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Kompendium: Happiness Management

Überall lesen wir von der neuen Arbeitswelt: Der digitale Wandel soll es uns endlich ermöglichen selbstbestimmter zu arbeiten. Doch ändern die Unternehmen sich nachhaltig oder versuchen sie es nur?

Kompendium: Happiness Management

Bereits heute kann eine KI den Blutdruck durch einen einfachen Gesichtsscan messen. Unser emotionaler Zustand kann digitalisiert werden – und so wird sich auch das Happiness Management immer digitaler gebären.

Kompendium: Happiness Management

Happiness Management ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Seitdem das Bedingungslose Grundeinkommen eingeführt worden ist, achten spezielle Sozialarbeiter gezielt darauf, dass jeder Mensch sich auf dem Weg der Selbstverwirklichung gut aufgehoben fühlt.

Kompendium

Happiness Management grassiert als Buzzword in den Medien und der Arbeitswelt. Doch warum sollen wir uns überhaupt bei der Arbeit wohlfühlen? Vom Handwerk über New Work bis hin zur Utopie: Ein Blick auf den Dialog zwischen Arbeit und Glück.

Kompendium: Happiness Management

Im mittelalterlichen Handwerk haben wir bereits erste Züge von Happiness Management gesehen: Lehrlinge bekommen von ihren Meistern Unterkunft und Kost gestellt; die Zünfte agieren als Selbsthilfeeinrichtungen für die Zunftmitglieder. Die Unternehmenskultur der Zünfte basiert auf einer christlichen Ethik der Nächstenliebe.

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Frithjof Bergmann hat in den frühen 80er Jahren die Arbeitswelt mit einem neuen Begriff revolutioniert: New Work. Die neue Arbeit stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Sie soll Leben geben – nicht nehmen.

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Das Handwerk sorgte sich um seine Vertreter

Kompendium: Happiness Management

Das Handwerk sorgte sich um seine Vertreter

Ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit: Wer als Lehrling in einem Betrieb untergekommen ist, war meist auf der sicheren Seite.

Im mittelalterlichen Handwerk haben wir bereits erste Züge von Happiness Management gesehen: Lehrlinge bekommen von ihren Meistern Unterkunft und Kost gestellt; die Zünfte agieren als Selbsthilfeeinrichtungen für die Zunftmitglieder. Die Unternehmenskultur der Zünfte basiert auf einer christlichen Ethik der Nächstenliebe.

Handwerkszünfte waren fortschrittlicher als ihr Ruf

Das Handwerk organisierte sich im Mittelalter in Zünften. Sie gehörten zu den bekanntesten Organisationen Europas mit einer etablierten Arbeitskultur. Zünfte waren Zusammenschlüsse von Handwerkern, entweder aus einem bestimmten Handwerk oder aus mehreren Bereichen. Sie bildeten sich vor allem in den Reichsstädten im Hochmittelalter heraus. Im Verbund konnten die Meister die Rohstoffversorgung, Preisgestaltung und andere wirtschaftliche Prozesse regulieren. Darüber hinaus übernahmen sie Verantwortung für Witwen und andere Notleidende. Kurzum: Sie sorgten dafür, dass es ihren Mitgliedern gut ging – das machte sie so attraktiv und ihr Handeln ist letztendlich eine frühe Form von Happiness Management.

Durch Tracht wird der Stand in der eigenen Zunft ausgedrückt, aber auch die Zugehörigkeit. Bild: Thomas Gerstenbrei

Vom Lehrling zum Meister: ein Lebenslauf

Betrachten wir den Werdegang eines Mustergesellen. Hans wurde in einer deutschen Reichsstadt im 14. Jahrhundert geboren und ist Sohn eines einfachen Schneiders. Er möchte mit Holz arbeiten und wird deswegen bei einem Zimmermann vorstellig. Hans wird akzeptiert, zieht beim Zimmerer ein und bekommt dort eine Unterkunft, Essen und ein zunftgerechtes Gehalt. Im Betrieb arbeiten noch andere: ein weiterer Lehrling, der bereits seit sieben Jahren beim Meister ist, legt sein Gesellenstück ab. Hans ist beeindruckt: Jetzt wird aus dem ältesten Lehrling ein Geselle.[1]

Nach ein paar Jahren wird Hans schließlich selbst zum Gesellen ernannt. Zunächst ist er Junggeselle, der jüngste Geselle im Betrieb des Meisters. Bald langweilt er sich. Der Meister arbeitet seit Jahren mit den gleichen Techniken. Aus diesem Grund geht Hans auf die Walz: Die Wanderschaft wird mindestens ein Jahr dauern müssen und ihn durch viele deutsche Reiche, neue Betriebe und unbekannte Abenteuer führen. Dabei wird er nicht allein sein. Reisen waren im Mittelalter üblich und Wandergesellen aus allen Handwerksgruppen vielerorts gesehen.

