Die Geburt unserer Spezies, Homo Sapiens Sapiens, hängt an den archäologischen Funden von Werkzeugen. Soll heißen: Seit Beginn unseres Daseins definieren wir uns über unsere Tools. Und diese Tools waren hybrid.
Als 2015 die bisher ältesten Steinwerkzeuge in Lomekwi, Kenia, gefunden wurden, brachte das auch unser Selbstbild ins Wanken. Der Grund: Bisher hatte man gedacht, dass nur die Gattung Homo Werkzeuge benutzte. Nur war der Fund 700.000 Jahre älter als die ältesten bisher bekannten Werkzeuge, was darauf hindeutet, dass unsere Vorfahren bereits mehrere Hunderttausend Jahre vor dem Auftauchen des Menschen Werkzeuge herstellten. Und das würde wiederum bedeuten, dass bereits Australopithecinen wie die berühmte „Lucy” ebenfalls Steinwerkzeuge hergestellt haben könnten.
Die Werkzeuge – im Grunde einfache Steinmesser – wurden hergestellt, indem rundliche Felsen, sogenannte Hammersteine, gegen kantigere Felsen, sogenannte Kerne, geschlagen wurden, um scharfe Splitter abzuschlagen. „Es scheint klar zu sein, dass die Erfindung von Steinwerkzeugen für unsere Evolution von entscheidender Bedeutung war, da sie den Speiseplan der frühen Mitglieder der menschlichen Abstammungslinie erweiterte und sie mit genügend Kalorien versorgte, um größere Gehirne zu ernähren, in größeren sozialen Gruppen zu leben und eine Sprache zu entwickeln – Dinge, die den Menschen von den Affen unterscheiden. Aber die Innovation scheint nicht auf einmal oder gar bei einer einzigen Art stattgefunden zu haben“, schrieb der New Yorker zu Lomekwi.
Wie klug muss ein Affe sein, bevor er zum Menschen wird?
Auch andere Tiere können Werkzeuge benutzen: Raben, Oktopusse, Affen. Vielleicht sind es aber genau diese hybriden Tools, die uns von ihnen unterscheiden. Denn ‚hybrid‘, das bedeutet, „aus Verschiedenartigem zusammengesetzt“. Es gibt sonst kein anderes Wesen, das aus zwei Dingen eines macht, um daraus ein Werkzeug herzustellen, außer uns. Also beispielsweise einen Pfeil aus Holz und Stein, einen Pflug aus Holz und Metall oder ein Taschenmesser, das zugleich Schere und Korkenzieher ist. Diese gedankliche Agilität, nicht nur ein Tool zu nutzen, um eine konkrete aktuelle Problematik zu lösen, sondern das Werkzeug auch für künftige, ähnliche oder anders geartete Situationen aufzuheben und hybrid einzusetzen, das können nur Menschen.
Und jedes Mal, wenn wir einen dieser Entwicklungsschritte machen, bauen wir sedimentartig unsere Kultur weiter darauf auf. Die ersten Tools ermöglichten die erhöhte Kalorienzufuhr, die Gehirne wuchsen, was wiederum bessere Tools ermöglichte. Vom Jäger und Sammler entwickelten wir uns mithilfe von Werkzeugen zu einer agrikulturellen Gesellschaft. Mit unseren Werkzeugen verändern wir also unsere Umwelt und unsere Umwelt verändert im Gegenzug uns. Denn mit jedem Werkzeug, das unseren Wirkungskreis ändert, das uns neue Möglichkeiten eröffnet, verändert sich auch unser Verständnis von der Welt.
Das ist es auch, was der Philosoph und Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan meint, wenn er Medien als „Erweiterung des Menschen“ bezeichnet. So führt jede neue Technologie – damit sind beispielsweise Zeitungen, Fernsehen, Radio, Glühlampen, Autos und auch Sprache gemeint – eine neue Kommunikation herbei. Ihre jeweiligen Formen oder Strukturen verändern die Art und Weise, in der die Welt von uns wahrgenommen und verstanden wird: „Der Hybrid oder das Zusammentreffen zweier Medien ist ein Moment der Wahrheit und der Offenbarung, aus dem eine neue Form geboren wird. Der Moment des Zusammentreffens von Medien ist ein Moment der Freiheit und der Befreiung von der gewöhnlichen Trance und der Betäubung, die [Medien] uns durch unsere Sinne auferlegen“ schreibt er in seinem Buch ‚Das Medium ist die Botschaft‘. Soll heißen: Wir sehen die Welt anders, nachdem wir sie durch ein neues (hybrides) Medium betrachtet haben. Hybride sind auf unserer evolutionären Reise besondere Begleiter und Hilfswerkzeuge, um unsere Welt, und damit uns, zu verändern.