Maschinen lernen selbständig und werden immer ausgereifter dabei. Doch sind ihre Resultate so schöpferisch kreativ wie die eines menschlichen Künstlers? Können wir Kreativität an eine KI outsourcen? Ein Streifzug durch die Welt der künstlichen neuronalen Netzwerke.
KI kann alles, jetzt auch Kreativsein: Es gibt KI-Modelabels wie Glitch, entstanden aus dem MIT, Webdesign von einer KI, jede Menge KI-Kunst und selbst einen künstlichen Komponisten namens MuseNet, der auf Knopfdruck vier Minuten lange Metalstücke komponiert. Dürfen sich die Künstler*innen bald zurücklehnen und der Künstlichen Kreativität das Feld der Schöpfung überlassen, es sozusagen an diese outsourcen?
Muster erkennen für eine bestmögliche Imitation
Das Ergebnis eines durch einen Algorithmus veränderten Portraits durch Google’s Deep Dream Generator. Foto: Deep Dream Generator.
Machine Learning ist in den letzten Jahren eines der spannenden Felder, in dem Künstliche Intelligenz vorangetrieben wird: Bei diesem Ansatz lernen Algorithmen anhand von Trainingsdaten, Muster zu erkennen und diese auf ihnen unbekannte Daten anzuwenden. Dabei wird zwischen zwei unterschiedlichen Lernmethoden unterschieden: Dem überwachten Lernen, bei dem die Resultate vorgegeben werden, um zu lernen, und dem unüberwachten Lernen, bei dem ein selbstlernender Algorithmus eigenständig Kategorisierungen anhand der Daten entwickeln soll.
Das Lernspiel der künstlichen Netzwerke
Ein wenig abgewandelt läuft es beim Deep Learning ab, eine Unterart des Machine Learnings. Diese Methode generiert in letzter Zeit ziemlich spannende Ergebnisse. Beim Deep Learning nutzen Entwickler*innen künstliche neurale Netzwerke, die die Funktion von Gehirnzellen imitieren und vernetzt arbeiten. Das Interessante dabei ist: Einmal losgelassen trainieren die Maschinen sich selbst, als würden sie ein Eigenleben entwickeln. Wir wissen nicht genau, was in ihnen dann im Laufe des Spiels passiert. Aber wir sehen ihre originellen Resultate. Noch wilder wird es bei Generative Adversarial Networks oder (GAN). Hier spielen zwei künstliche neuronale Netze gegeneinander: Der eine versucht den anderen mit selbst generierten Daten zu täuschen: Ziel des Games ist, dass das gegnerische Netz die hervorgebrachten Resultate nicht mehr von den Trainingsdaten unterscheiden kann. Die Netze versuchen sich also gegenseitig zu überlisten und erzielen dabei immer lebensechtere Ergebnisse, auch unter realistischen Bedingungen. GPT-3 etwa ist ein Open-Source-Sprachmodell, das mit Hilfe von Deep Learning journalistische Artikel mittlerweile so gut generieren kann, dass sie sich nicht immer eindeutig von
Der Algorithmus pix2pix generiert aus einer beliebigen Zeichnung ein realistisch anmutendes Foto, das es allerdings so nie gegeben hat. Screenshot: Verena Dauerer.
Menschenhand verfassten Texten abgrenzen lassen.
Zufallsprodukte werden erst im Auge des Betrachters schön
Können nun künstliche neuronale Netzwerke Mode, Kunst oder Design so täuschend echt nachahmen oder gar selbst kreative Werke aus ihrem Lernspiel ganz frei ohne menschliches Zutun generieren? Ja und nein. Patrick Hebron, Leiter der Machine Intelligence Design Group beim Softwarehersteller Adobe, erklärte es kürzlich auf der dai, einer Konferenz zum Thema KI und Design: Das künstliche Netz spiele tausendfache, ja millionenfache Iterationen durch und generiere so experimentelle Resultate. Es kreiere reine Zufallsprodukte. Für wahre Kreationen fehle dem System jedoch der kulturelle Background, ja, ein ganzes Menschenleben an Erfahrung in der Welt, so Hebron. Auch kann das System nicht unterscheiden, ob seine Kreationen unter menschlichen Gestaltungsmaßstäben und Geschmäckern nun mehr oder weniger gelungen sind.
Das menschliche Schaffen nicht ersetzen, aber erweitern
Das ist Ai-Da, eine KI in Gestalt eines lebensecht wirkenden Roboters der britischen Firma Engineered Arts, welcher sich auf Sprachroboter spezialisiert hat. Sie ist Künstlerin, Malerin und Bildhauerin. Foto: Victor Frankowski.