Kommt Hans an einen neuen Ort, wird er dort bei der Zunft vorstellig. Auf seiner Reise lernt er neue Techniken kennen, neue Holzarten und neue Menschen. In einem Betrieb begegnet er einer Gesellin. Das hatte es bei seinem Meister nicht gegeben, im Mittelalter waren weibliche Gesellen jedoch durchaus üblich. Hans schließt die Walz nach ein paar Jahren ab und will Meister werden. Dazu kehrt er zurück in den Meisterbetrieb seiner Ausbildung und wird dort nach weiteren Jahren zum Altgesellen. Er spart viel und lebt von wenig: Die Zulassung zum Meister wird teuer sein. In seiner Zunft gehört ein Meistergeld dazu, zudem erlangt er durch die Zulassung das Bürgerrecht. Auch das Meisterstück muss er selbst finanzieren. Es soll eine große Holzfigur werden. Nach vielen Jahren wird aus dem Schneidersohn ein Zimmermeister und ein vollwertiger Bürger der Stadt, der heiraten und einen eigenen Betrieb eröffnen darf.

Das Handwerk dachte das Happiness Management bereits mit

Mit einem Gesellenbrief wurde die Arbeit des “Auszubildenden” anerkannt und gewürdigt. Bild: Friedrich Arnold Obrist – Zentralbibliothek Solothurn

Hans Geschichte zeigt uns: Nicht nur die Meister übernahmen durch die Zünfte Verantwortung füreinander. Auch die Gesellen und Auszubildenden des Handwerks wurden gefördert. Aus moderner Sicht lässt es sich so formulieren: Die Arbeitgeber hatten das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter bereits im Blick und leisteten aktiv einen Beitrag zur Leistungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer. Die Hierarchien waren zudem eindeutig, jeder Geselle konnte, bei entsprechender Befähigung, Meister werden.

Die Gleichzeitigkeit von ökonomischer und sozialer Interessenvertretung macht die Zünfte zu einem politischen Sprachrohr des Handwerks. In einer Zeit, in der die Ständegesellschaft als Gott gegebene Ordnung die Welt bestimmte, war dieses Denken revolutionär. Die Zünfte stiegen so neben dem Adel und dem Klerus zu einer Gruppe auf, die Macht und Einfluss ausüben konnte. Auch wenn ihr Einflussbereich lokal war und es keine gesamtdeutsche oder gar gesamteuropäische Zunft gab, erreichten die Zünfte viel für ihre Mitglieder. Ihre Ethik fußte auf der christlichen Nächstenliebe und geht damit der protestantischen Revolution der Arbeitsethik voraus.

[1] Das Wort stammt aus dem Althochdeutschen „gisello” und bezeichnet einen Hausgenossen.

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Frithjof Bergmann fordert ein neues Denken für Neue Arbeit

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Frithjof Bergmann fordert ein neues Denken für Neue Arbeit

Frithjof Bergmann als Vordenker einer anderen, selbstbestimmten Arbeits- und damit auch Lebensweise. Foto: Richard Hebstreit

Frithjof Bergmann hat in den frühen 80er Jahren die Arbeitswelt mit einem neuen Begriff revolutioniert: New Work. Die neue Arbeit stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Sie soll Leben geben – nicht nehmen.

Hegel als Grundlage für die neue Arbeit

Mit jüdischen Wurzeln im Jahr 1930 in Sachsen geboren, wächst Frijthof Bergmann in Österreich auf. Mit 19 Jahren verschlägt es Bergmann dank eines Stipendiums in die USA. Das Stipendium läuft aus, aber Bergmann bleibt in den Vereinigten Staaten. Er schlägt sich am Fließband durch, wird Boxer und versucht sich an vielen anderen Jobs. Dem amerikanischen Traum folgend, studiert er Philosophie in Princeton und promoviert mit einer Arbeit über den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Doch das Unterrichten an einer amerikanischen Elite-Universität reicht ihm nicht aus. Er versucht sich im autarken Leben, lebt auf dem Land allein und isoliert. Das Holzhacken gibt er allerdings wieder auf: zu mühselig ist es sich selbst zu versorgen. Es muss einen anderen Weg geben. Den sucht er erneut in der Philosophie. Diese möchte er in die Praxis übersetzen.

