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Kompendium: Outsourcing

Die Zukunft ist rosig für Lernfaule: Nachdem wir unser gesamtes Wissen online abgespeichert haben, müssen wir uns nichts mehr selbst beibringen. Wie praktisch, als es auch noch Forschern gelingt, unsere Erinnerungen zu digitalisieren und uns als eine Art KI wiederzuerwecken.

Kompendium

Outsourcing bedeutet das Aus- und Verlagern von Warenproduktion, Dienstleistungen, Wissen oder auch IT einer Firma an externe Produktions- oder Dienstleister verstreut um die halbe Welt und bis in die Cloud. Dieses Konzept funktionierte schon vor circa 500 Jahren mit der Ausbeutung von Kolonien; heute sollte es aber nach ethischen Richtlinien stattfinden. In der Zukunft lagern wir einfach unseren Geist aus, der als KI wieder aufersteht.

Kompendium: Outsourcing

Warum nicht gleich einen ganz Staat auslagern? Die East India Company macht vor, wie man sich als „Firmenstaat“ in anderen Ländern breitmacht und sie zu Kolonien degradiert.

Kompendium: Outsourcing

Qualität hat ihren Preis, alles andere wird in Entwicklungsländer outgesourct. Reiche Länder wollen konsumieren, Warenströme fließen um die Welt, auch auf Kosten der lokalen Bevölkerung. 

Kompendium: Outsourcing

Faire Produktionsbedingungen und Lieferkettentransparenz – Outsourcing geht auch in gut. Heute heißt diese Strategie Ethical Sourcing und will die Hersteller in die Verantwortung nehmen: Ressourcen dürfen nicht rücksichtslos ausgebeutet werden und auch die Arbeiter vor Ort müssen nach ethisch vertretbaren Richtlinien behandelt werden.

Kompendium: Outsourcing

Maschinen lernen selbständig und werden immer ausgereifter dabei. Doch sind ihre Resultate so schöpferisch kreativ wie die eines menschlichen Künstlers? Können wir Kreativität an eine KI outsourcen? Ein Streifzug durch die Welt der künstlichen neuronalen Netzwerke.

Kompendium: Outsourcing

The Wealth of Nations in Indien: Das Imperium outsourcen

Kompendium: Outsourcing

The Wealth of Nations in Indien: Das Imperium outsourcen

In diesem Gemälde ist der Moment festgehalten, in dem Lord Cornwallis die Söhne des Tipoo Sultans als Geiseln empfängt. Foto: Robert Home.

Warum nicht gleich einen ganz Staat auslagern? Die East India Company macht vor, wie man sich als „Firmenstaat“ in anderen Ländern breitmacht und sie zu Kolonien degradiert.

Es ist das Jahr 1776 und der schottische Ökonom Adam Smith veröffentlicht an der Universität Glasgow seine Regel von Angebot und Nachfrage des Marktes, der Selbststeuerung der Wirtschaft durch eine „unsichtbare Hand“. Der exzentrische Kauz Smith ist eigentlich Professor für Moralphilosophie, dank eines lukrativen Jobs als Privattutor weit gereist und trifft dabei unter anderem Voltaire und Rousseau, zwei der bedeutendsten französischen Philosophen der Aufklärung.

Das Profil von dem Ökonom Adam Smith der den Klassiker “The Wealth of Nations” verfasste. Illustration: Cadell and Davies.

Den Begriff  „Outsourcing“ gibt es zu dieser Zeit noch nicht. Doch dafür legt Smith den Grundstein mit seiner Theorie zum internationalen Handel: „Wenn uns ein fremdes Land mit einer Handelsware versorgen kann, die günstiger als unsere eigenproduzierte ist, dann kaufen Sie sie besser mit einem Teil der Produkte unserer eigenen Industrie, die so eingesetzt werden, dass wir einen gewissen Vorteil haben.“ So lautet ein Zitat aus seinem berühmtesten Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations”, kurz „The Wealth of Nations”, bis heute ein Klassiker der Ökonomie.

