Seit ein paar Jahren etablieren sich bewusste Konsumtrends aus ihren Nischen heraus und finden immer mehr Anhänger*innen. Alle von ihnen haben den Anspruch, durch ihr individuelles Handeln den Druck auf die Politik und damit die Wirtschaft zu erhöhen. Vier Menschen zeigen auf, wie Conscious Consumerism aussehen kann und wie bewusste Konsumentscheidungen mehr verändern als das eigene Leben.
Zero Waste: Steffi von Simply Plastic Free
“Wir müssen nach der Schockstarre der letzten Monate wieder mehr ins Handeln kommen und wirklich Veränderungen vorantreiben. Dafür müssen alle an einem Strang ziehen.”, sagt Steffi von Simply Plastic Free. Foto: Simply Plastic Free.
Anfang 2017 habe ich mit Freund*innen eine Reise nach Ägypten gemacht. In Kairo gibt es einen Stadtteil, der „Garbage City“ genannt wird. Dass dort viele Menschen unter übelriechenden Umständen und miserablen Hygienebedingungen leben müssen, hat mich echt schockiert. Während einer Zugfahrt sammelte der Schaffner den anfallenden Müll ein, ging zum Fenster und warf den kompletten Müllsack einfach hinaus. Danach habe ich angefangen, mich mit Müllverwertung und -entsorgung in Deutschland zu beschäftigen.
Wer damit anfangen möchte, sollte das Schritt für Schritt tun. Daher spreche ich auch von Less statt Zero Waste. Beispielsweise kann man im Bad Produkte durch müllärmere Artikel, wie den Flüssigseifenspender durch eine Stückseife, ersetzen. Kleine Alltagstricks sind auch, in der Tasche ein Besteckset zu haben, womit man viel Einwegbesteck spart. Auch eine befüllbare Flasche und ein paar Stoffbeutel habe ich immer dabei.
Offiziell liegt die Recyclingquote in Deutschland bei 45%. In Deutschland gilt Kunststoff aber schon als recycelt, wenn er bei einem sogenannten Entsorger angekommen ist. Was dieser dann damit macht, ist dann nicht mehr für diese Quote relevant. Nur knapp 16% werden wirklich zu Rezyklat verarbeitet. Der Rest wird entweder verbrannt oder ins Ausland verkauft. Und seit Anfang der Corona-Ausgangsbeschränkungen im März dieses Jahres ist der Verpackungsmüll in Privathaushalten nochmal um etwa 10% angestiegen. Wir müssen nach der Schockstarre der letzten Monate wieder mehr ins Handeln kommen und wirklich Veränderungen vorantreiben. Dafür müssen alle an einem Strang ziehen: Politik, Unternehmen und Privatpersonen.
Steffi unterstützt mit GREEN Dein Team Unternehmen dabei, intern nachhaltiger zu werden. Hierfür bietet sie Workshops, Teamevents und Beratung an. Du findest sie auch auf Instagram: @simplyplasticfree.
Faire Mode: Nina von Fashion Changers
“Denn wir sollten gar nicht erst die Wahl haben, etwas Schlechtes zu kaufen.”, sagt Nina von Fashion Changers. Foto: Emilie Elizabeth.
Vor der Gründung der Fashion Changers hatte ich beruflich mit Mode und Innovation im baltischen Raum zu tun. Da bin ich zum ersten Mal auf Textilabfälle aufmerksam geworden. Nicht nur, wie viele Sachen in Kleidercontainern landen, sondern auch, wie viel überproduziert, jedoch nicht abgekauft wird. Ich habe mich damit auseinandergesetzt, wie die Modeindustrie funktioniert und über das Bloggen dann Vreni und Jana kennengelernt.
Zusammen gründeten wir 2018 die Fashion Changers, 2019 dann das Onlinemagazin und im März 2020 erschien unser Buch. Wir wollen mit unserer Arbeit unter anderem darauf aufmerksam machen, dass der Fokus auf den Individualkonsum zu kurz gedacht ist, denn wir brauchen vor allem systemische Veränderungen. In der Fair-Fashion-Blase heißt es oft, dass dein Kassenzettel einem Stimmzettel gleicht, was wir kritisch sehen: Es suggeriert, dass die Macht alleine bei den Konsument*innen liegt und sich Lieferketten aufgrund ihrer Forderungen ändern. Das halten wir für utopisch. Nachhaltige Kleidung kaufen zu können, hängt zudem mit finanziellen Möglichkeiten zusammen und da sind wir dann bei der Gesetzgebung. Denn wir sollten gar nicht erst die Wahl haben, etwas Schlechtes zu kaufen.
Ein anderer wichtiger Punkt ist die soziale Teilhabe: In der Mode sehen wir homogene Schönheitsideale. Meist sind Models weiß, weiblich, schlank und able-bodied, was jedoch nicht unsere vielfältige Gesellschaft abbildet. Wenn man den Anspruch hat, dass Mode von vielen Menschen getragen wird, muss sie divers und inklusiv sein. Mode ist ein Vehikel für Empowerment, wenn wir ihre Potenziale nutzen. In unserem Buch zeigen wir deshalb nicht nur Missstände auf, sondern geben auch Lösungsvorschläge – beispielsweise für sozial gerechte und nachhaltige Lieferketten.