Seine Arbeit an der University of Michigan bringt ihn in die Nähe von Städten, die von der Automobilindustrie geprägt sind. Dort lassen sich die ersten Anzeichen der Automatisierung ausmachen.

New Work als Reaktion auf die Automatisierung

Durch den Einsatz von Computern und Robotern drohten vielen Mitarbeitern bei General Motors in der Stadt Flint (Michigan, USA) die Arbeitslosigkeit. Und das in einer Stadt, die von der Automobilindustrie lebte. Während die einen ihren Job verlieren würden, würden die anderen mehr arbeiten müssen. Michael Moore, der amerikanische Dokumentarfilmer mit speziellem Hang zu Investigativen Filmen, beschäftigte sich in einem seiner ersten Projekte mit der Situation in der Stadt. Da Flint sein Heimatort war, fühlte er sich besonders verbunden.

Doch Hilfe kam auch von anderer Seite: Frijthof Bergmann schlug eine andere Lösung vor. Keine Entlassungen, dafür wurde ein Schichtsystem eingeführt. Die eine Hälfte der Belegschaft wurde für sechs Monate freigestellt, während die andere Hälfte arbeitete. In diesen sechs Monaten würden sie sich in einem „Zentrum für neue Arbeit” neu orientieren können und in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern und Betreuern herausfinden, worin ihre Interessen lagen.

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Nachdem er in Pinceton promoviert hat, möchte Frijthof Bergmann seine Arbeit an der Univerität in Michigan in die Praxis umsetzen.

Was wie ein Psychologie-Experiment klingt wurde im Jahr 1984 tatsächlich umgesetzt. Das Medienecho war groß, weltweit wurde über die Aktion berichtet.[1] Und es sollte nicht das einzige Experiment bleiben, das Bergmann anleitete: Dort wo die Industrie versagt, findet Bergmann fruchtbaren Boden für seine Ideen. Eine lokale Fernsehsendung in Detroit macht Werbung für seine Ideen. Ein Zusammenschluss aus Vereinen, Kirchen und privaten Geldgebern ermöglicht schließlich die Errichtung eines Zentrums für neue Arbeit in der Stadt. Die Jugendlichen selbst sollen den Bau übernehmen. Bergmann möchte ihnen eine eigenständige Arbeitsweise vermitteln und ihnen klar machen: Es wird Euch nicht so gut gehen wie Euren Eltern, aber Ihr dürft Euch deswegen auch nicht hängen lassen.

Das Ende der Lohnarbeit

Die Neue Arbeit besteht aus folgenden, zentralen Ideen:

  • Selbstversorgung

Astatt von großen Konzernen versorgt zu werden, sollten lokale Gemeinschaften sich selbst mit dem Nötigsten versorgen.

  • Selbstbestimmung

Die Arbeit soll dem Menschen dienen – nicht der Mensch der Arbeit. Dazu müssen die Menschen herausfinden, was sie wirklich wollen.

Yoga Studio statt am Auto schrauben? Bei Gereral Motors gehen Bergmanns “New Work” Theorien auf.

Eine der zentralen Forderungen von Bergmann ist: Die Lohnarbeit soll abgeschafft werden. Sie hindert den Menschen daran, sich aus seiner Unmündigkeit zu befreien. Stattdessen sollten die Menschen anders arbeiten: selbstbestimmt und einer Arbeit nachgehend, die ihnen dient – und nicht sie der Arbeit. Die Menschen müssen dazu herausfinden, was sie wirklich wollen. Die Menschen, die bei General Motors die Chance bekamen ihr Leben neu zu denken, schlugen neue Wege ein. Sie eröffneten Yoga Studios (bereits in den 80ern!) und wurden Lehrer, andere gingen zurück in eine universitäre Ausbildung. Wenn der Mensch den Freiraum bekommt, sich selbst zu entdecken, wird er ihn nutzen, davon ist Bergmann überzeugt.

