenen Charakter und Können aussuchen konnten. Schon zu Beginn seiner Laufbahn wurde er wegen seines einmaligen Talents täglich mit 4.000 Sesterzen aus öffentlichen Mitteln plus zusätzlichen Beträgen aus der eigenen Tasche von Magistern entlohnt. Er machte sich einen Namen und er wurde zum Star der Zeit. Sogar Gelehrte wie Cicero zog er in seinen Bann. Als Lehrer gab Gallus sein Wissen und Können weiter, jedoch nicht aus Gutherzigkeit, sondern vor allem, um sein Vermögen zu erhöhen.

Auch ein Meister der Selbstdarstellung: Kaiser Augustus. Foto: Panoramio

Auch auf politischer Ebene war berechnete Selbstdarstellung eine essentielle Voraussetzung für Macht, Manipulation, Propaganda und Geld. Cäsar war der erste römische Kaiser, der sein Gesicht noch zu Lebzeiten auf die Münzen pressen ließ (Königin Elisabeth kennt das wohl auch …) und es so im ganzen Reich verbreitete. Seine Statuen ließ er sogar neben jenen von Göttern aufstellen.

Ein Vorreiter des Selfie-Beauty-Filters – also der Idee, das Aussehen des Porträtierten nach seinen Vorstellungen zu modifizieren – war Kaiser Augustus von Makedonien. Er selbst suchte nach Künstlern, die ihn nach seinen Idealen – wallendes Haar, Koteletten, bartlos – darstellten. Stets war er darauf bedacht, sein junges Alter, das ihn bei den Eroberungszügen zur Gallionsfigur machte, in den Fokus zu stellen. Seine Nachfolger imitierten diese gotthafte Inszenierung, um dem Volk Legitimität und Stabilität vorzutäuschen.

Weiterlesen Das Selbstbild wird zum Markenzeichen
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Header Collage erstellt von Frank Schröder, zusammengestellt aus Fotos von Cristoffer Wilhelm Eckersberg, August Pollak, Jean-Léon Gérôme, Frida Kahlo, Henri Rousseau, Wilhelm Otto Peters, Paolo Veronese, Auguste Toulmouche, Arnold Böcklin und Bernardo Strozzi.
Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Das Selbstbild wird zum Markenzeichen

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Das Selbstbild wird zum Markenzeichen

Frida Kahlo on a bench, carbon print, 1938, photo by Nickolas Muray © The Jacques and Natasha Gelman Collection of 20th Century Mexican Art and The Verge, Nickolas Muray Photo Archives

Wie Frida Kahlo durch ihre Selbstporträts zur Legende wurde und die Werbung das Image von Hollywood-Darstellern für sich entdeckte.

Mit der Wiederentdeckung der Antike in der Renaissance hielt auch das Selbstporträt verstärkt Einzug in die Kunst: von Albrecht Dürer, der sich gerne einmal als leidenden Jesus darstellte, bis zu Parmigianino, der seine eigene Gestalt Jahre später im Manierismus in einem Konvexspiegel erforschte. Selbstidentifikation, Selbstbild und Selbstfindung werden Kernelemente künstlerischen Schaffens, die später ebenfalls zum Leitmotiv der Arbeiten von Velazquez, Goya, Van Gogh oder Gauguin werden sollen.

Leidenschaft und brutal ehrliche Selbstdarstellung

Allen voran geht es oft um die Reflektion der Gesellschaft durch die eigenen Lebensumstände. Diese Künstler haben ihre Person in den Mittelpunkt gestellt, um den Moment ihrer Wahrheit festzuhalten. Eine Künstlerin, die Anfang des 20. Jahrhunderts diese Disziplin zum Schwerpunkt ihrer Karriere machte, und die ungeschönte Realität in ästhetischer Form ausdrückte, ist Frida Kahlo. In den etwa 200 Bildern, die sie zu Lebzeiten malte, steht fast ausschließlich sie selbst im Fokus. Ihr distinktives Aussehen, in dem die Mexikanerin traditionelle Folklore, Blumenkränze und Goldschmuck vereinte, verschaffte ihren Gemälden, aber auch ihrer Person, ein Alleinstellungsmerkmal und einen relevanten Wiedererkennungswert.