 

Ausbeutungsmonopol mit Methode 

Adam Smiths Theorie kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt: Bereits ab dem 15. Jahrhundert suchen europäische Länder nach neuen Einnahmequellen in fernen Ländern. Smiths Buch untermauert ihre Bestrebungen mit einem soliden Fundament. Das British Empire treibt es noch weiter als alle anderen souveränen Staaten: Nicht nur lagert es seine Produktion nach Indien aus, vielmehr nutzt das Empire für seine Zwecke ein börsennotiertes Unternehmen, das an Stelle eines Staates agiert: die East India Company. Die tut sich in ihren Bestrebungen rühmlich,oder auch weniger rühmlich,hervor. Sie „herrscht“ über die indische Kolonie und beutet die Ressourcen als Monopolist aus. Auch verteidigen darf sie ihren Handelsstatus, da sie dafür bereits 1600 eine Lizenz von der Queen erworben hatte. Gegründet wird sie als monopolistisches Handelsorgan, damit das British Empire in den Gewürzhandel in Ostindien einsteigen kann und gleichzeitig einen Kapitalfluss zurück nach England garantiert. Vom Durchsetzen der Belange der britischen Händler entwickelt sie sich schnell zu einem der größten Arbeitgeber in Großbritannien und zum mächtigsten multinationalen Konzern der damaligen Welt, einem Handlanger des britischen Imperialismus.

Die Belange des Staats outsourcen

Auf dem Bild zu sehen ist der indische Kaiser Jahangir, der einen Höfling mit einer Ehrenrobe ausstattet, unter Beobachtung von Sir Thomas Roe, dem englischen Botschafter am Hof von Jahangir in Agra von 1615 bis 1618. Bild: As’af’Ibadallah Al-Rahim.

Die East India Company fungiert als Unternehmen und Staat zugleich, treibt Steuern von der lokalen Bevölkerung ein, spricht Recht und unterhält sogar eigene Armeen. Selbst eigene Währungen mit passenden Münzen gibt es in den verschiedenen indischen Provinzen. Diese Form der Kolonialisierung durch einen „Firmenstaat“ hat Methode. Im Jahr 1720 ist die East India Company der größte Akteur auf dem Weltmarkt. Ihr Erfolg bringt andere Nationen wie Deutschland und Belgien dazu, das Konzept mehr oder weniger erfolgreich zu kopieren.

Letztendlich verliert die East India Company 1833 ihr Handelsmonopol und wird verstaatlicht – und später noch viel mehr. Es kann schließlich nicht angehen, dass ein kommerzielles Organ „Souveränität über eine größere Bevölkerung ausübt, mit höheren Einnahmen und einer größeren Armee [als der britische Staat]”, so der zeitgenössische Historiker Thomas Babington Macaulay. 1858 endlich tritt die Company ihre Herrschaft über Indien an die britische Krone ab. Diese Art der Public-Private-Partnerschaften in fernen Ländern überdauert jedoch die Jahrhunderte. Adam Smiths Umschreibung des Outsourcings hallen uns 200 Jahre später noch nach. Aber erst in den 1990er-Jahren bringt es der österreichisch-amerikanische Management-Berater Peter Drucker geschmeidiger auf den Punkt: „Do what you do best and outsource the rest!“

Weiterlesen Outsourcing als Wegbereiter für globale Warenströme
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Outsourcing als Wegbereiter für globale Warenströme

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Outsourcing als Wegbereiter für globale Warenströme

Foto: Christian Diokno.

Qualität hat ihren Preis, alles andere wird in Entwicklungsländer outgesourct. Reiche Länder wollen konsumieren, Warenströme fließen um die Welt, auch auf Kosten der lokalen Bevölkerung. 

Viele Unternehmen in Industrienationen beginnen in den 1970er-Jahren ihre Warenproduktion aus Kostengründen in Entwicklungsländer zu verlagern. In der Mode zum Beispiel beginnt dies in den „Swinging Sixties“ mit dem Aufkommen von immer neuen Fashion-Trends und Gimmicks, die die Konsument*innen begehrlich aufnehmen. Das verlangt nach neuen, immer schnelleren und günstigeren Produktionsstrukturen. Modelabels wie H&M verlagern ihre manuelle Produktion in unabhängige Textilfabriken in Ost- oder Südeuropa, später in asiatische Billiglohnländer wie Bangladesch, Kambodscha oder Sri Lanka. Das, was wir unter Fast Fashion verstehen, hat bereits damals seinen Ursprung: möglichst schnell Modetrends aus den Luxury-Segment erkennen und die entsprechende, danach designte Ware noch schneller in die Shops bringen. Das Auslagern der Produktion an günstige Standorte ist es, was H&M zu einem weltweiten Aufstieg verhelfen wird und damit auch zu einem Boom des Fast Fashion. 