Bergmanns Ansatz macht ihn zum Star einer neuen Arbeitsphilosophie. Er gibt Workshops und berät Unternehmen. Seine Bücher über die Neue Arbeit sind Klassiker geworden – und legen den philosophischen Grundstein für Happiness Management. Aber es soll noch 30 weitere Jahre dauern, bis der Begriff New Work sich breitenwirksam durchsetzt. Erst durch echte neue Arbeitsplätze und die Digitalisierung wird sein Denken breit diskutiert werden.

[1] Spiegel (1997)

Weiterlesen Die Millennials wollen sich auf der Arbeit wohlfühlen
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Die Millennials wollen sich auf der Arbeit wohlfühlen

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Die Millennials wollen sich auf der Arbeit wohlfühlen

Überall lesen wir von der neuen Arbeitswelt: Der digitale Wandel soll es uns endlich ermöglichen selbstbestimmter zu arbeiten. Doch ändern die Unternehmen sich nachhaltig oder versuchen sie es nur?

Gesucht: Softe Revolutionäre

Menschen liegen Dir am Herzen und du weißt, was jemand braucht, noch bevor die Person es ausgesprochen hat? In Workshops zeigst Du Methoden für Stressbewältigung, kennst aber auch den Büroalltag? Super, wir hätten da noch ein paar weitere Aufgaben für Dich:

  • Du setzt Prozesse für den Wandel unserer Unternehmenskultur auf
  • Du überzeugst Führungskräfte davon, dass sie ihrem Team endlich die Freiheiten geben sollen, die sie brauchen, damit sie kreativ arbeiten können
  • New Work ist für dich kein Buzzword, sondern eine echte Revolution – und die muss auch mal wehtun

So könnte eine ehrliche Anzeige aussehen, die die Frage beantwortet, weshalb ein Unternehmen sogenannte Feelgood Manager braucht. Stattdessen werden die Office Manager umgetauft und nur weil ein Büro einen Obstkorb hat, der einmal die Woche aufgefüllt wird, darf sich jemand schon Happiness Manager nennen. Dass sich Unternehmen mit jenen halben Stellen und leeren Versprechen schmücken, zeigen die große Verunsicherung und die Angst vor Veränderung, die viele Organisationen prägt. Mehr Verantwortung an die Mitarbeiter abgeben, ihnen mehr Freiraum gewähren; das geht auch mit Kontrollverlust einher.

„Als Feelgood Manager nehmen Sie zudem die Rolle eines Vertrauensmanagers ein, der ein offenes Ohr für alle Mitarbeiterbelange hat.” Foto: Brooke Cagle

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Feelgood Manager – Mehr als ein Obstkorb, bitte

Hier kann Feelgood Management helfen. So heißt es in der Profilbeschreibung des Fraunhofer Instituts: „Als Feelgood Manager nehmen Sie zudem die Rolle eines Vertrauensmanagers ein, der ein offenes Ohr für alle Mitarbeiterbelange hat.” Vertrauen muss aber auch zwischen Führenden und Geführten aufgebaut werden. Der Wandel ist unausweichlich. Die Kommunikationsbranche hat dies bereits erkannt und je stärker das Produkt eines Unternehmens bereits digital vorliegt, desto stärker auch der Wille zum Wandel.

Impulse für das wie und was bekommt das Feelgood Management aus der Wissenschaft. Die Positive Psychologie erhält seit den 1990er Jahren viel Aufmerksamkeit. Ihr Ansatz, nicht das defizitäre, sondern das Positive, als Glück, Solidarität und Zufriedenheit zu erforschen, geht Hand in Hand mit den Ansätzen des Feelgood Managements.

Die Angst vor dem Wandel macht unglücklich

Im Büro präsent zu sein ist faktisch in vielen Berufen nicht mehr notwendig. Entsprechend steigt der Anspruch an die Arbeitsumgebung. So sieht es auch Fränzi Kühne, Agenturchefin und Aufsichtsrätin, die in einem Interview mit Jan Böhmermann für Neo Magazin Royal klarstellt: „Wenn du eine Scheißkultur hast, kommen keine Leute zu Dir.”

Zugleich haben viele Angst vor dem Wandel. Umbrüche wie die Automatisierung werden heiß diskutiert. Die Prognosen darüber welche Jobs in 10 oder 15 Jahren von Robotern oder KIs übernommen werden, ändern sich täglich. Wir wissen schlichtweg nicht, wie die Zukunft der Arbeit aussehen wird. Wir wissen aber, dass wir wahrscheinlich ersetzbar sein werden. Eben diese Angst kommt bei vielen hoch, wenn sie von Veränderung hören. Und Angst macht nicht glücklich, das steht fest.