Frida Kahlo with Olmec figurine, 1939. © Nickolas Muray Photo Archives

Foto: Cindy Sherman / Instagram

Mit ihrem Können, ihren Ansichten und dem unkonventionellen Image begeisterte sie vor allem ab Mitte der vierziger Jahre Kuratoren, Presse, staatliche Institutionen und Museen, sodass sich ihre Arbeiten im Handumdrehen verkauften. Mit ihrer Ausstrahlung schaffte sie es sogar in die französische Vogue.

Der Mensch als Marke

So wie Frida Kahlo, die sich immer wieder in diversen Rollen darstellte, agiert auch die Fotografin Cindy Sherman seit den Siebzigern. Nur: Sherman verschwindet hinter dem Make-up und den Kostümen der Rollen, die sie einnimmt. Seit Beginn ihrer Karriere vereint sie alle Aufgaben in einer Person: Sie ist das Model, die Stylistin, die Set-Designerin, Auftraggeberin und Rezipientin. Sie hat ein erfolgreiches Business gegründet, dessen einzige Grundlage sie selbst ist. Und zwar so erfolgreich, dass im Jahr 2011 einer ihrer Drucke von Untitled #96 für 3,89 Millionen US-Dollar bei Christie’s versteigert wurde und damit zu einer der teuersten Fotografien des Jahres wurde.

Screenshot von Ava Gardner aus dem Trailer des Films The Killers

In ihren Arbeiten bezieht sich Sherman häufig auf das idealisierte Frauenbild der Fünfziger. Ein Bild, welches von Schauspielerinnen wie Ava Gardner oder Monica Vitti geprägt wurde. Ihre männlichen Pendants verkörperten Jack Webb oder Bob Hope. Sie verkörperten eine Generation von Darstellern, die aus dem Schatten der übermächtigen Produktionsstudios heraustrat, um ihre eigene Person in das Rampenlicht Hollywoods und der Welt zu stellen. Sie wurden zu gefeierten Superstars, die mit ihrer gekonnten Inszenierung vor der Kamera auch ihre Privatperson interessant machten. Die Schauspieler dieser Generation – und die der kommenden – promoten nicht nur sich selbst, sondern vermarkten eine Lebenswelt, ein Idealbild, das in der Fantasie ihrer Betrachter Realität wird. Bis dato ungesehen in der Populärkultur, wurden sie zu Werbegesichtern von Unternehmen, die sie engagierten, in der Hoffnung, das Image der Prominenten würde auch auf ihr Geschäft abfärben. Letztendlich wurde jedoch vor allem eines generiert: Die Etablierung der eigenen Person als Marke.


Fotos von Frida Kahlo wurden vom Victoria and Albert Museum bereitgestellt. Die Ausstellung Frida Kahlo: Making Her Self Up beginnt am 16. Juni 2018 und zeigt zum ersten Mal persönliche Gegenstände und Kleidung der Ausnahmekünstlerin.

Weiterlesen Die Ära der Influencer
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Die Ära der Influencer

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Die Ära der Influencer

Durch den Siegeszug der sozialen Netzwerke wurde eine neue Währung eingeführt: die Follower. Jeder kann es schaffen! Das ist zumindest das Versprechen – die virtuelle Antwort auf den ausgedienten American Dream.

Der Fortschritt der Digitalisierung hat die Art, die Intention und den Wirkungsbereich der Selbstdarstellung verändert. Neue Berufsfelder sind entstanden, um den Ansprüchen und den Erwartungen einer jungen Zielgruppe gerecht zu werden. Besonders durch Instagram hat sich die Weise, wie Selbstdarstellung und Business heute funktionieren, grundlegend revolutioniert. Mit der richtigen Inszenierung kann vermeintlich jeder Geld verdienen – oder zumindest gratis Goodies und Werbegeschenke einheimsen. Die virtuelle Antwort auf den ausgedienten American Dream.

