Heute kaum noch vorstellbar, aber in den späten 70ern ein riesiger Trend: Der Hobbyfunk revolutionierte die Art, mit der Menschen miteinander kommunizierten. Zwar war das Hobby für lange Zeit ein Nischenthema, aber es eilte unseren heutigen sozialen Netzwerken bereits in seiner Verbindungsfähigkeit voraus.
Mit der Lizenz zum Funken
Man brauchte nicht mehr als eine kleine Radiostation, schon konnte man sich einwählen und losfunken. Was den Hobbyfunk so faszinierend macht, ist seine Beständigkeit: Hobbyfunker gab es in Deutschland bereits in den 1920ern, aber sie waren wenige und die notwendigen Lizenzen rar. Deswegen gab es bereits gleich zu Beginn eine lebendige Szene von Hobbyfunkenden, die sich illegal in der Welt der Funkwellen umhertrieben. Von da an etablierte sich der Amateurfunk in Deutschland und es experimentierten Menschen im Zivilen mit einer Technologie, die sie im Verborgenen durch unsichtbare Wellen miteinander sprechen ließ.
Im Dritten Reich wurde die Vergabe von Lizenzen dann vereinfacht und es gab einen kleinen Funk-Boom, wobei mit dem Kriegsbeginn die Lizenzen wieder zurückgezogen wurden. Unter den Alliierten gab es schließlich ein komplettes Verbot der Funkanlagen im Privatgebrauch. Doch mit der Gründung der beiden deutschen Staaten entwickelte sich auch wieder eine Community von Hobbyfunkern, die bis heute weiterhin rege am Funken ist.
Der Amateurfunk beruht auf einfacher Funktechnologie, die auf UKW-Frequenzen sendet. Um hier teilnehmen zu dürfen, regelt seit Gründung der BRD ein Bundesgesetz den Zugang zu diesen Frequenzen. Während alle Teilnehmenden mit entsprechendem Equipment zuhören dürfen, darf nur senden, wer auch eine entsprechende Prüfung abgelegt hat. Hinzu kam in weiten Teilen der deutschen Geschichte eine zu zahlende Lizenzgebühr. Nur mit der Lizenz zum Funken konnten die Menschen sich frei über den Äther austauschen. Damit war der Zugang zum Amateurfunken immer schon staatlich reguliert, bis in der 70ern offiziell Bandbreiten freigegeben wurden.
Was so banal klingt, eröffnete einer ganz neuen Bewegung die Möglichkeit, über eine große Distanz hinweg mit fremden Menschen in Kontakt zu treten. Der Hobbyfunk war damit eine Kommunikationsrevolution, die uns bis heute prägt.
Citizen Band: Der Hobbyfunk wird populär
In den 70ern wurde durch den sogenannten CB-Funk (Citizen Band Funk) aus dem Hobby ein Phänomen von größerem Einfluss auf die Gesamtgesellschaft. Jetzt, wo keine Lizenz mehr notwendig war, durften sich CB-Funker auf bestimmten Frequenzen frei austauschen. So entstanden wilde Dialoge, zotige Chatrooms und grenzüberschreitende Gespräche. Zwar erreichten die CB-Funker nur begrenzt Reichweite, doch es entstand ein engmaschiges Netz von Funktürmen und Antennen, die das Funknetz durch private Anwender weiter ausbauten. Noch bevor es das Internet gab, entstand so ein dichtes Geflecht von Menschen, die anonym miteinander in Kontakt traten.
Der anonyme Raum eröffnete die Möglichkeit, auch über streitbare Themen zu sprechen: Gewaltfantasien konnten hier in den Äther gebrüllt werden, Verschwörungstheorien oder auch radikale politische Meinungen hatten hier ihren gut kaschierten Platz. Auf dem Höhepunkt der Popularität von CB-Funk gab es sogar Songs in der Hitparade. So sang Gunter Gabriel in den späten 70ern „Ich bin CB-Funker“ und berichtete von seinen Abenteuern auf den Kurzwellen. Was verwundert: Es geht in einer speziellen Funksprache zu, die aber zugleich auch sexualisiert ist. So singt Gabriel: „Hier Schwarze Witwe. Bin unheimlich QRV!“. Übersetzt sagt die Teilnehmende hier, dass sie funkbereit ist. Was das genau bedeutet, kann man sich nur ausmalen. Die Abkürzung mit dem Q am Beginn haben die Hobbyfunker sich bei den Morsezeichen entliehen, hier gibt es eine große Zahl von sogenannten Q-Schlüsseln. Sie bezeichnen Abkürzungen mit einem Q beginnend, die komplexere Fragen abkürzen. Die Hobbyfunker übersetzen diese in gesprochene Sprache. Ein wenig so, als würden wir ein „lol” heute laut aussprechen. Funker haben damit eine eigene Sprache, die sich für Außenstehende nur schwer erschließt.
War Hobbyfunk ein frühes soziales Medium?
Was passiert, wenn viele Menschen sich in einem neuen, anonymen Medium treffen? Der Hobbyfunk hat viele Gemeinsamkeiten mit den sozialen Medien, wie wir sie heute kennen. So fällt auf, dass sich die Funkenden hier mit Alias-Namen melden. Schwarze Witze könnte fast ein Name in einem Chatroom oder ein Instagram-Account sein. Hier liegt eine Gemeinsamkeit mit späteren Formen sozialer Medien vor, die ebenfalls auf Alias-Namen setzen und eine spezifische Sprache herausbilden. Hier zeigen sich Parallelen zu den Debatten der Gegenwart, wenn es um Telegram-Gruppen und Messenger-Dienste geht, die den Austausch außerhalb nachvollziehbarer, öffentlicher Kommunikationswege ermöglichen. So lässt sich auch festhalten, dass Funkwellen eine Art Proto-Chatroom waren. In der Geschichte der sozialen Medien sind sie jedenfalls ein Phänomen, das andeutet, was durch das Internet später möglich wird.