Dass sich die Mitarbeiter im Unternehmen wohlfühlen sollen, hat keine altruistischen Gründe. Dahinter stehen klare Gewinnabsichten. Studien berichten von einer Steigerung der Produktivität von bis zu 12 % durch kleine Maßnahmen, wie Snacks, Getränke und eine kurze Pause. Es sind solche Zahlen, die immer mehr Unternehmen zum Umdenken bewegen. Doch wer sorgt für die entsprechende Kultur?

Reicht eine Obstschale, um aus einem Office Manager einen Happiness Manager zu machen? Fotos: Miguelangel Miquelena und Nordwood Themes

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Der Wandel hin zu mehr Glück und Transparenz und der Krieg um die Talente

Elena Mertel wechselte vor Kurzem erst in eine große Berliner Kommunikationsagentur. Sie verantwortet dort als Business und Agency Development Managerin den strukturellen Wandel von 300 Mitarbeitern in ganz Deutschland. Sie beschreibt die Situation auf dem Arbeitsmarkt als einen sogenannten War of Talents. Gute Leute sind schwer zu finden und wenn ein Unternehmen nicht attraktiv ist, kann es die Leute nicht halten. Die Arbeitgeber brauchen dringend neue Kompetenzen, da die Talente auf dem Markt zunehmend nach kulturellem und sozialem Kapital suchen. Die Unternehmenskultur muss stimmen, die Freiheiten am Arbeitsplatz groß genug sein und Arbeiten im Homeoffice steht außer Frage. Unternehmenskultur, mehr als monetäre Anreize – das ist es, was die Millennials mit ihren Skills an den Arbeitsplatz zieht.

Mertels Aufgabe ist es, den digitalen Wandel in die Agentur zu bringen: „New Work heißt für mich vor allem, den Menschen und seine Bedürfnisse ins Zentrum zu rücken. Besonders für Unternehmen in der Kommunikationsbranche heißt das, den Fokus auf die Beziehung zum Mitarbeiter zu setzen und alle Bereiche – von der Führungskultur über Prozesse bis hin zu neuen digitalen Technologien – darauf auszurichten.” Doch was sind die Bedürfnisse der Menschen und wie können sie beachtet werden? Wenn wir Frithjof Bergmann, dem Denker hinter dem Begriff New Work, folgen, dann geht es um Selbstverwirklichung und Sinnhaftigkeit. Eben jenes Sinnstiftende der Arbeit zählt, oder, wie Bergmann es in einem Interview nennt: „Arbeit die Leben gibt, nicht nimmt.”

Über 30 Jahre nach Bergmanns ersten Testversuchen mit dem New Work-Ansatz in den USA erfährt seine Theorie also auch in Deutschland Auftrieb. Zufriedenheit soll jetzt durch Wohlergehen gemanagt werden. Doch zu akademisch darf es nicht werden, sonst schalten die Entscheidungsträger ab – und mit denen steht und fällt der Wandel. „Man muss die Leute mit auf die Reise nehmen”, bemerkt Mertel abschließend. Und wo die Reise hingeht ist eindeutig – oder?

Weiterlesen Happiness Management per Algorithmus
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Happiness Management per Algorithmus

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Happiness Management per Algorithmus

"Wie geht es mir heute?". Die KI "Happy Fellow" unterstützt Menschen dabei auch während der Arbeit gut für sich zu sorgen.

Bereits heute kann eine KI den Blutdruck durch einen einfachen Gesichtsscan messen. Unser emotionaler Zustand kann digitalisiert werden – und so wird sich auch das Happiness Management immer digitaler gebären.

Siri, geht’s mir gut?

Beim Betreten des Büros vibriert die Smartwatch. Das ist das Zeichen: Die Arbeitszeit beginnt jetzt. Ein Blick auf die Uhr verrät: Der Herzschlag ist leicht erhöht, aber das merkt Stefanie auch so. Heute ist ein wichtiger Tag: Kundenpräsentation. Das will sie nicht vergeigen. Die KI „Happy Fellow” weiß das und schickt ihr eine Nachricht über den Messenger, der mit ihrer AR-Brille verknüpft ist.