Foto: Gilles Lambert

Die Kardashianisierung der Welt

Hervorzuheben ist dabei im Besonderen der Klan der Kardashians/Jenners. Alles begann mit der Freundschaft zu Erbin Paris Hilton und einem Sex-Tape… – dann bekamen Kim und ihre Familie eine eigene Reality-Show, die sie seit nun mehr als zehn Jahren durch ihre Höhen und Tiefen begleitet. Ungeachtet der Vorwürfe, kein ‚richtiges Talent’ zu besitzen und sich in ihrer modisch so prägenden Ästhetik der Cultural Appropriation schuldig zu machen, hat jede der fünf Schwestern ein Digital-Imperium (inklusive eigener Apps) erschaffen, dessen Profit sich im analogen Leben in Kosmetik-Linien, Kollektionen und Kooperationen fortführt. Kendall Jenner hat – unter anderem – wegen ihrer extremen Selbstinszenierung – den Sprung zur Karriere als international gefragtes Model geschafft. Die Riege der Achtziger- und Neunziger-Topmodels wurde damit offiziell von Influencern, zu denen auch Gigi und Bella Hadid gehören, abgelöst. Auf die Spitze trieb es das Label Dolce & Gabbana, als sie während ihrer Herbst/Winter Kollektion 2017 ausschließlich internationale Influencer in ihren Designs auf den Laufsteg schickten.

Influencer als Mini-Job

Internetstars machen heute dort Werbung, wo Fernsehclips und Radio-Ansagen bei der Social Media-Generation irrelevant geworden sind. In ihren Feeds finden sich bezahlte Produktplatzierungen, die ihnen – je nach Followerzahl – ein luxuriöses Leben ermöglichen. Laut einer von Forbes zitierten Studie kauften im Jahr 2017 bereits 84 % der Marken bezahlte Posts von Influencern, wie Caro Daur, Jordyn Woods, Sita Abellan oder der erst 7-Jährigen Coco. Sie wirken nahbarer als Hollywood-Stars oder die Musik-Helden der Generation ihrer Eltern oder Großeltern. Aber Obacht! Marketing-Experten prophezeien einen Wandel: Von den Big Playern hin zu sogenannten Micro-Influencern, die zwar nicht durch extreme Reichweite, dafür aber mit höherer Kredibilität und Vertrauen punkten. Ein neuer Mini-Job wurde geboren.

In den Sozialen Netzwerken tummeln sich jedoch nicht nur idealisierte Traumbilder der Jugend. Sie sind ein zum Teil beängstigendes Kommunikationsmittel geworden, um politische Macht auszuüben und Meinungen zu beeinflussen. Nutzten in der Antike die römischen Kaiser noch Münzen mit ihrem Abbild, um das Volk zu manipulieren, so sind es heute Politiker wie Trump, die Propaganda für ihre eigene Person durch kontroverse Tweets betreiben. So lässt er auf Twitter seinen konfusen Gedanken zu Fake-News, Shitholes, potentiellen Atomkriegen, zu seinem Reichtum und seinen Erfolgen freien Lauf – und konnte durch diese gezielte Medienstrategie und dem Auftritt als „ehrbarer Geschäftsmann“ die Wahl zum Präsidenten der USA für sich entscheiden.

Trumps Erfolg ist ein Erfolg der Selbstdarstellung. Foto: Rob Walsh

Weiterlesen Avatare als neues Idealbild
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Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Avatare als neues Idealbild

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Avatare als neues Idealbild

Mit den Möglichkeiten von Augmented und Virtual Reality verschwimmen die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt – und ermöglichen ungeahnte Business-Konzepte.

Bis zum Jahr 2050 werden die technischen Möglichkeiten der Selbstdarstellung neue Territorien erobern, in deren Erforschung heute bereits massiv investiert wird. Besonders Augmented und Virtual Reality (AR & VR) liegen dabei im Fokus von Unternehmen wie Facebook. Influencer-Marketing-Experte Justin Rezvani sieht in dieser technologischen Entwicklung einen Vorteil, den diese Berufsgruppe – und im Umkehrschluss auch Marken – profitabel für ihr eigenes Geschäft nutzen können. Man stelle sich nur vor, welche neuen Türen sich öffnen würden, die die Trennlinie zwischen der digitalen und der realen Welt aufheben könnten. Persönliche Treffen und Interviews wären plötzlich etwas ganz Intimes; Fans, die in einem Raum mit ihren Vorbildern säßen – eine Besonderheit. Auch Konzertveranstalter könnten durch Gäste, die physisch nicht anwesend sein können, zusätzliche Gewinne erzielen – her mit den Tickets für VR-Besucher!