„Do what you do best and outsource the rest!“

Modelabels wie H&M verlagern ihre manuelle Produktion in unabhängige Textilfabriken in Ost- oder Südeuropa, später in asiatische Billiglohnländer wie Bangladesch, Kambodscha oder Sri Lanka. Foto: Fernand De Canne.

Auch wenn Firmen wie H&M seit den 1970ern bereits so arbeiten, wird erst 1981 zum ersten Mal der Begriff Outsourcing in einem Artikel der amerikanischen Business Week benutzt. Er beschreibt die Entwicklung in der Autoindustrie, bei der Facharbeit ins Ausland verlagert wird, mit Outsourcing, kurz für „outside sourcing“. Zehn Jahre später etabliert sich Outsourcing als offizielle Business-Strategie. Und keiner fasst das besser in Worte als Peter Drucker. Der Amerikaner mit österreichischen Wurzeln gilt als der Vater der modernen Management-Denkweise. Das Prinzip des Outsourcings erklärt er mit einem Ladengeschäft: Eine Firma sollte sich im Empfangszimmer nur mit den geschäftsrelevanten Dingen befassen, die kritisch für das Kerngeschäft sind. Die Aktivitäten im Hinterzimmer sollte sie anderen Firmen überlassen, als Aufgaben wiederum in deren Vorderzimmer.

Vom Outsourcing zum Backsourcing

 Zwischenzeitlich, in den 2000ern, kristallisiert sich allerdings eine Gegenbewegung zum Outsourcing heraus, denn nicht für alle Unternehmen geht die Strategie auf: In den Produktionsländern steigen die Löhne, es gibt Kommunikationsprobleme oder auch eine schwierige politische Lage vor Ort. Nicht zuletzt sind es die Verbraucher*innen, die dafür mehr und mehr ein Bewusstsein entwickeln.

Viele Unternehmen in Industrienationen beginnen in den 1970er-Jahren ihre Warenproduktion aus Kostengründen in Entwicklungsländer zu verlagern. Foto: Kelly Lacy.

Manche Firmen beschließen, Teile ihrer Produktion wieder in-house zu verlegen. 2008 ermitteln die Wirtschaftsprüfer von Deloitte in einer Umfrage, dass 70 Prozent der befragten Unternehmen die eine oder andere negative Erfahrungen mit Outsourcing gemacht haben. 25 Prozent der Firmen „backsourcen“ sogar konkret ihre bislang outgesourcten Leistungen

Heute produziert die Luxusmarke Louis Vuitton etwa Teile ihrer Kleidung und Schuhe in Rumänien, doch der finale Produktionsprozess wird in Italien ausgeführt. Eine schlankere Fertigung verspricht sich auch das Luxuslabel Gucci: Es möchte die Lederherstellung wieder in-house ansiedeln, um so 50 Prozent der Produktionsdauer einzusparen. Ein gutes Beispiel ist auch die Luxusmarke Burberry. Nach einer strategischen Neupositionierung als britische Traditionsmarke entschied sie sich, bestimmte Produktionslinien zurück nach Großbritannien zu holen, um die Handwerkstradition auch authentisch an ihre Kunden*innen zu vermitteln.

Ist das nun das Ende des Outsourcings, wie wir es kennen? Es braucht auf jeden Fall nachhaltige Alternativen. In der Modeindustrie kommt etwas Neues auf: das Ethical Sourcing.

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Hat nicht nur eine ethische Dimension: Ethical Sourcing

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Hat nicht nur eine ethische Dimension: Ethical Sourcing

Foto: Ksenia Chernaya.

Faire Produktionsbedingungen und Lieferkettentransparenz – Outsourcing geht auch in gut. Heute heißt diese Strategie Ethical Sourcing und will die Hersteller in die Verantwortung nehmen: Ressourcen dürfen nicht rücksichtslos ausgebeutet werden und auch die Arbeiter vor Ort müssen nach ethisch vertretbaren Richtlinien behandelt werden.

