Zeit seines Lebens beschäftigte sich Andy Warhol mit den Dimensionen von Bekanntheit und Berühmtheit. Die viel zitierte Essenz dessen tauchte dann schon 1968 im Programm einer Ausstellung seiner Werke im “Museum of Modern Art” in Stockholm auf. Seitdem wird der Satz immer wahrer.
“In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes.” – Andy Warhol
Diese “15 minutes of fame”, über deren Zukunft vom heutigen Standpunkt aus wiederum Qiio-Autor und Modeexperte Fabian Hart in einem Meinungsartikel spekulierte, wurden erst durchs Fernsehen, dann durch Facebook und Instagram für immer mehr gewöhnliche Personen möglich. Doch Warhol war schon in den 70ern bereit – zumindest im Suff – seine Vorhersage wahr zu machen: “I tell everyone they can be on the cover of Interview”, sagte er dem Redakteur Glenn O’Brien.
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Im exzentrischen, alkoholgetränkten Rausch der vielen Veranstaltungen seiner Studios kam auch die Idee zum Magazin “Interview” auf. Anfang der 60er Jahre begann er dort, die Geschehnisse mittels Polaroidkamera und Tonbandgerät festzuhalten. Die Bilder verwendete er für seine Kunst, doch die Gesprächsaufzeichnungen seiner Gäste wusste er nicht zu verwerten. Erst der Journalist John Wilcock brachte ihn auf die Idee, diese publizistisch zu verwerten. Die Idee zu “Interview” war geboren, einem Magazin, das anfangs ausschließlich aus Gesprächen, die exakt so, wie sie Warhol beiläufig auf den ausufernden Partys aufgezeichnet hatte, abgedruckt wurden.
So war er zur Anfangszeit der tätigste Autor des Magazins – und er hatte Erfolg. John Lennon, Grace Jones sowie Max Ernst waren nur einige seiner Interviewpartner. Die Gespräche, die sich oft um vermeintliche Nichtigkeiten wie das Frühstück oder den Lieblingscocktail drehten, offenbarten Tiefe, ohne zu bohren. Es war die minutiöse Beschreibung des Oberflächlichen, die ein Wabern unter der Oberfläche spürbar und erahnbar, aber zugleich nie vollends greifbar machte. Viele Leser empfanden das als wahrhaftig.
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Eine andere Methode Warhols, die dem Künstler und Magazin finanzielle Sicherheit garantierte, war ebenso geschickt wie kontrovers. Er lichtete die schönen Frauen reicher Geschäftsmänner für das Cover von “Interview” ab, um ihnen die Bilder dann teuer zu verkaufen. Mit Warhols Tod 1987 versiegte diese Einnahmequelle schließlich. Zwei Jahre später übernahm der Milliardär und Kunstsammler Peter Brant dann das Magazin – doch es verlor seitdem zunehmend Einfluss und Rentabilität.
After 10 months at my dream job at @InterviewMag, today is sadly my last day as the magazine has closed.
My personal email is iamtreytaylor@gmail.com if you hear of anything going. So much love to my amazing coworkers @ezra_marc @Jane_Gayduk @austentosone. pic.twitter.com/ILJOvPWpD4
— trey taylor (@treytylor) May 21, 2018
Zuletzt behaupteten ehemalige Mitarbeiter, das Magazin schulde ihnen 600.000 $ für Beratungsleistungen und ausstehende Löhne. Hinzu kamen Anschuldigungen sexuellen Missbrauchs gegenüber einem Stylisten, die “Interview” weiter in die Bredouille trieben. Der Verlag “Brant Publications” hat das Magazin laut Guardian nun eingestellt.
Die seit 2012 existierende deutsche Lizenzausgabe von “Interview” sitzt in Berlin und ist vom Ende des amerikanischen Originals nicht betroffen.