Früher dienten Kunstwerke nicht der Geldvermehrung, sondern sicherten Macht und Status. Die zwei Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s in London haben diese Entwicklung zementiert.
Seit es Kunst gibt, wird damit gehandelt. Bereits im Alten Ägypten wurden Götterbilder an Gläubige verkauft; im antiken Rom geraubte Kunstwerke an wohlhabende Bürger. Gutbetuchte Römer hielten sich Kunst aus den gleichen Gründen wie heutige Kunstsammler:innen: Repräsentation und Prestige. So bildeten sich bereits im damaligen Rom erste Galerien, um dieser Nachfrage nachzukommen. Es existierte allerdings noch kein Sekundärmarkt, auf dem Kunstwerke wieder und wieder verkauft wurden. „Früher haben die Leute so gut wie nie etwas verkauft. Die Befassung mit Kunst war in der damaligen bekannten Welt über Status definiert“, bestätigt Kunstexperte Dirk Boll. Er ist Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts beim Auktionshaus Christie’s in London und gilt als Koryphäe in seinem Gebiet.
Zwei Auktionshäuser messen ihre Kräfte
Das Auktionshaus Christie’s gehört heute zusammen mit Sotheby’s zu den dominierenden Auktionshäusern der Welt. 1776 durch James Christie gegründet, gilt Christie’s heute als das älteste Kunstauktionshaus der Welt. Christie versteigerte zunächst vor allem Gemälde und Möbel. Im Laufe der Zeit schaffte der findige Geschäftsmann allerdings den Wandel von der einfachen Versteigerung zum Happening.
Die Auktionen entwickelten sich zum Treffpunkt der Londoner Elite, zum „talk of the town“. Bei Christie’s konnte man erstmals öffentlich Kunst anschauen, da es zu dieser Zeit noch keine Museen gab. Mit der Französischen Revolution 1789 nahm der Ansatz, Kunst als Vermögensanlage zu nutzen, bei den Adligen an Fahrt auf, da sie im Gegensatz zu Ländereien oder Immobilien eine bewegliche Wertanlage war, mit der man gut vor dem wütenden Mob fliehen konnte.
Christie’s und Sotheby’s waren dabei von Anfang an Konkurrenten. Als die Weltwirtschaft am „Schwarzen Montag“ 1929 zusammenbrach, kam zwar bei beiden Londoner Auktionshäusern der Gedanke auf, sich zusammenzuschließen. Allerdings lösten die Häuser die Misere anders: Sie schauten sich außerhalb von Großbritannien um und Sotheby’s begann nun auch Nachlässe anzukaufen und zu versteigern. Dadurch konnte das Haus genauso viel Umsatz und Gewinn erwirtschaften wie Christie’s.
Die beiden Häuser lieferten sich fortan ein Wettrennen: 1936 startete Christie’s eine Kampagne, dass Kunstsammler ihre Werke nun direkt ins Auktionshaus bringen sollten, um die Kunsthändler zu umgehen. Das führte allerdings zu einem Boykott des Auktionshauses. Vom Wirtschaftsboom in den Nachkriegsjahren konnten zwar beide Häuser profitieren, Christie’s ließ den Konkurrenten Sotheby’s aber auch hier wieder hinter sich.
Der Kunstmarkt war in den letzten Jahrhunderten wesentlich vom Aufstieg und Fall von Nationen bestimmt: Nach dem Zweiten Weltkrieg stiegen die USA zur Weltmacht auf. Diese Umwälzung führte dazu, dass die USA und Großbritannien heute noch zu den wichtigsten Kunstmärkten gehören, – gefolgt von China, welches aber erst in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Kunstmarkt aufstieg. Die Amerikaner deckten sich mit Kunst ein, Künstler aus den USA etablierten sich und bestimmten den weltweiten Kunstkanon und Markt. Mit der Entstehung von neuen Kunstzentren wechselten die Geschmacksrichtungen der Sammler:innen. Während der Nachkriegszeit waren vor allem Impressionisten beliebt, angetrieben von den Amerikanern als Käufer.
Als entscheidendes Ereignis in diesem Konkurrenzkampf galt die Versteigerung der Sammlung Weinberg durch Sotheby’s in London 1957. Der Holländer Wilhelm Weinberg versteigerte seine Sammlung, die er vor dem Nazi-Regime gerettet hatte. Sie präsentierte unter anderem zehn Werke von Vincent van Gogh. Die Versteigerung der Sammlung war so bedeutend, dass selbst die Queen daran teilnahm.
Der Lauf der Wirtschaft
In den 1980er-Jahren klopften auch immer mehr japanische Sammler:innen bei Christie’s und Sotheby’s an. So wies man die Preise an Auktionen fortan auch in Yen aus.
Ende der 80er-Jahre ging der Konkurrenzkampf weiter: Im November 1989 veröffentlichte Sotheby’s erstmals eine Auflistung aller Auktionszuschläge. Dies schuf eine neue Ausgangslage hinsichtlich der Transparenz der gezahlten Preise. Wenige Monate später, im Mai 1990, ersteigerte der Japaner Ryoei Saito bei Christie’s dann das „Portrait des Dr. Gachet” von Vincent van Gogh für 82,5 Millionen Dollar. Dieser Zuschlag war bis dahin ein absoluter Rekord. Und wie so oft, wenn sich die Preise überschlagen, stürzte die Wirtschaft bereits 1997/98 erneut in eine Krise: die Asienkrise.
Mit dem Ende der Nachfrage nach impressionistischer Kunst begannen die beiden Auktionshäuser vermehrt mit zeitgenössischer Kunst zu handeln. Das löste einen Strategiewechsel bei den Sammler:innen aus: Alte Werke gingen nun in den Verkauf, um neue zu erwerben oder umgekehrt. „Der Kunstmarkt möchte, dass die Preise steigen“, sagt Kunstexperte und Christie’s-Stratege Dirk Boll. Die Verlockung der steigenden Preise rief dann vor rund 50 Jahren neue Player auf den Plan: die Kunstmessen.