Seit Jahrtausenden gilt das Kloster als ein Ort der spirituellen Einkehr, Zurückgezogenheit und der ritualisierten Wahrheitsfindung. Im christlichen Kloster bedeutet die Liebe zu Gott immer auch die Liebe für den Nächsten; und so wurde den christlichen Mönchen seit jeher die Seelsorge für Arme und Kranke zuteil. So sind sie zwar in der Welt aktiv, schirmen sich aber von den Versuchungen der Außenwelt ab, um der asketischen Lebensweise nachzugehen.
Klöster gibt es in vielen Religionen, im Christentum seit dem 4. Jahrhundert. „Betet ohne Unterlass”, lautet die Mahnung im Brief des Paulus an die Thessalonicher, die als der Ursprung der christlich-monastischen Tradition verstanden wird. Das Leben in den Klöstern ist allerdings so verschieden wie die Auslegung der Bibel selbst: Es reicht vom Leben in vollständiger Isolation, wie etwa bei orthodoxen Mönchen auf der griechischen Insel Athos, bis hin zum Wechsel des Klosters im dreijährigen Turnus, wie es bei den sogenannten Bettelorden üblich ist. Das Wort Kloster stammt aus dem lateinischen claustrum und meint verschlossener Ort. Es ist wenig überraschend, dass Klöster von einer mysteriösen Aura umgeben sind.
Eine der bekanntesten Erzählungen über die mittelalterliche Klosterwelt ist Umberto Ecos Kriminalroman Der Name der Rose. Der Roman spielt in einem Benediktinerkloster im 14. Jahrhundert und beschreibt die Architektur des Klosters als verzweigtes Mysterium: die labyrinthische Bibliothek, das Auf und Ab geheimer Treppen, versteckte Türen, kodierte Nachrichten. Im Buch soll der Franziskaner William einem Todesfall nachgehen. Was als Mordaufklärung beginnt, entwickelt sich bald zur Debatte über die theologische Bedeutung des Lachens. Wie sich herausstellt, verachtet Jorge, einer der Klosterältesten, das Lachen, und hat deshalb die Seiten eines besonders komischen Buches vergiftet: die aristotelische Poetik. Ist dies der Preis für die Nähe zu Gott? Dass das Weltliche, „Niedere” als bedrohliche Demütigung empfunden wird?
Das Kloster heute – noch immer ein Ort der Abkehr vom Weltlichen?
In Ecos Roman wird die Feindschaft zur Welt überzeichnet. Ähnliche Denkmuster bestehen allerdings bis heute: „Niemals in meinem Leben war ich mit so vielen Feindbildern konfrontiert wie im Kloster”, sagt der Ex-Franziskaner Piotr Sierakowski (Name v. d. Red. geändert), der fünf Jahre lang in Klöstern zwischen seinem Heimatland Polen und in Deutschland gelebt hat. „Das reichte von Frauen, die uns angeblich verführen wollen, bis hin zu kirchenkritische Medien wie Der Spiegel.” Selbst von Juden- und Freimaurer-Verschwörungen habe er mitbekommen, allerdings nur von älteren Mönchen. Das Kloster, sagt der heutige Theologie-Promovend, ähnelt in der Denkstruktur dem Rechtspopulismus. „Die Denkweise ist eine Mischung aus Selbstsicherheit und einer Unfähigkeit, sich selbst zu hinterfragen.”
Die Entlastungsfunktion der Klostergemeinschaft
Sierakowski verdammt das Kloster aber nicht grundsätzlich. Aus religiöser Perspektive ergebe die Kloster-Struktur durchaus Sinn: „Im Kloster kannst du dein Christsein intensiver ausleben”, sagt er. „Der Tagesablauf ist geregelt. Es gibt Rituale, die täglich wiederholt werden und sich seit knapp 800 Jahren nicht verändert haben. Gebetszeiten, Arbeit, Meditation usw. Das hat eine enorme Entlastungsfunktion. Und um dich herum gibt es eine Gemeinschaft von Menschen, die alle das gleiche Ziel verfolgen.” Ob all das allerdings nach wie vor wie früher in ehelosen und nach außen hin isolierten Männergemeinschaften stattfinden müsse, stellt Sierakowski heute in Frage. Er verließ das Kloster schließlich aufgrund der vorherrschenden hierarchischen Strukturen.
Noch heute scheint der Preis der klösterlichen Intensität darin zu bestehen, sich von all dem loszusagen, was als weltlich empfunden wird. Und so wirkt die Isoliertheit im Kloster auch als ein Abschirmen gegen imaginierte Widersacher und verbotene Gedanken – statt als bloße Maßnahme zur metaphysischen Einsicht. Neben dem sozialen Aufbau ist bis heute übrigens auch der architektonische Aufbau christlicher Klöster fast unverändert geblieben. Im Innenhof – dem Kreuzgang – befindet sich ein Garten, der den göttlichen Urzustand widerspiegeln soll: das Paradies. Ein Ort der Sehnsucht, der nur seine Unschuld bewahrt, wenn er vor allen externen Einflüssen geschützt bleibt.