Der Trend zur fair produzierter Mode aus nachhaltigeren Materialien hat in den letzten Jahren viel Auftrieb erhalten. Aber erst ein äußeres, weltumspannendes Ereignis wie die Coronavirus-Pandemie 2020 mit Lockdowns in vielen Ländern führt vielen Konsumierenden noch einmal deutlicher vor Augen, wie wenig sie eigentlich im Alltag benötigen. Der Kreislauf des ständigen Shoppings ist, zumindest für kurze Zeit, unterbrochen. Umso mehr rücken beim Thema Outsourcing faire und nachhaltige Produktionsbedingungen in den Vordergrund. Outsourcing in gut hat nun auch einen Namen: Ethical Sourcing als Strategie bedeutet nicht nur faire und sichere Konditionen von Arbeitnehmern*innen, sondern auch eine ressourcenschonende Gewinnung der Rohmaterialien, eine umweltbewusste Herstellung sowie Transparenz in der Lieferkette sind dafür Bedingungen.

Nachhaltige Baumwolle und lokale Handarbeit

Wie das gehen kann, zeigt etwa das Berliner Modelabel Miroïke, bestehend aus Ulrike Seidel und Ramiro Calderón Alvarado. Zunächst lagert das Unternehmen nach seiner Gründung 2004 Teile der Produktion, darunter Stricksachen, nach Osteuropa aus. Doch später entscheidet

Miroïke, das ist Künstler Duo bestehend aus Ulrike Seidel und Ramiro Calderón Alvarado. Foto: Ufuk Ucta.

sich das Duo dagegen: Sie wollen keine langen Wege mehr, einen kleineren CO2-Fußabdruck und mehr lokale Handarbeit direkt in Berlin.

Ethical Sourcing bedeutet für Miroïke nur Materialien aus Europa zu verwenden sowie nachhaltige Baumwolle zu verarbeiten. Ihre Schuhe bestehen aus pflanzlich gegerbtem Leder inklusive Ledersohle und werden nur auf Bestellung produziert, um eine Überproduktion zu vermeiden. „Das gibt es bei Damenschuhen so nicht ohne weiteres. Ansonsten verzichten wir soweit wie möglich auf Kunststoffe und Kunstfasern. Beispielsweise haben wir die Schuhausgleichmasse für die Montage selbst aus dem Holzschleifstaub der Absätze und lösungsmittelfreien Leim hergestellt“, erläutern Ulrike und Ramiro.

„Die Zeit des Überangebots geht in eine Neustrukturierung der Wertschöpfungsketten über“

Das Prinzip von Fast Fashion hat sich überlebt, sagen sie: „Von seiner Reputation, über das Corporate Social Responsibility, die Circle Value Chain bis hin zum hoffentlich bald in Kraft tretenden Lieferkettengesetz.“ Das geplante Gesetz soll Unternehmen verpflichten, soziale und ökologische Mindeststandards in ihren Lieferketten weltweit sicherzustellen – idealerweise noch in dieser Wahlperiode. Die beiden fahren fort: „Die Nachhaltigkeit im sozialen, ökologischen und materiellen Sinn ist derzeit die Maßregelung für die Ökonomie. Das bedeutet eine kräftige Werteverschiebung und eine Chance. Die Zeit des Überangebots geht in eine Neustrukturierung der Wertschöpfungsketten über.“

Ethical Sourcing bedeutet nur Materialien aus Europa zu verwenden sowie nachhaltige Baumwolle zu verarbeiten. Foto: Cottonbro.

Mehr Eigenverantwortlichkeit für Designer*innen 

Deshalb arbeitet Miroïke an etwas Neuem, das bewussten Designer*innen mehr Kontrolle über den eigenen Vertrieb geben soll: eine Art genossenschaftliche Vertriebsplattform, online unter dem Namen „designers-own“. Die Idee ist „designer für designer“, eine Verkaufsplattform im Internet, die Mode, Schuhe, Accessoires und sonstige Designprodukte bündelt. Die Designer*innen haben selbst Zugriff auf ihre Produkte, die Webseite bietet hierfür den Rahmen. Das Duo erzählt: „Wir wollen damit eine Plattform für lokale Designer*innen ermöglichen, um mit einer gemeinsamen Stimme zu agieren. So wird eine gebündelte Auswahl an Designprodukten verschiedener Marken aus der Region für die Kunden*innen erlebbar.“

Das Duo will die Strukturen für Fashionlabels verändern. Längst ist Outsourcing auch in anderen Branchen nicht mehr zeitgemäß und muss sich für alle verträglich weiterentwickeln. Zum Beispiel an eine KI.