Das Business der digitalen Avatare

Foto: *~ MIQUELA ~* @lilmiquela

Eine weitere Technologie, die die nähere Zukunft bestimmen wird, ist das Business mit Avataren: Was würde also passieren, wenn Prominente oder Influencer nicht mehr selbst mit Produkten posieren müssten, sondern diese Arbeit von ihrem virtuellen Ich ausgeführt werden könnte? Aber: Schon heute zeigt sich, dass vor allem Influencer, die häufig wechselnde Marken in kurzen Abständen auf ihren Profilen präsentieren, an Kredibilität verlieren. Könnte es also sein, dass täuschend echte Avatare speziell für die Marken kreiert werden, damit sie als langfristige Repräsentanten genutzt werden können? Sie würden das traditionelle Modell des Werbegesichts obsolet machen. Bereits heute verdienen virtuelle Influencer einen Haufen Geld, wie die japanische Sängerin mit dem Namen Miku Hatsune. Miku Hatsune füllt in Japan regelmäßig Stadien, wirbt für Toyota und Google und hat Millionen Fans – und das, obwohl sie nicht real ist. Marc Jacobs engagierte sie 2016 als Model für seine Louis Vuitton-Kampagne. Andere virtuelle Influencer sind sogar noch lebensnaher, wie das Instagram-Model Miquela Sousa, der bereits über 600.000 Menschen über Instagram folgen.

In einem Gespräch mit dem Magazin WIRED erklärt Hao Li, CEO des Start-Ups Pinscreen, wie die digitalen Selbstbilder das Morgen verändern können. Durch Facial Mapping und Rendering wird es möglich sein, mit simplen Schritten sein Ich als (fast) naturgetreue 3D-Simulation nachzuempfinden. Das Ergebnis sind visuelle Doppelgänger, die sogar die Mimik ihres zweiten Ichs imitieren können. „Klitzekleiner“ Nebeneffekt: Durch die einfache Erstellung von Avataren und zusätzliche Stimmveränderungsprogramme wie beispielsweise Adobes Prototyp ‚Voco’ wäre es möglich, Identitäten zu fälschen.

Selbstdarstellung vs. Fremdbewertung

Foto: *~ MIQUELA ~* @lilmiquela

Aber was ist mit den ‚normalen’ Menschen, mit ‚normalen’ Berufen? Wie können sie gekonnte Selbstinszenierung zu ihrem monetären Vorteil nutzen? Seit unserer Kindheit sind wir darauf bedacht, vielleicht sogar konditioniert, unser Verhalten, unsere Erscheinung oder Meinung an die Umgebung anzupassen, um dem Gegenüber zu gefallen. Wir versuchen von Sympathie zu profitieren und sozialen Erwartungen gerecht zu werden. Diese Idee wurde von den Machern der ersten Folge der 3. Staffel der Serie Black Mirror in eine Zukunftsdystopie verwandelt, die angesichts geschönter Profile in Dating-Apps und dem Wahn um Follower und Likes nicht unplausibel scheint. In dieser Vision muss eine perfekte Maske authentisch nach außen getragen werden, damit man im Live-Rating der anderen gut abschneidet. Je höher diese Zahl, desto höher das Ansehen in der Bevölkerung, desto luxuriöser die Wohngegend, desto besser die Bezahlung im Job, desto angenehmer das Dasein. Diese Dystopie scheint in Anbetracht des weit diskutierten Sesame Credits in China nicht allzu weit hergeholt. Das chinesische Sozialkredit-System soll die Vertrauenswürdigkeit der Bevölkerung anhand gesammelter Daten beispielsweise in Bezug auf das Einkaufsverhalten, Online-Gewohnheiten oder (nicht) bezahlte Rechnungen mittels eines sogenannten „Citizen Scores” greifbar machen, welcher für die Öffentlichkeit einsehbar in einer Rangliste ausgewertet wird.

Weiterlesen Nanobots als universelle Selbstdarsteller
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Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Nanobots als universelle Selbstdarsteller

Kompendium: Das Business der Selbstdarstellung

Nanobots als universelle Selbstdarsteller

Wenn das Gegenüber ganz gläsern ist, kann es dann noch Faszination ausüben? Keine Sorge, die Technik wird's richten.

Mit dem rasanten Fortschritt von Technologie und Gesellschaft hat sich die Art der Selbstdarstellung, das inszenierte Subjekt und auch die erforderliche Vermarktungsstrategie zu einem unvorhersehbaren Faktor entwickelt. Glaubt man jedoch George Dvorsky, Redakteur der Plattformen Gizmodo und io9, so wird Ende des 21. Jahrhunderts die Virtual Reality direkt mit dem menschlichen Hirn verknüpft sein.