„Geht es dir gut?”

„Bitte den Messenger nur noch im Desktop-Modus nutzen”, sagt Stefanie und schaltet damit die Augmented Reality ihrer Brille aus. Das ist gerade zu viel, lieber will sie sich auf die Arbeit konzentrieren und auf einen echten Bildschirm schauen.

„Happy Fellow” hätte sie nicht fragen müssen wie es ihr geht: Stefanie hat eingewilligt, dass ihre biometrischen Daten ausgewertet werden. Sie arbeitet in einer Kommunikationsagentur in einem kleinen Team. Die Software, die sie hier nutzen, hat das Team selbst erstellt und Stefanie war an der Entwicklung beteiligt. Die KI hat Zugriff auf alle Arbeitsdaten von Stefanie: ihre Termine, E-Mails, den Messenger und Präsentationen. Sie verfolgt jeden Schritt, den Stefanie in ihrem Arbeitsalltag macht und kann dank des Abgleichs mit ihren biometrischen Daten vorschlagen, was sie tun soll.

Den Stresspegel senken – dazu braucht es eine Tasse Tee und jemand, der einen daran erinnert, mal Pause zu machen. Aber muss das gleich ein Bot sein? Foto: Etienne Boulanger

„Du solltest eine Pause machen und einen Tee trinken”, sagt ihr der Bot im Messenger. Stefanie verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf.

„Ich weiß, dass du das für keine gute Idee hältst. Aber ich glaube dein Stresspegel ist zu hoch.”

Eine Infografik poppt auf, die Stefanie nur zu gut kennt: Sie hat am Design mitgearbeitet. Die Grafik zeigt ihren Erregungswert an und den geschätzten Adrenalinspiegel. Die Daten lassen sie noch mehr schwitzen – die Ampel springt auf Rot.

Algorithmen können Empathie nur vorspielen

Stefanie ist genervt von Happy Fellow: sie fühlt sich beobachtet. Zugleich weiß sie auch, dass die Software Recht hat. Sie geht in die Küche und kocht sich einen Tee aus frischen Kamillenblüten. Sie macht die Packung leer und sofort poppt eine Frage in ihrer AR-Brille auf.

„Willst du den Tee nachbestellen?”

„Ja”, bestätigt Stefanie und setzt die Brille kurz ab.

Sie reibt sich die Augen, weil sie ohne Brillen verschwommen sieht. Einen kurzen Moment holt sie Luft. Einatmen, ausatmen. So hat sie es im Stressmanagement-Kurs gelernt, den die Krankenkasse ihr bezuschusst hat. Da sie einen Gentest hat machen lassen, weiß sie: Sie ist stressanfälliger als andere Menschen. Durch ihre Hochsensibilität geht sie anders mit äußeren Reizen um, verarbeitet mehr als andere Menschen. Ihre Krankenkasse willigte daher ein, einen größeren Anteil für den Kurs zum Stressmanagement zu zahlen. In ihrem Büro ist es normal über Themen wie diese zu sprechen: Psychische Gesundheit ist schon lange kein Tabu mehr im Job. Dennoch ist es ihr manchmal unangenehm. Sie wäre lieber tougher.

Das Happiness Management geht jetzt vollautomatisch

Wenn alles digital ist, steht kaum noch was auf dem Schreibtisch. Die Büros von Morgen sind manchmal ein wenig leer. Foto: 4crew

Manchmal wünscht Stefanie sich die guten alten Office Manager zurück: Jemand, der die Küche sauber macht, wenn alle mal wieder zu faul waren. Jemand, der frisches Obst auf den Tisch stellt und die Blumen auffrischt. Die Blumen und das Obst bringt mittlerweile ein Start-up-Unternehmen, das sich der regionalen Gärtnerware verschrieben hat.

Mit dem Tee in der Hand geht Stefanie zurück an ihren Arbeitsplatz. Sie tauscht die AR-Brille gegen eine VR-Brille: Der Kundentermin findet in einem virtuellen Konferenzraum statt. Der Kunde hat zugestimmt Happy Fellow seine Smartwatch-Daten zur Verfügung zu stellen. So kann Stefanie sehen, wenn einer der Teilnehmer gestresst ist und darauf eingehen. Seitdem das Happiness Management automatisierter abläuft, stellt Stefanie immer wieder fest: Wir sind selbst für unser Glück verantwortlich. Und weil es in ihrer Präsentation um den Verkauf einer Lizenz von Happy Fellow an einen großen Konzern geht, eröffnet sie ihre Präsentation mit einer Slide auf der genau das steht: „Happiness Management lässt sich nicht auslagern. Wir müssen uns selbst glücklich machen. Wie? Das können wir lernen.”