Die Fashion Changers haben im Herbst 2020 ihre erste Konferenz zum Thema “Mode und Verantwortung” veranstaltet. Du findest sie außerdem auf Instagram: @fashionchangers.
Vegane Ernährung: Kathrin Heckmann alias Fräulein Draußen
“Ich glaube, dass bewusste Konsumentscheidungen die Welt verändern können, allerdings sollte die Verantwortung nicht alleine auf die Konsument*innen abgewälzt werden.”, sagt Kathrin Heckmann von Fräulein Draussen. Foto: Kathrin Heckmann.
Mit 13 Jahren habe ich zum ersten Mal erkannt, dass meine Tierliebe nicht mit dem Essen von Fleisch vereinbar war. Mit 17 konnte ich mich dann zuhause durchsetzen und etwas später habe ich erkannt, dass mir auch der Verzicht auf Fleisch nicht reicht. All die zusätzlichen Vorteile einer veganen Ernährung (Gesundheit, Klimaschutz, Welternährung) habe ich dann erst nach und nach entdeckt.
Ob es ein Ultramarathon, eine mehrmonatige Wanderung oder eine 300 Kilometer lange Tagestour mit dem Rad ist: Mein Körper macht alles mit. Fakt ist, dass man mit einer veganen Ernährung (mindestens) genauso leistungsfähig sein kann wie mit einer „normalen”. Dafür gibt es mittlerweile genügend Beispiele in allen Sportarten und Leistungsstufen. Am meisten nervt mich das Vorurteil, dass man bei einer veganen Lebensweise wahnsinnig kompliziert auf seine Ernährung achten müsse, um alle wichtigen Nährstoffe zu bekommen – als würde alles Gute der Welt allein aus dem Euter einer Kuh kommen.
Vegane Ernährung sollte auf jeden Fall deutlich normaler werden und glücklicherweise ist sie aktuell auf dem besten Weg dorthin. Auf Dauer werden wir alle wohl sehr viel weniger tierische Produkte und vor allem auch sehr viel nachhaltiger essen. Zumindest, wenn wir auch in Zukunft diesen Planeten erhalten und die Weltbevölkerung ernähren können wollen. Die Menge an Ressourcen, die für die Herstellung von tierischen Lebensmitteln ver(sch)wendet wird, ist viel zu hoch. Übrigens: Wenn ich „wir” sage, meine ich den Teil der Menschheit, der nicht direkt von einer tierischen Ernährungsweise abhängig ist.
Ich glaube, dass bewusste Konsumentscheidungen die Welt verändern können, allerdings sollte die Verantwortung nicht alleine auf die Konsument*innen abgewälzt werden. Verantwortungsbewusstes Handeln muss durch politische Entscheidungen vereinfacht werden.
Kathrin Heckmann führt Deutschlands bekanntesten Wanderblog und hat 2020 ihr erstes Buch veröffentlicht. Du findest sie außerdem auf Instagram: @fraeulein.draussen
Nachhaltige Inhaltsstoffe: Mareike von Naturkosmetik München
“Ich finde nämlich, wenn man seinen Kund*innen auf Augenhöhe begegnet, kann man sich selbst in der Operative eines Kollektivwissens verstehen.”, sagt Mareike von NKM. Foto: Conny Mirbach.
Ich komme ursprünglich von der Nordsee und bin die Tochter zweier Barfußparkbetreiber. Damit bin ich praktisch im Wald und am Wasser groß geworden. Seit 2015 rühre ich meine Kosmetik selbst an, hauptsächlich, weil ich so endlich Erfolge bei meiner unreinen Haut sah und mir immer aufs Neue individuell zusammenstellen kann, welche Extrakte sie gerade braucht.
Heute bieten wir bei NKM antimikrobielle Toner, milde Reiniger und intensive Öle an. Alle sind so transparent, dass man sie selber anrühren kann. Bei den Inhaltsstoffen beschränken wir uns auf Pflanzen aus Deutschland und Umgebung, weil wir uns auf das besinnen wollen, was vor unserer Haustür wächst.
In meiner Rührküche im Atelier kann ich entweder Produkte mit Laborstandard oder Rezepte für Selbstrührer*innen herstellen. Wer zu uns kommt, steht mitten im Entwicklungsprozess der Produktlinie. Ich finde nämlich, wenn man seinen Kund*innen auf Augenhöhe begegnet, kann man sich selbst in der Operative eines Kollektivwissens verstehen.
Wenn ich meine Werte und Schwerpunkte kommuniziere, versammeln sich Menschen mit gleicher Gesinnung. Ich sehe deshalb die neueren, grünen Unternehmen als die Treiber einer Revolution in der Kosmetikbranche: Weg von den Stereotypen Konsum und Kapitalismus, hin zu einem verantwortungsvollen, sozialen und nachhaltigen Konsum.
Bei dem veganen Label NKM gibt es fertige Produkte, aber auch die Möglichkeit, selbst zuhause anzurühren. Du findest NKM außerdem auf Instagram: @naturkosmetikmuenchen