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Worldcoin: Universelles Grundeinkommen oder Daten-Kolonialismus?

Worldcoin verspricht eine gerecht verteilte globale digitale Währung, die jedem Menschen auf der Erde kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Aber unter dem Glanz dieses ehrgeizigen Projekts lauern bedenkliche Datenschutzpraktiken und ein zunehmend instabiler Kryptomarkt. 

Die Idee hinter Worldcoin

Im Jahr 2019 gründeten Alex Blania und OpenAI-CEO Sam Altman Worldcoin mit dem ehrgeizigen Ziel, ein globales Identitäts- und Finanznetzwerk zu schaffen, das jedem Menschen auf der Erde gehören soll. Das System besteht aus einer digitalen Identität, genannt World ID, die von einem Iris-Scanner namens “Orb” erfasst wird. Fun Fact: Der Orb wurde hier in Deutschland in Erlangen entwickelt.

Die Teilnehmer:innen erhalten im Gegenzug eine bestimmte Anzahl an Worldcoins (WLD), einer neuen digitalen Währung, die bei erfolgreicher Anwendung eine Vielzahl von Vorteilen bieten könnte, einschließlich einer möglichen Lösung für das universelle Grundeinkommen mittels künstlicher Intelligenz – so zumindest die Idee der Gründer. 

Einen besseren Zugang für alle Menschen zur globalen Wirtschaft bieten – das ist die ambitionierte Mission hinter Worldcoin. Abrufbar soll das globale Identitäts- und Finanznetzwerk durch die Worldcoin App sein. Bild: Worldcoin

Die Umsetzung in Deutschland – Bereits seit Juni 2023 verfügbar

Nach der Einführung von Worldcoin in Deutschland dieses Jahr im Juni ist das System derzeit in Städten wie München und Berlin verfügbar, wo Menschen ihren Augapfel scannen lassen können, um ihre menschliche Identität im Internet nachzuweisen. Worldcoin betont, dass seine Technologie im Einklang mit den deutschen und europäischen Datenschutzgesetzen verwendet wird, doch Datenschützer:innen warnen regelmäßig davor, biometrische Daten wie Fingerabdrücke oder Irisscans erfassen und bei nicht-staatlichen Institutionen deponieren zu lassen. Denn langfristig könnte das Unternehmen die größte Datenbank an biometrische Daten besitzen und vermutlich daraus auch finanzielle Vorteile ziehen. 

Die Auswirkungen von Worldcoin werden jedoch jenseits der etablierten westlichen Märkte deutlicher. Das Startup hat seine Technologie in Entwicklungsländern wie Indonesien, Kenia, Sudan, Ghana und Chile eingesetzt. Die Menschen vor Ort, viele davon in prekären finanziellen Situationen, ließen ihre biometrischen Daten im Austausch für Belohnungen erfassen, die von Bargeld und Worldcoin-Token bis hin zu Versprechen zukünftigen Reichtums reichten.

Ein Scan der Iris mit dem sogenannten “Orb” verschafft Interessierten eine World ID und einen Anteil an Worldcoin. Langfristig könnte das Unternehmen so die größte Datenbank an biometrische Daten besitzen und vermutlich auch finanzielle Vorteile daraus ziehen. Bild: Screenshot YouTube

Die Kritik und Bedenken: Kolonialismus 2.0

Eine Untersuchung des MIT hat erhebliche Diskrepanzen zwischen Worldcoins öffentlicher Botschaft, die auf den Schutz der Privatsphäre abzielte, und den Erfahrungen der Nutzer:innen aufgedeckt: Das Unternehmen sammelte mehr persönliche Daten, als es zugab, und es versäumte, eine bedeutungsvolle informierte Zustimmung dafür einzuholen. Dies könnte gegen diverse Gesetze, unter anderem auch die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union (DSGVO) verstoßen.

Pete Howson, ein leitender Dozent an der Northumbria University, bezeichnete die Aktionen von Worldcoin als eine Art Krypto-Kolonialismus, bei dem Blockchain- und Kryptowährungsexperimente marginalisierten Gemeinschaften aufgezwungen werden. Biometrie war bereits im alten China und auch zu Kolonialzeiten ein wichtiges Machtinstrument. Mit der Erfassung einer so immensen weltweite Datenkammer entsteht quasi vor den Augen der Politik ein neuer unsichtbarer Staat – geleitet von den Tech-Fürsten aus dem Silicon Valley. Worldcoin wiederum sagt, dass es vollständig konform mit der GDSGVO ist und sich bei der Bayerischen Datenschutzbehörde registriert hat.

Als erstes Land der Welt hat Kenia Anfang August der Digitalwährung nun alle Aktivitäten im Land untersagt. Das Verbot bleibe so lange bestehen, bis das Ministerium feststellt, dass „keinerlei Risiken für die Allgemeinheit bestehen“, hieß es aus Kenias Innenministerium.

Auch in Frankreich und Großbritannien wird das Projekt bereits geprüft, und in Deutschland haben das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht sowie die Finanzaufsicht Bafin angekündigt, Worldcoin genau unter die Lupe zu nehmen.

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Technische Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Neben den ethischen Fragen gibt es auch praktische Herausforderungen. Für einige Testnutzer:innen und Orb-Betreiber:innen funktioniert Worldcoin schlichtweg nicht gut. Manchmal liegt das an Problemen mit dem Orb selbst, der anfällig für Fehlfunktionen ist und oft mehrere Versuche benötigt, um das Gesicht einer Person zu erkennen.

Diese technischen Hürden, gepaart mit den ernsthaften Datenschutzbedenken und der Volatilität des Kryptomarktes, stellen erhebliche Hürden für Worldcoins Vision dar. Trotz der Kontroversen und Herausforderungen ist das Ziel, ein universelles Grundeinkommen zu schaffen, ein lohnenswertes Bestreben. Es bleibt nur zu bezweifeln, dass Worldcoin dafür der richtige Weg ist.

Mehr zum Thema Daten-Kolonialismus könnt ihr übrigens auch in diesem Interview mit den Professoren Nick Couldry und Ulises A. Mejias nachlesen. Und wenn ihr euch weiter zum Trend Biometrie informieren möchtet, dann könnt ihr hier mehr lesen.