
Warum nicht gleich einen ganz Staat auslagern? Die East India Company macht vor, wie man sich als „Firmenstaat“ in anderen Ländern breitmacht und sie zu Kolonien degradiert.
Es ist das Jahr 1776 und der schottische Ökonom Adam Smith veröffentlicht an der Universität Glasgow seine Regel von Angebot und Nachfrage des Marktes, der Selbststeuerung der Wirtschaft durch eine „unsichtbare Hand“. Der exzentrische Kauz Smith ist eigentlich Professor für Moralphilosophie, dank eines lukrativen Jobs als Privattutor weit gereist und trifft dabei unter anderem Voltaire und Rousseau, zwei der bedeutendsten französischen Philosophen der Aufklärung.

Das Profil von dem Ökonom Adam Smith der den Klassiker “The Wealth of Nations” verfasste. Illustration: Cadell and Davies.
Den Begriff „Outsourcing“ gibt es zu dieser Zeit noch nicht. Doch dafür legt Smith den Grundstein mit seiner Theorie zum internationalen Handel: „Wenn uns ein fremdes Land mit einer Handelsware versorgen kann, die günstiger als unsere eigenproduzierte ist, dann kaufen Sie sie besser mit einem Teil der Produkte unserer eigenen Industrie, die so eingesetzt werden, dass wir einen gewissen Vorteil haben.“ So lautet ein Zitat aus seinem berühmtesten Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations”, kurz „The Wealth of Nations”, bis heute ein Klassiker der Ökonomie.
Ausbeutungsmonopol mit Methode
Adam Smiths Theorie kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt: Bereits ab dem 15. Jahrhundert suchen europäische Länder nach neuen Einnahmequellen in fernen Ländern. Smiths Buch untermauert ihre Bestrebungen mit einem soliden Fundament. Das British Empire treibt es noch weiter als alle anderen souveränen Staaten: Nicht nur lagert es seine Produktion nach Indien aus, vielmehr nutzt das Empire für seine Zwecke ein börsennotiertes Unternehmen, das an Stelle eines Staates agiert: die East India Company. Die tut sich in ihren Bestrebungen rühmlich,oder auch weniger rühmlich,hervor. Sie „herrscht“ über die indische Kolonie und beutet die Ressourcen als Monopolist aus. Auch verteidigen darf sie ihren Handelsstatus, da sie dafür bereits 1600 eine Lizenz von der Queen erworben hatte. Gegründet wird sie als monopolistisches Handelsorgan, damit das British Empire in den Gewürzhandel in Ostindien einsteigen kann und gleichzeitig einen Kapitalfluss zurück nach England garantiert. Vom Durchsetzen der Belange der britischen Händler entwickelt sie sich schnell zu einem der größten Arbeitgeber in Großbritannien und zum mächtigsten multinationalen Konzern der damaligen Welt, einem Handlanger des britischen Imperialismus.
Die Belange des Staats outsourcen

Auf dem Bild zu sehen ist der indische Kaiser Jahangir, der einen Höfling mit einer Ehrenrobe ausstattet, unter Beobachtung von Sir Thomas Roe, dem englischen Botschafter am Hof von Jahangir in Agra von 1615 bis 1618. Bild: As’af’Ibadallah Al-Rahim.
Die East India Company fungiert als Unternehmen und Staat zugleich, treibt Steuern von der lokalen Bevölkerung ein, spricht Recht und unterhält sogar eigene Armeen. Selbst eigene Währungen mit passenden Münzen gibt es in den verschiedenen indischen Provinzen. Diese Form der Kolonialisierung durch einen „Firmenstaat“ hat Methode. Im Jahr 1720 ist die East India Company der größte Akteur auf dem Weltmarkt. Ihr Erfolg bringt andere Nationen wie Deutschland und Belgien dazu, das Konzept mehr oder weniger erfolgreich zu kopieren.
Letztendlich verliert die East India Company 1833 ihr Handelsmonopol und wird verstaatlicht – und später noch viel mehr. Es kann schließlich nicht angehen, dass ein kommerzielles Organ „Souveränität über eine größere Bevölkerung ausübt, mit höheren Einnahmen und einer größeren Armee [als der britische Staat]”, so der zeitgenössische Historiker Thomas Babington Macaulay. 1858 endlich tritt die Company ihre Herrschaft über Indien an die britische Krone ab. Diese Art der Public-Private-Partnerschaften in fernen Ländern überdauert jedoch die Jahrhunderte. Adam Smiths Umschreibung des Outsourcings hallen uns 200 Jahre später noch nach. Aber erst in den 1990er-Jahren bringt es der österreichisch-amerikanische Management-Berater Peter Drucker geschmeidiger auf den Punkt: „Do what you do best and outsource the rest!“