Die Medici sind ein Paradebeispiel für das Potenzial von kollaborativem Arbeiten und Netzwerken. Besonders der anfängliche und langsame Aufstieg der Dynastie vor ihrem Machtboom demonstriert, wie die Verbindungen innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen ihnen Schritt für Schritt zu Geld und Einfluss verhelfen konnten.
Wenn jemand wusste, wie man Business macht, dann wohl die Medicis. Als Treiber der Renaissance prägten sie über mehr als 300 Jahre die italienische Provinz Florenz über die Stadtmauern hinaus und gestalteten die Epoche der Wiedergeburt in Europa maßgeblich mit. Diese Familie hat sich nach ihren Vorstellungen komplett neu erfunden und sich einen Namen gemacht, der bis heute unvergessen bleibt. Wie? Indem sie schon damals verstanden hat, was auch morgen noch gelebt wird: kollektiver Fortschritt.
Die Medicis verdienten sich ihre Brötchen einst als Kaufleute, konnten im Textilhandel zu Reichtum gelangen und dominierten mit ihrer Bank später die europäische Finanzwelt. In ihren Erfolgsjahren ließen sie grandiose Bauwerke errichten und förderten Kunst und Kultur. Was viele aber nicht wissen, ist, dass es anfangs gar nicht so rosig für La Famiglia aussah. Die Pest, Pleiten und Streitereien, auch untereinander, bedrohten zuweilen ihre Existenz. Zu diesem Zeitpunkt hätte wohl niemand damit gerechnet, dass Vieri di Cambio de’ Medici, geboren 1323, das Ende dieser Pechsträhne und den Startschuss des Familienimperiums einläuten sollte…
Organische Verbindungen schaffen organisches Wachstum
Vieri ist das, was man heute einen Macher nennt. Krisen und schlechte Aussichten hindern ihn nicht daran , das zu tun, was er am besten kann: Geschäfte. Im Gegensatz zu vielen anderen Familienmitgliedern, die in bescheidenen Verhältnissen leben, gilt er als tüchtiger und geschickter Kaufmann, der Mitte des 14. Jahrhunderts seine Chance im Kreditgeschäft sieht, als gerade die einflussreichsten Bankiersfamilien in Florenz im Bankrott landeten. Zwischen 1348 und 1392 baut er sein Bankgeschäft mit verschiedenen Zweigstellen in wichtigen europäischen Städten aus. Das schafft er aber natürlich nicht ganz allein. Weil es zu dieser Zeit üblich ist, nimmt er die Söhne eines fernen verstorbenen Verwandten aus Loyalität zur Lehre auf, darunter auch Giovanni di Bicci de’ Medici.
Dadurch schafft Vieri gleich zu Beginn ein chancenreiches Jobumfeld, weil ein gewisses Vertrauen und enge Beziehungen hier durch die Blutsverwandtschaft ganz natürlich gegeben sind. Aber neben den persönlichen Verbindungen rechnen sich auch strategische Beziehungen im äußeren Umfeld. Auch hier beweisen die Medici den richtigen Riecher. Würde man im Florenz der Renaissance herumfragen, wer immer bestens informiert ist, würde wohl stets ihr Name fallen. Sie überlassen nichts dem Zufall und lassen sich regelmäßig von ihren Agenten und Geschäftspartner auf den neuesten Stand bringen. Warum? Weil sich nur dadurch kommerzielle Chancen erspähen und potenzielle Aufträge ergattern lassen.
Strategie bestimmt das Miteinander der Medici
Natürlich war der Austausch im 14. Jahrhundert bei einer räumlichen Trennung nicht so einfach wie in der Ära der digitalen Kommunikation und vor allem um einiges zeitaufwendiger. Anstatt via E-Mails und Chatnachrichten bei Slack und Co. zu kommunizieren, halten zur Renaissance Brieftauben und Laufburschen die Medici auf dem aktuellsten Stand und vernetzen sie auch außerhalb des eigenen Kosmos. Ganz nach dem Motto „Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen”. Kleiner Spoiler Alert: Das kollaborative Arbeiten lohnt sich, der Bank geht es gut. Sogar so gut, dass Vieri di Cambio bereit dazu ist, Verantwortung abzugeben. Giovanni wird Leiter einer Filiale und Teilhaber einer anderen. Was uns zum nächsten Erfolgsfaktor des italienischen Clans bringt, nämlich Berufliches und Privates zu verbinden, genauer gesagt das Geschäft durch eine Heirat zu stärken. Später soll dieses Modell innerhalb der Dynastie eine noch bedeutendere Rolle spielen, aber auch schon um 1380 erfüllt die Strategie ihren Zweck. Mit Piccarda Bueri als Ehefrau hat Giovanni nämlich eine beachtliche Summe als Mitgift bekommen. Jetzt stimmt auch das Kapital, um seinen Karriereaufstieg einzuleiten.
1397 eröffnet der Geschäftsmann seine neue Hauptfiliale, die zu DER Adresse in Florenz wird, wenn es um Finanzen geht. Bestimmt tut es ihm und seinem Business gut, weiterhin auf sein soziales Gespür zu hören. Im Gegensatz zu anderen reichen Florentiner Familien denkt er nämlich weiter und will von deren politischen Rivalitäten nichts wissen, konzentriert sich stattdessen ganz auf die Koalition. So beharrt er entgegen der Tradition auf seine progressive Haltung. Er weiß, wie er seine Mitarbeiter*innen zufriedenstellen
kann und wie deren Zufriedenheit wiederum das Business boomen lässt. Also gibt’s bei Giovanni di Bicci nicht nur ein nett gemeintes Danke für die Angestellten, sondern gerne mal eine saftige Gewinnbeteiligung und die Möglichkeit als Gesellschafter einzusteigen. Eine Art der Mitarbeitermotivation und beruflichen Wertschätzung, die sich auch noch Jahrzehnte und Jahrhunderte später behauptet.
Damit wird schon jetzt klar, wie sehr sich das Business-Modell der Medici von einer reinen Vetternwirtschaft unterscheidet. Denn auch, wenn der Familienname an Ruhm gewinnt, profitieren von ihren Geschäften auch Nichtverwandte. Sowieso wird bei der italienischen Dynastie nicht einfach jemand ohne Ehrgeiz besetzt, nur weil er zur Familie gehört. Hier muss man sich beweisen und am kollektiven Aufstieg aktiv beteiligen.
Verbindungen schweißen zusammen und stärken den Kern
Die Dinge nehmen ihren Lauf und das Networking macht sich bezahlt. Bald hat Giovanni den neuen Papst auf seiner Seite, verwaltet die Finanzen der Kirche und setzt auf die gut bewährte interne Vernetzung, indem er die Geschäftsführung an seine Söhne Cosimo und Lorenzo übergibt. Als ihr Vater 1429 stirbt, hinterlässt er seinen Nachkommen ein wichtiges Erbe: Ansehen und Verbindungen, die den Weg der Medici immer weiter Richtung Macht steuern.
Wo das letztendlich hinführt, hat uns die Geschichte gelehrt. Die Florentiner Vorzeigefamilie mit Zukunfts-Mindset schwimmt in Geld, hat Einfluss, spinnt ihr Netz aus Beziehungen immer weiter, sodass sie irgendwann sowohl das Stadtbild als auch die Politik grundlegend mitbestimmt. Aus der Familie gehen Großherzöge, Königinnen und Päpste hervor. Und die Erkenntnis, dass mit einem sowohl organischen als auch strategischen Miteinander alles möglich ist, schon damals und auch heute noch. Denn bei den Medici wäre es ohne organische Zusammenarbeit ganz anders gelaufen.