Sportliche Ertüchtigung und Fitness waren ein wesentlicher Bestandteil der griechischen Ausbildung in den neu entstandenen griechischen Stadtstaaten, den Poleis, ab etwa 700 v. Chr. Staatsmann und Lyriker Solon und Politiker Kleisthenes von Athen führten die staatliche Erziehung ein: Ein vollwertiger Bürger benötigte eine ausgiebige gymnastische, musische und literarische Ausbildung. Die Gymnastik stand dabei lange Zeit an erster Stelle. „Kalokagathie“ nannte sich jenes hohe Bildungsideal des Schönen und Guten, einer Harmonie zwischen äußerer Erscheinung und innerer, geistiger Vortrefflichkeit.
Nackte Muskelspiele
„Man soll seine Lebenszeit hinbringen, indem man Spiele spielt, Opfer darbringt, singt und tanzt, so dass man imstande ist, einerseits die Götter sich gnädig zu stimmen, andererseits sich gegen den Feind zu verteidigen und im Kampfe Sieger zu bleiben.“
Platon (Die Gesetze, 803c-d)
Teil davon und charakteristisch für die griechische Kultur waren die panhellenischen Spiele als religiöse Riten, die überregional an den vier Kultstätten Olympia, Delphi, Korinth und Nemea alle vier Jahre zwischen ca. 776 v. Chr. bis etwa 393 n. Chr. ausgetragen wurden. Wir kennen sie als die Olympische Spiele. Ursprünglich zu Ehren des Gottes Zeus ausgetragen, reisten Zuschauer aus ganz Mesopotamien an, um Athleten bei Sportarten wie Sprint, Weitsprung, Diskuswurf, Wrestling oder Boxen anzufeuern. Alle Sportler – zugelassen waren nur Männer – waren nackt mit von Olivenöl glänzenden Körpern. Später galt diese Kleiderordnung sogar für die Trainer. Nacktheit war bis zu den antiken Griechen ein Tabu gewesen: Bis dahin war es ein Zeichen von Schwäche, denn im Krieg zwischen zwei Völkern wurden die Verlierer mitunter geköpft und nackt aufgespießt. Ein Initiationsritual bei griechischen Heranwachsenden war es jedoch, nackt herumzulaufen. Erst recht galt unter der sozialen Elite in der Polis, den männlichen Bürgern, Nacktheit als ein Ausdruck von moralischer Tugend. Die Nacktheit des Athleten vor Tausenden von Zuschauern im Stadion könnte man als eine Art Uniform der Gerechtigkeit verstehen. Sport treiben und damit seinen Körper zur Schau stellen konnte allerdings nur jener, der sich das Privileg auch leisten konnte. Frauen, Sklaven und Ausländer waren als Teilnehmer von den Olympischen Spielen ausgeschlossen.
Gesellschaftliches Großereignis – bedeutsamer als Krieg
Durch die religiöse Motivation der Spiele ging es bei den alten Griechen nie um den Sport um des Sports Willen. Dem Gewinner winkten Ruhm und Ehre und eine Parade. Er wurde in Gedichten verewigt, man stellte in seiner Heimatstadt ein Standbild für ihn auf und er erhielt ein Stipendium auf Lebenszeit. Als Training für den nächsten Krieg taugten die Spiele allerdings wenig. Der General Philopoimen hielt die Athleten sogar für zu verweichlicht, um die Entbehrungen eines echten Krieges durchzustehen. Vielmehr waren die Spiele ein gesellschaftliches Großereignis für jeden Bürger und von solch einer Reichweite, ihretwegen sogar einmal ein Krieg „verschoben“ wurde. Als die Perser im Sommer 480 v. Chr. in Griechenland einfielen, befand sich die gesamte militärische Streitkraft im Stadion. So musste man die Zusammenstellung des Heeres auf das Ende der Spiele vertagen. Der Krieg begann dann erst nach Beendigung dieser.
Berufssportlertum statt Breitensport
Später sollte sich der Bildungsschwerpunkt der Griechen immer mehr ausschließlich auf einen gesunden Geist verlagern. Das Konzept des Dualismus, sprich der Trennung von Körper und Geist, setzte sich etwa durch die Schriften des Philosophen Platon durch. Der Sport blieb im Vergleich zu den wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklungen auf der Strecke. Als Folge daraus entstand eine immer größere Spezialisierung. Schließlich entwickelte sich im Hellenismus (ab 336 v. Chr.) das Berufssportlertum. Das antike Konzept der Olympischen Spiele wie wir sie heute kennen, wurde erst ab 1896 wiederbelebt. Der Franzose Baron Pierre de Coubertin wollte die Spiele der Antike 1894 in Paris wieder auferstehen lassen. Die Vertreterinnen und Vertreter aus 34 Ländern waren allerdings von seiner Idee eines universellen Sportereignisses so begeistert, dass sie ihn davon überzeugten, die ersten Spiele in Athen durchzuführen. Seitdem hat sich diese Art der Gamification bei den Spielen gehalten: Den Siegern winken Ruhm und Ehre für ihr Land – und lukrative Werbeaufträge.