Das muss an sich nichts Schlechtes sein. Wenn wir die Auswüchse von Machine Learning als experimentelle Spielerei und Spaß verstehen, lernen wir sie auch zu schätzen und zu bewundern für das, was sie hervorbringen: kreative Inspirationen, die das menschliche Schaffen nicht ersetzen, aber erweitern. Ein großer Spaß ist zum Beispiel der künstlich-neurale Stiltransfer: Ausgangspunkt sind ein Foto und ein Gemälde. Das Foto wird im Stil des Gemäldes „neu“ verfremdet gezeichnet, gemalt, gepixelt oder in welcher Ausgangstechnik auch immer es erschaffen wurde. Der Deep Dream Generator etwa, basierend auf Googles künstlichem Neuronennetz DeepDream, ist nur eine Spielart davon. Ganz merkwürdige Ergebnisse liefert etwa auch die Anwendung pix2pix mit Hilfe von Conditional Adversarial Networks (cGAN) ab: Aus einer beliebigen Zeichnung generiert der Algorithmus ein irgendwie realistisch anmutendes Foto von Straßenszenen und Landschaften, aber auch von Katzen oder Schuhen. Diese Dinge hat es aber so nie gegeben und das ist das Unheimliche daran, zugleich aber auch das verstörend Anziehende.
Ada Lovelaces Erbin kann zeichnen
Kommen wir zur letzten, entscheidenden Frage: Gibt es eine schöpferische künstliche Intelligenz, die sich auch als Autorin ihrer eigenen Werke versteht? Das tut Ai-Da auf jeden Fall. Ihr Name ist Programm und bezieht sich auf die Programmier-Pionierin Ada Lovelace aus dem 19. Jahrhundert. Ai-Da ist eine KI in Gestalt eines lebensecht wirkenden Roboters der britischen Firma Engineered Arts, die sich auf Sprachroboter spezialisiert hat. Sie ist Künstlerin, Malerin und Bildhauerin und präsentiert gerne ihre Werke in der Öffentlichkeit. Gerade hatte sie eine eigene Ausstellung, in der sie unter anderem die Gefährdung von Bienen durch Umweltzerstörung in Bronze goss (ihr künstlerisches Schaffen wurde mit lernenden Algorithmen von Forschern der Oxford University trainiert). Ist das jetzt mehr als ein Marketing-Gag, der einem Algorithmus anthropomorphe Gesichtszüge gibt und ihm damit eine Art von Menschlichkeit zuschreibt? Vielleicht, aber deswegen müssen ihre Werke ja nicht schlecht sein. Ihre Kunst ist weniger Ausdruck eines künstlerischen Schaffensprozesses, wie wir ihn verstehen, als vielmehr ein spielerisches Zufallsprodukt. Doch Künstler, und überhaupt alle Art von Kreation, experimentieren mit Zufall
Auf dem Foto ist ein Werk von Ai-Da abgebildet. Ihre Kunst ist weniger Ausdruck eines künstlerischen Schaffensprozesses, wie wir ihn verstehen, als vielmehr ein spielerisches Zufallsprodukt. Foto: Leighanne Murray.
und Spiel, um etwas Neues, noch nie Dagewesenes zu schaffen. Doch darin liegt dann eben die Kunst, den kreativen Funken in den Werken zu entdecken. Will heißen: Von Schöpfung ist die Kreative Intelligenz noch sehr weit entfernt.
Kreative Intelligenz? Lieber RunwayML für alle künstlerisch Schaffende
Doch es gibt immer mehr Bereiche, in denen sie den Designern, Künstlern oder Filmemachern immerhin unter die Arme greifen kann. So ist zum Beispiel RunwayML das Tool der Stunde der Machine-Learning-Community, wenn es um Machine Learning für Bild- und Filmgenerierung geht. Die browserbasierte App bietet einige Machine-Learning-Module an, mit denen User*innen Bilder und Videos ohne Programmieren viel schneller generieren, bearbeiten oder auch verfremden können und so etwas Neues schaffen. Auch Adobe mit seinen Design-Programmen bietet einen künstlichen Assistenten an. Dieser soll Webdesigner*innen mit User-Statistiken helfen, ihre Designs und die UX zu verbessern. Das bedeutet, statt dem großen Durchbruch der Künstlichen Kreativität gibt es einen schleichenden Einzug an künstlichen Assistenten, die den Kreativen vielleicht immer mehr mühsame Arbeit abnehmen können oder den Zufallsgenerator spielen. Solange Kreative die Richtung vorgeben, bleiben sie auch die Erschaffenden. Potentiell wird es eher eine fruchtbare Partnerschaft statt Outsourcing.