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Glück ist ein Menschenrecht

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Glück ist ein Menschenrecht

Glück als höchstes Gut - aber um das zu erlangen, brauchen viele Menschen eine helfende Hand.

Happiness Management ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Seitdem das Bedingungslose Grundeinkommen eingeführt worden ist, achten spezielle Sozialarbeiter gezielt darauf, dass jeder Mensch sich auf dem Weg der Selbstverwirklichung gut aufgehoben fühlt.

Traumjob: Den anderen beim Traumjob helfen

Die Ausbildung zum Pfadfinder hat Tanja gerade abgeschlossen. Zwar ist sie verbeamtet, das heißt, sie genießt die Vorteile eines staatlichen Angestelltenverhältnisses, aber das war für sie nicht der ausschlaggebende Punkt für den Job. Seit der Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens im Jahr 2067 hat sich die Gesellschaft tiefgreifend verändert. Viele Berufsbilder sind weggebrochen, andere haben neue Anreize schaffen müssen. Das kennt Tanja vor allem aus dem Geschichtsunterricht. Sie selbst ist erst im Jahr 2069 geboren und mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen aufgewachsen. Doch auch fast 30 Jahre später hat sich die Gesellschaft noch immer nicht ganz auf die neuen Lebensbedingungen eingestellt. Deswegen gibt es sogenannte staatliche Pfadfinder: Menschen, die anderen dabei helfen, ihren Lebensweg zu beschreiten. Über ihrem Arbeitsplatz beim Neu-Kreuzberger Amt für Glück hängt ein Poster mit dem Zitat: „If the government can not create happiness for its people, then there is no purpose for government to exist.”

Das Zitat stammt aus der Verfassung von Bhutan und stammt aus dem Jahr 1629 – und ist nach 500 Jahren nicht mehr nur eine lokale Idee eines kleinen Landes, sondern zu einer der Maximen des Regierens in der ganzen Welt geworden.

Die Freiheit, die durch das Bedingungslose Grundeinkommen geschaffen wird, bietet die Möglichkeit zur persönlichen Sinnsuche. Foto: Ayo Ogunseinde

Die Revolution des Denkens hält weiterhin an

Ihre Kollegin arbeitet bereits seit 30 Jahren in diesem Büro und gehört zu den ersten Pfadfindern. „Am Anfang haben sich alle über unseren Namen lustig gemacht”, erzählt sie bei einem Kaffee. „Aber jetzt hat sich der Begriff eingeprägt. Die Menschen finden das nicht mehr so lustig. Pfadfinder, das klang für viele nach einer Jugendgruppe.”

Tanja kennt den Begriff nur in seiner modernen Verwendung: Pfadfinder sind dazu da, Menschen ihren Pfad aufzuzeigen. Sie sind Coaches, ausgebildet in einem langjährigen Verfahren, das sie dazu befähigt, allen Mitgliedern der Gesellschaft, von ihrer Lebenssituation, zu helfen. Dabei betreut jeder Pfadfinder eine kleine Gruppe. Obwohl sie Beamtin ist, muss Tanja keine Bürokratin sein, die nur auf ihrem Stuhl sitzt. Ihr Alltag besteht aus Hausbesuchen, Besuchen an Arbeitsplätzen und Workshops in Bildungseinrichtungen. Zudem kann sie viele der Daten, die sie für ihre Arbeit benötigt, einfach von den Leuten über das IoT abrufen. Wer will, kann einen Glückstest machen oder über Chips in der Haut verschiedene Daten auslesen lassen. Eine Chip-Pflicht gibt es nicht: Das haben die UN verbieten lassen, nachdem einige Diktaturen auf der Welt damit experimentiert hatten. Doch die gehören der Vergangenheit an – und dem Glück gehört die Zukunft, daran glaubt Tanja fest.

