Staunende Besucher erhalten ganz neue Perspektiven
Paris zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Durch einen verdunkelten Gang gelangen die Besucher in das runde Gebäude. Die Augen gewöhnen sich nur langsam an das dämmrige Licht. Nach und nach entstehen die Konturen einer Welt, die sie so vor ihren Augen noch nie gesehen hatten.
Man kann sich vorstellen, wie groß das Staunen der Menschen warn, als sie die gewölbten eDecken und Wände betrachteten auf denen Malereien und Bilder zu sehen waren. Derartiges hatte es zuvor noch nie gegeben. Der gerundete Verlauf der Illustration an der Wand schaffte die Illusion, sich mitten im Geschehen zu befinden. Landschaften aus fernen Ländern, historische Schlachten oder gar die Imitation einer Reise mit dem Schiff auf hoher See wurde mittels dieser riesigen Installationen dargestellt. Manche Installationen waren begehbar, andere hatten sogar durch Mechanik bewegliche Teile, die die Illusion einer realen Erfahrung verstärkten. Ihnen war allen gemein, dass sie die Menschen in eine andere Realität führen sollten. Die Erfindung des Panoramas reicht bis ins späte 18. Jahrhundert zurück. Federführend soll dabei der Ire Robert Barker gewesen sein, der 1787 ein Patent darauf anmeldete. Darin definierte er das Panorama wie folgt: „an entire view of any country or situation, as it appears to an observer turning quite round”.
Illusion an der Grenze zwischen Kunst und Unterhaltung
Das Panorama selbst nahm viel Platz und Raum ein: Ganze Gebäude aus Holz etwa mussten dafür gebaut werden. Architekten, die sich für die Konstruktion jener neuartiger Illusionen begeisterten, entpuppten sich dafür als Schlüsselfiguren. Sie arbeiteten mit Malern zusammen, die die riesigen Gemälde anfertigten, die notwendig waren, um das Panorama auszukleiden. Im Falle des Georamas, einer Imitation der Erde, wurde gar eine begehbare Kugel gebaut.
Das Bürgertum will die Welt erkunden
Die aufwendige Herstellung dieser Objekte musste durch ein zahlungsfähiges Publikum wieder ausgeglichen werden; dieses ließ sich im aufstrebenden Bürgertum finden. Jene Schicht sehnte sich nach Abenteuern und neuen Erfahrungen, vermied es damals jedoch, die mühsamen Strapazen einer echten Reise antreten. Außerdem bestand ein verstärktes Interesse daran, sich näher mit der Welt und ihren wissenschaftlichen Hintergründen auseinanderzusetzen. Das Panorama war ein Medium, in dem die Wissensvermittlung, Unterhaltung und Kunst miteinander vermischt wurden. Es gilt als eines der Vorläufer des Films und lässt sich aus heutiger Sicht auch als ein Vorläufer von Virtuellen Realitäten (VR) verstehen. Hier sind bereits alle Elemente einer immersiven Erfahrung enthalten. Doch wenn die Menschen im 19. Jahrhundert schon bei runden Gemälden ins Staunen geraten sind, was hätten sie dann zu Brillen gesagt, die sie in neue Dimensionen entführen?