In Europa experimentierten zwei sizilianische Ärzte mit der ersten Schönheitsoperation der Nase – ohne Betäubung. Ein schmerzhaftes Geschäft mit der Eitelkeit. Gustavo und Antonio Branca gelten als die Pioniere der Schönheitsoperationen in Europa. Die Sizilianer verfeinerten Methoden, die in Asien schon seit tausenden von Jahren angewandt wurden. Ihr Geschäft ist noch nicht die Perfektion, sondern die Rekonstruktion: Seine Nase verlor man im 15. Jahrhundert in Kämpfen oder durch die Syphilis.
Gustavo Brancas Sohn war auf Abwegen. Der junge Antonio war auf dem Weg, ein geachteter Chirurg zu werden, so wie sein Vater. Nasenoperationen hatten den Sizilianer im 15. Jahrhundert berühmt gemacht. Gustavo half Menschen, die ihre Nase an die neue Französische Krankheit verloren hatten, in einem Duell oder im Kampf. Seine Methode hielt er geheim, so hatten die Brancas in Europa lange Zeit ein Monopol auf die Rekonstruktion von Nasen. Der Eingriff war schmerzhaft, funktionierte aber in den meisten Fällen: Branca schnitt seinen Patienten einen Hautlappen aus der Stirn und ließ ihn an einer Seite
mit dem Kopf verbunden, um die Blutversorgung zu erhalten. Anschließend zog er die Haut über die beschädigte Nase. Auf der Stirn blieb die Narbe der abgezogenen Haut zurück. Für Gustavo Brancas Eingriffe reisten wohlhabende Kunden durch ganz Italien, wie heute Briefe belegen.
Der Wunsch nach Normalität treibt die Methodik voran
Gusatvo Brancas Sohn, Antonio Branca, wollte seinen Patienten die Entstellung nehmen, so schreiben es die Ärzte Isabella und Riccardo Mazzola in einem Forschungsaufsatz. Haut hat der Mensch ja genug, warum sollte sie also ausgerechnet von der Stirn kommen? Blieb das Problem der Blutversorgung. Denn Haut wächst nicht einfach an, wenn man sie an einer Stelle abzieht und sie dann auf eine offene Wunde setzt. So findet sie keine Verbindung, schrumpelt zusammen und stirbt schließlich ab.
Antonio musste also weiterhin die Blutversorgung erhalten, bis die Heilung weiter fortgeschritten war. Der junge Branca ersann eine Methode, die uns heute wie Wahnsinn und Folter vorkommen mag. Er wählte den Arm, schnitt wieder einen Hautlappen aus, ließ ihn, wie sein Vater, an einer Seite mit dem Körper verbunden. Dann fixierte er den Arm seines Patienten vor dem Kopf und zog die Haut über die verlorene Nase. Der Arm blieb viele Tage in dieser Position fixiert. Der Eingriff gelang in vielen Fällen. War die Haut erfolgreich angewachsen, löste Antonio die Verbindung und der Patient konnte seinen Arm wieder frei bewegen. Dieses Vorgehen ist heute unter dem Begriff „italienische Methode” bekannt. Detaillierte Bilder hinterließ im späten 16. Jahrhundert der Chirurg Gaspare Tagliacozzi.
Das junge Geschäft mit dem Stolz
Das Geschäft der Brancas aus Sizilien war nicht die Veränderung oder die Anpassung an Moden. Ihr Geschäft war die Rekonstruktion des Verlorenen, die Wiederherstellung der Ehre und des Stolzes. Sie nahmen den Menschen die Demütigung, denn eine Nase verlor man in Europa meist durch Krankheit oder Krieg. Dieses Symbol der Schwäche tilgten die Chirurgen.
Aus westlicher Perspektive begründeten die sizilianische Ärzte die plastische Chirurgie. Doch tatsächlich stammte ihre Methode wahrscheinlich aus Aufzeichnungen aus dem arabischen Raum. Vielleicht war Gustavo Branca an eine Ausgabe der Sushruta Samhita gelangt, ein Nachschlagewerk, das ein indischer Arzt der Welt hinterlassen hatte. In Indien ist das Abschneiden der Nase bis heute eine gängige Strafe, um Diebe oder Ehebrecherinnen zu entstellen. Und schon die alten Ägypter hatten vor inzwischen mehr als 3000 Jahren Nasen rekonstruiert, und zwar so, wie die Brancas es im 15. Jahrhundert taten. Immer war es die Not und die Verletzung des Stolzes, die die Methodik vorantrieb. Das sollte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ändern.