Die digitale Realität wird greifbarer, wahrer. Sie wird kaum zu unterscheiden sein von der ‚echten’ Welt. Es wird winzige Nanobots geben, die in der Luft herumschweben und jede erdenkliche Form – also sogar die menschliche – annehmen können. Der Mensch löst sich selbst auf und wird von künstlich erschaffenen Göttern ersetzt, deren Perfektion und idealisierte Darstellung er niemals erreichen könnte. Sie sind die neuen Werbegesichter, die, zu jeder Zeit und an jedem Ort, zielgerichtet Produkte und Inhalte kommunizieren können.

Würde die Dystopie der HBO Serie Westworld zur Realität, so könnte es sein, dass Roboter zur Befriedigung dunkler, menschlicher Triebe ausgenutzt würden. Foto: Stefano Pollio

Doch wer verdient an diesen virtuellen Wesen? Denkt man an das antike Beispiel des Schauspielers Quintus Roscius Gallus zurück, der einem Sklaven das Schauspiel lehrte, um ihn danach zu seinem eigenen Profit „auszuleihen”, könnten Designer und Programmierer in der Zukunft die – provokant ausgedrückt – Zuhälter sein. So ambivalent die Wahl dieses Wortes scheinen mag: Die Welt stünde vor neuen moralischen Fragen, die diese unnatürlichen Geschöpfe und deren Einsatzbereiche mit sich bringen würden.

Würde die Dystopie der HBO Serie Westworld zur Realität, so könnte es sein, dass Roboter zur Befriedigung dunkler, menschlicher Triebe ausgenutzt würden. In der Serie können Menschen in einem artifiziellen Vergnügungspark ihre Fantasie des Wilden Westens ausleben – von Banküberfällen bis zu Prostituierten in Saloons. Die Roboter können nach Belieben verletzt, sogar getötet werden, nach Betriebsschluss werden sie ganz einfach von Ingenieuren wieder instand gesetzt …

Der Influence-Chip: Virtuelle Bilder im Kopf

Eine andere futuristische Vision betrifft den Ort, an dem (Werbe-)Inhalte konsumiert werden. Statt über einen Screen werden diese direkt in das menschliche Gehirn übertragen. Durch technisch erzeugte Telepathie können Avatare, Politiker, Musiker und Marken direkt und unmittelbar ihre selbstdarstellerischen Botschaften in die Köpfe übermitteln. Gewollt oder ungewollt. Die einzige Möglichkeit dieses zu umgehen, könnte eine neue Form von Ad-Blockern sein, die durch implantierte Chips Inhalte filtern.

Der gläserne Mensch als tragisch-langweilige Dystopie

Wird die menschliche Selbstdarstellung noch funktionieren, wenn die Dystopie des gläsernen Menschen Realität geworden ist? Foto: John Robert Marasigan

Unweigerlich kommen zahlreiche Fragen auf: Wird die menschliche Selbstdarstellung noch funktionieren, wenn die Dystopie des gläsernen Menschen Realität geworden ist? Wenn alle Informationen über die eigene Person durch Kontaktlinsen im Auge des anderen abrufbar, gar einsehbar sind? Wie sollte ein Mensch noch Faszination ausüben können oder einen profitablen Personenkult generieren, wenn alle Makel im ersten Augenblick öffentlich werden? Wenn die kuratierte Fassade ein Relikt der Vergangenheit geworden ist? Vielleicht besinnt sich die Menschheit dann zurück auf die Unterschiede zwischen Mensch und Maschine und realisiert, dass Makel Persönlichkeit kreieren. Persönlichkeit – ein Wort, welches niemals auf virtuelle oder mechanische Wesen angewendet werden könnte. Ein Wort, das Emotionen, Erfahrungen und Empathie einschließt. Ein Wort, welches das Leben formt. Und eben diese prägenden Momente und originären Gedanken befähigen den Menschen dazu, Kunst zu erschaffen, Literatur zu verfassen, zu existieren. Sich selbst darzustellen – sein Selbst.

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Header Collage erstellt von Frank Schröder, zusammengestellt aus Fotos von Cristoffer Wilhelm Eckersberg, August Pollak, Jean-Léon Gérôme, Frida Kahlo, Henri Rousseau, Wilhelm Otto Peters, Paolo Veronese, Auguste Toulmouche, Arnold Böcklin und Bernardo Strozzi.