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Artificial Creativity: Kunst outsourcen an die KI?

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Artificial Creativity: Kunst outsourcen an die KI?

Beim Deep Learning nutzen Entwickler*innen künstliche neurale Netzwerke, die die Funktion von Gehirnzellen imitieren und vernetzt arbeiten. Das Interessante dabei ist: Einmal losgelassen trainieren die Maschinen sich selbst, als würden sie ein Eigenleben entwickeln. Foto: Alina Grubnyak.

Maschinen lernen selbständig und werden immer ausgereifter dabei. Doch sind ihre Resultate so schöpferisch kreativ wie die eines menschlichen Künstlers? Können wir Kreativität an eine KI outsourcen? Ein Streifzug durch die Welt der künstlichen neuronalen Netzwerke.

KI kann alles, jetzt auch Kreativsein: Es gibt KI-Modelabels wie Glitch, entstanden aus dem MIT, Webdesign von einer KI, jede Menge KI-Kunst und selbst einen künstlichen Komponisten namens MuseNet, der auf Knopfdruck vier Minuten lange Metalstücke komponiert. Dürfen sich die Künstler*innen bald zurücklehnen und der Künstlichen Kreativität das Feld der Schöpfung überlassen, es sozusagen an diese outsourcen? 

Muster erkennen für eine bestmögliche Imitation

Das Ergebnis eines durch einen Algorithmus veränderten Portraits durch Google’s Deep Dream Generator. Foto: Deep Dream Generator.

Machine Learning ist in den letzten Jahren eines der spannenden Felder, in dem Künstliche Intelligenz vorangetrieben wird: Bei diesem Ansatz lernen Algorithmen anhand von Trainingsdaten, Muster zu erkennen und diese auf ihnen unbekannte Daten anzuwenden. Dabei wird zwischen zwei unterschiedlichen Lernmethoden unterschieden: Dem überwachten Lernen, bei dem die Resultate vorgegeben werden, um zu lernen, und dem unüberwachten Lernen, bei dem ein selbstlernender Algorithmus eigenständig Kategorisierungen anhand der Daten entwickeln soll.

Das Lernspiel der künstlichen Netzwerke 

Ein wenig abgewandelt läuft es beim Deep Learning ab, eine Unterart des Machine Learnings. Diese Methode generiert in letzter Zeit ziemlich spannende Ergebnisse. Beim Deep Learning nutzen Entwickler*innen künstliche neurale Netzwerke, die die Funktion von Gehirnzellen imitieren und vernetzt arbeiten. Das Interessante dabei ist: Einmal losgelassen trainieren die Maschinen sich selbst, als würden sie ein Eigenleben entwickeln. Wir wissen nicht genau, was in ihnen dann im Laufe des Spiels passiert. Aber wir sehen ihre originellen Resultate. Noch wilder wird es bei Generative Adversarial Networks oder (GAN). Hier spielen zwei künstliche neuronale Netze gegeneinander: Der eine versucht den anderen mit selbst generierten Daten zu täuschen: Ziel des Games ist, dass das gegnerische Netz die hervorgebrachten Resultate nicht mehr von den Trainingsdaten unterscheiden kann. Die Netze versuchen sich also gegenseitig zu überlisten und erzielen dabei immer lebensechtere Ergebnisse, auch unter realistischen Bedingungen. GPT-3 etwa ist ein Open-Source-Sprachmodell, das mit Hilfe von Deep Learning journalistische Artikel mittlerweile so gut generieren kann, dass sie sich nicht immer eindeutig von

Der Algorithmus pix2pix generiert aus einer beliebigen Zeichnung ein realistisch anmutendes Foto, das es allerdings so nie gegeben hat. Screenshot: Verena Dauerer.

Menschenhand verfassten Texten abgrenzen lassen.