Da sie durch ihr Studium über eine Zusatzausbildung zur Meditationslehrerin verfügt, unterrichtet sie einmal pro Woche Meditation für Kinder an einer Grundschule. Doch obwohl die Pfadfinder bereits früh in das Leben der Menschen treten, sind nicht alle auf ein Leben mit so viel Freiheit vorbereitet. Auch wenn das BGE gesamtgesellschaftlicher Konsens ist, gibt es noch immer viel Kritik: Wie mit denen umgehen, die nichts zur Gesellschaft beitragen wollen? Diese Kritik hält Tanja für schwierig. Dahinter steht ein falsches Menschenbild, findet sie. Der Mensch ist nicht grundsätzlich faul, glaubt Tanja. Er ist aktiv – wenn er die richtige Umgebung die richtigen Anreize hat. Die Tätigkeiten müssen ihm sinnhaft erschienen. Sonst kommen Depression und Isolation auf – die Arbeit wird gemieden, Menschen verlieren sich in ihrer Sinnsuche. Es sind vor allem ältere Menschen, die in einem anderen Wertesystem aufwachsen, die sich mit der Realität dieser Freiheit schwertun. Mit einer Lebenserwartung von über 120 Jahren und einer verbesserten Versorgung sind viele Krankheiten ausgemerzt worden. Doch die psychische Stabilität ist stärker in den Blickpunkt gerückt. Tanjas Arbeit als Pfadfinderin setzt genau dort oft an.

Glück verläuft nicht linear – auch wenn es gemanagt wird

In einem Buch über die Geschichte des Körperbildes hat Tanja gelesen, dass die Menschen die Perspektive auf den Körper immer wieder ihrer technologischen Umgebung angepasst haben. Mit Aufkommen der Industriellen Revolution betrachteten die Menschen den Körper als Maschine. Mit der Digitalisierung kam ein neues Körperbild auf: So ging ein Theoretiker Anfang des 21. Jahrhunderts davon aus, dass die Menschen ihre Körper wie Algorithmen betrachteten. Es war die Biologie, die zu dieser Zeit den Menschen auf seine Fähigkeit Daten zu prozessieren, reduzierte. Algorithmen sollten den Menschen die Entscheidungen bald abnehmen und sie sogar dominieren. Diese düstere Projektion trat zum Glück nie ein. Zwar unterstützen Tanja Daten aus den verschiedensten Quellen bei ihrer Arbeit, aber das Leben stellte sich als komplexer und unvorhersehbarer heraus, als datengetriebene Extrapolationen vorhersagen können.

Kreativität und Technik gehen Hand in Hand und schaffen neue Potentiale zur persönlichen Entfaltung. Foto: Billetto Editorial

Heute trifft Tanja Stefan, einen ihrer Lieblingsfälle. Als Trans-Mann, der erst mit 70 Jahren den Weg in die Transition ging, ist es für Stefan besonders wichtig, psychisch stabil zu bleiben. Er sagt ihr oft, dass er sich wie in einer zweiten Pubertät fühlt. Auch hier hat Tanja immer ein offenes Ohr für ihn. Sie war dabei, als Stefanie sich dazu entschied, als Mann zu leben. Stefan ist heute 75 Jahre alt und hat gemeinsam mit Tanja seine Leidenschaft für Malerei entdeckt. In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts geboren, haftet ihm immer noch der Charme einer gerade erwachten digitalen Welt an, findet Tanja.

Das kommt für sie durch, wenn er ihr seine Malereien zeigt. Als Software-Entwickler hat Stefan ein Gespür für Codes. Deswegen malt er auch nicht alleine: Er hat eine KI entwickelt, die ihn beim Malen unterstützt. Auf Grund seiner biometrischen Daten kann die KI feststellen, wie es ihm geht. Auf Grundlage des Stimmungsbildes mischt sie dann Farben an, die seinem Gemüt guttun. Da er lange mit Depressionen zu kämpfen hatte, sieht er in der Malerei eine Art Therapie. Gestützt von der Malerei, kann er sich nun aktiv mit seinen Gefühlen auseinandersetzen. Zudem gibt er an einer Volkshochschule Kurs im Creative Coding von KIs. „Früher hatten wir Angst, dass wir von Maschinen ersetzt werden”, sagt Stefan. „Dabei mussten wir nur lernen mit ihnen zusammen glücklich zu sein: Und das heißt, dass wir uns kreatives Potenzial nicht nur für uns, sondern auch füreinander entfalten können.”

Stefans Kurse sind immer ausgebucht – und Tanja möchte am nächsten Kurs unbedingt teilnehmen.

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