Zufallsprodukte werden erst im Auge des Betrachters schön

Können nun künstliche neuronale Netzwerke Mode, Kunst oder Design so täuschend echt nachahmen oder gar selbst kreative Werke aus ihrem Lernspiel ganz frei ohne menschliches Zutun generieren? Ja und nein. Patrick Hebron, Leiter der Machine Intelligence Design Group beim Softwarehersteller Adobe, erklärte es kürzlich auf der dai, einer Konferenz zum Thema KI und Design: Das künstliche Netz spiele tausendfache, ja millionenfache Iterationen durch und generiere so experimentelle Resultate. Es kreiere reine Zufallsprodukte. Für wahre Kreationen fehle dem System jedoch der kulturelle Background, ja, ein ganzes Menschenleben an Erfahrung in der Welt, so Hebron. Auch kann das System nicht unterscheiden, ob seine Kreationen unter menschlichen Gestaltungsmaßstäben und Geschmäckern nun mehr oder weniger gelungen sind.

Das menschliche Schaffen nicht ersetzen, aber erweitern

Das ist Ai-Da, eine KI in Gestalt eines lebensecht wirkenden Roboters der britischen Firma Engineered Arts, welcher sich auf Sprachroboter spezialisiert hat. Sie ist Künstlerin, Malerin und Bildhauerin. Foto: Victor Frankowski.

Das muss an sich nichts Schlechtes sein. Wenn wir die Auswüchse von Machine Learning als experimentelle Spielerei und Spaß verstehen, lernen wir sie auch zu schätzen und zu bewundern für das, was sie hervorbringen: kreative Inspirationen, die das menschliche Schaffen nicht ersetzen, aber erweitern. Ein großer Spaß ist zum Beispiel der künstlich-neurale Stiltransfer: Ausgangspunkt sind ein Foto und ein Gemälde. Das Foto wird im Stil des Gemäldes „neu“ verfremdet gezeichnet, gemalt, gepixelt oder in welcher Ausgangstechnik auch immer es erschaffen wurde. Der Deep Dream Generator etwa, basierend auf Googles künstlichem Neuronennetz DeepDream, ist nur eine Spielart davon. Ganz merkwürdige Ergebnisse liefert etwa auch die Anwendung pix2pix mit Hilfe von Conditional Adversarial Networks (cGAN) ab: Aus einer beliebigen Zeichnung generiert der Algorithmus ein irgendwie realistisch anmutendes Foto von Straßenszenen und Landschaften, aber auch von  Katzen oder Schuhen. Diese Dinge hat es aber so nie gegeben und das ist das Unheimliche daran, zugleich aber auch das verstörend Anziehende.

Ada Lovelaces Erbin kann zeichnen

Kommen wir zur letzten, entscheidenden Frage: Gibt es eine schöpferische künstliche Intelligenz, die sich auch als Autorin ihrer eigenen Werke versteht? Das tut Ai-Da auf jeden Fall. Ihr Name ist Programm und bezieht sich auf die Programmier-Pionierin Ada Lovelace aus dem 19. Jahrhundert. Ai-Da ist eine KI in Gestalt eines lebensecht wirkenden Roboters der britischen Firma Engineered Arts, die sich auf Sprachroboter spezialisiert hat. Sie ist Künstlerin, Malerin und Bildhauerin und präsentiert gerne ihre Werke in der Öffentlichkeit. Gerade hatte sie eine eigene Ausstellung, in der sie unter anderem die Gefährdung von Bienen durch Umweltzerstörung in Bronze goss (ihr künstlerisches Schaffen wurde mit lernenden Algorithmen von Forschern der Oxford University trainiert). Ist das jetzt mehr als ein Marketing-Gag, der einem Algorithmus anthropomorphe Gesichtszüge gibt und ihm damit eine Art von Menschlichkeit zuschreibt? Vielleicht, aber deswegen müssen ihre Werke ja nicht schlecht sein. Ihre Kunst ist weniger Ausdruck eines künstlerischen Schaffensprozesses, wie wir ihn verstehen, als vielmehr ein spielerisches Zufallsprodukt. Doch Künstler, und überhaupt alle Art von Kreation, experimentieren mit Zufall

Auf dem Foto ist ein Werk von Ai-Da abgebildet. Ihre Kunst ist weniger Ausdruck eines künstlerischen Schaffensprozesses, wie wir ihn verstehen, als vielmehr ein spielerisches Zufallsprodukt. Foto: Leighanne Murray.

und Spiel, um etwas Neues, noch nie Dagewesenes zu schaffen. Doch darin liegt  dann eben die Kunst, den kreativen Funken in den Werken zu entdecken. Will heißen: Von Schöpfung ist die Kreative Intelligenz noch sehr weit entfernt. 

Kreative Intelligenz? Lieber RunwayML für alle künstlerisch Schaffende

Doch es gibt immer mehr Bereiche, in denen sie den Designern, Künstlern oder Filmemachern immerhin unter die Arme greifen kann. So ist zum Beispiel RunwayML das Tool der Stunde der Machine-Learning-Community, wenn es um Machine Learning für Bild- und Filmgenerierung geht. Die browserbasierte App bietet einige Machine-Learning-Module an, mit denen User*innen Bilder und Videos ohne Programmieren viel schneller generieren, bearbeiten oder auch verfremden können und so etwas Neues schaffen. Auch Adobe mit seinen Design-Programmen bietet einen künstlichen Assistenten an. Dieser soll Webdesigner*innen mit User-Statistiken helfen, ihre Designs und die UX zu verbessern. Das bedeutet, statt dem großen Durchbruch der Künstlichen Kreativität gibt es einen schleichenden Einzug an künstlichen Assistenten, die den Kreativen vielleicht immer mehr mühsame Arbeit abnehmen können oder den Zufallsgenerator spielen. Solange Kreative die Richtung vorgeben, bleiben sie auch die Erschaffenden. Potentiell wird es eher eine fruchtbare Partnerschaft statt Outsourcing.

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Die Wiedergeburt als KI

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Die Wiedergeburt als KI

Wie könnte die Welt aussehen, wenn unsere Erinnerungen digitalisiert und wir als eine Art KI wiedererweckt werden? Foto: Bret Kavanaugh.

Die Zukunft ist rosig für Lernfaule: Nachdem wir unser gesamtes Wissen online abgespeichert haben, müssen wir uns nichts mehr selbst beibringen. Wie praktisch, als es auch noch Forschern gelingt, unsere Erinnerungen zu digitalisieren und uns als eine Art KI wiederzuerwecken. 

Eigentlich entwickelt sich das Aneignen von Wissen und sein Transfer erst einmal ganz gut. Zwei Firmen von heute könnten unsere Zukunft in dieser Hinsicht auf die eine oder andere Weise beeinflussen: Die Entwickler des kalifornischen Start-ups EMOTIV entwickeln smarte Brain-Scanner, die bereits heute unsere Hirnströme auslesen und zwischen 0 und 1 unterscheiden. So kann etwa Rollstuhlfahrer*innen per Headset den Befehl zum Vorwärtsfahren oder Anhalten allein per Gedanken geben. 

Gleichzeitig forscht der Mitgründer Robert McIntyre mit seinem ebenfalls kalifornischen Start-up Nectome daran, wie Langzeiterinnerung

Das kalifornische Start-up EMOTIV entwickelte diesen smarten Brain-Scanner, der bereits heute unsere Hirnströme auslesen und zwischen 0 und 1 unterscheiden kann. Foto: EMOTIV. Foto: EMOTIV.

aus einem Gehirn abgespeichert werden könnten. Er hat ein Verfahren entwickelt, mit dem das Nervensystem nach dem Tod mittels der chemischen Substanz Glutaraldehyd so gut konserviert wird, dass es unversehrt und weiter intakt bleibt. Dadurch könnten die Forscher das Gehirn in eine Art Kryoschlaf versetzen. 

Das Gedächtnis als Softwareprogramm wiedererwecken

Wie könnte die Welt in 40 Jahren aussehen, wenn wir die Produkte dieser beiden Start-ups weiterdenken? Die Scanner von EMOTIV werden Fragestellungen von User*innen anhand der Gerhirnströme erkennen, ohne dass diese überhaupt auf den Lippen ausformuliert sein müssen. Dafür ist alles Wissen bis dahin komplett ausgelagert – natürlich ins Internet. Wir brauchen kein eigen erlerntes Wissen mehr ansammeln, weil alles und jedes Thema online outgesourct und dezentral in der Cloud angereichert wird. Eine KI sucht im Netz nach der Antwort und spielt sie den User*innen in Sekundenbruchteilen als Projektion auf die Netzhaut ein.

Währenddessen gelingt es den Forschern von Nectome, die Langzeiterinnerungen eines Menschen zu extrahieren, auszuwerten und zu digitalisieren. Sie schaffen es, das Gedächtnis digital als eine Art Softwareprogramm wiederzuerwecken. Die Terrabyte Daten manifestieren sich in Form einer hybriden Mensch-KI.

Alles Wissen ist ins Internet ausgelagert. Wir brauchen kein eigen erlerntes Wissen mehr ansammeln, weil alles und jedes Thema online outgesourct und dezentral in der Cloud angereichert wird. Foto: EMOTIV.

Hypertechnologisiert sind nur die Superreichen 

Doch dann, in der nicht ganz so fernen, undatierten Zukunft, geht alles simultan den Bach runter. Wir finden uns schleichend in einer Dystopie wieder. Klimawandel und Ressourcenmangel machen uns einen Strich durch die Rechnung unseres Wohlstands. Hypertechnologisiert sind nur die Superreichen, die können sich ein digitales Backup ihrer Erinnerungen leisten und verschanzen sich in ihren gated Community-Oasen.

Der Rest der Menschheit muss sich mit weniger Ressourcen zufrieden geben, viel weniger allerdings. Durch das Auslagern des Wissens online haben sich unsere kognitiven Prozesse langsam verändert. Da wir nichts mehr lernen mussten, haben wir das Einprägen von Wissen verlernt. Das bequeme Verlassen auf das allwissende Internet hat uns lernfaul gemacht, fast gedächtnislos. 

„Je weniger die Menschen Informationen abspeichern, desto weniger verstehen sie Sachverhalte“

In der Tat: Matthew Fisher, Professor für Marketing an der amerikanischen Business-Schule SMU Cox, sieht es als gravierenedes Problem, dass wir durch das Outsourcen von Wissen immer mehr verlernen, Zusammenhänge zu erkennen. „Je weniger die Menschen Informationen abspeichern, desto weniger verstehen sie Sachverhalte. Weil sie relevante Informationen nie zur gleichen Zeit ‚im Kopf‘ haben“, sagt Fisher. Gleichzeitig glauben viele, dass sie durch die Google-Suche allwissend sind, weil sie dort erst einmal reflexartig suchen, so Fisher. „Wenn aber Suchergebnisse bei Google nicht gleich erscheinen, werden die User*innen ausdifferenzierter. Es scheint, dass sie allein durch die Wartepause reflektierter werden.“ 

Die Zukunft ist rosig für Lernfaule: Nachdem wir unser gesamtes Wissen online abgespeichert haben, müssen wir uns nichts mehr selbst beibringen. Foto: EMOTIV.

Er sieht eine Zukunft, in der wir Informationen nahtlos eingespeist bekommen. Bis es dann eben nicht mehr geht, weil wir Ressourcen sparen müssen und Strom, Technologien und Konsumgüter überhaupt einfach unerschwinglich werden. Dann ist es vorbei mit dem Wissen, das aus dem Internet eingespeist wird, da das Internet nur noch für lebenswichtige Dinge genutzt werden darf. 

Back to the Book Future

Und was machen die User*innen dann? Fisher vermutet: „Es könnte sein, dass wir zu ausdatierten Technologien wie Büchern zurückkehren müssen. Wenn das Internet zum Luxus für wenige wird, könnten Bücher und Bibliotheken wieder das Herzstück unseres Kollektivwissens werden. Niemand ist allwissend, deshalb werden wir uns immer auf externe Quellen verlassen müssen, die die Lücken in unserer Perspektive füllen.“

Das Fazit: Mühsam geht die Menschheit zurück und fängt wieder mit dem Lesen an. Sie muss es als kulturelle Praktik wieder neu erlernen und üben. Vielleicht ist das dann gar nicht schlecht nach allem. Bücher, in allen erdenklichen analogen und digitalen Formaten, geben den Menschen auf einmal einen Halt, den sie in einer fast vollständig virtuellen Welt so schmerzlich vermisst haben. Statt im Cyberspace zu schweben, schmökern sie wieder und halten sich an den Buchseiten fest.

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