Heute wird das Wetter von Wetterexperte Jörg Kachelmann vertwittert. Doch der erste, der Wettervorhersagen überhaupt möglich machte, war der griechische Philosoph Aristoteles. Er räumte mit den Mythen des Wettergottes auf und verfasste die erste wissenschaftliche Abhandlung. Damit gab er Bauern und Bäuerinnen ein Handbuch für üppige Ernten. Dank kollektiver Wettervorhersager wurde so das Überleben gesichert.
Before facts, there was religion: Bis zur wissenschaftlich fundierten Wettervorhersage waren die Menschen den Launen der Götter ausgeliefert. In vielen Kulturen dachten sie, dass wenn sie nicht untertänig waren, die Strafe sprichwörtlich von oben herabhageln und sie mit schlechten Ernten bestraft würden. Und so ein Ernteausfall bedeutet dann de facto Hungersnöte und Massensterben. Um die allmächtigen Götterwesen da oben gnädig zu stimmen, mussten in ein paar Kulturen sogar Menschenopfer herhalten, um mit ihrem Blut die Erde zu wässern. Am besten dokumentiert ist das bei der mesoamerikanischen Kultur der Azteken im Südamerika des 14. bis 16. Jahrhunderts. Historische Quellen verweisen aber bereits bei der ersten großen mexikanischen Hochkultur (ca. 1600 bis 400 vor Christus), den Olmeken, auf einen blutdürstigen Regengeist.
Weniger brutal waren dagegen die Regentänze der indigenen Urvölker Nordamerikas: Der Regen wurde herbei getanzt und böse Geister gleich mit vertrieben. Das taten sie wahrscheinlich seit Tausenden von Jahren. Seit wann genau, weiß man nicht, denn die Tänze wurden per Oral History, also mündlich weitergegeben und so kollektiv überliefert.
Physikalische Vorgänge analysieren – und Zeus kann abdanken
Irgendwann kam dann aber doch die Wissenschaft ins Spiel: In der griechischen Antike wollte man der Natur als Ganzes auf den Grund gehen und ihre Urkräfte ermitteln. Der Philosoph Aristoteles räumte 340 vor Christus mit dem animistischen Glauben an überirdische Kräfte auf. Er ist zwar nicht der Erste, der atmosphärische Störungen auswertete und erkannte, dass sie Auswirkungen auf die Witterungsverhältnisse haben. Es ist aber sein Regelwerk, das den Beginn der Meteorologie (aus dem Altgriechischen „Meteorologica“, der Untersuchung der Himmelskörper) bedeutete, – der wissenschaftlichen Annäherung an die Wettervorhersage. Das bedeutete auch: Jede und jeder konnte damit im Prinzip die Zeichen der Natur beobachten und deuten und mit diesem Wissen den Ausgang der Ernten beeinflussen.
Wissenschaftliche Wetterdeutung verspricht ökonomische Sicherheiten
Aristoteles‘ Schüler und Nachfolger war der Philosoph Theophrast aus Eresos, ein vielseitig interessierter Zeitgenosse. Leider sind von ihm nur seine naturwissenschaftlichen Schriften erhalten geblieben. Diese bringen ihm immerhin den verdienstvollen Titel „Vater der Botanik“ für seine detaillierte Pflanzenkunde ein. Er verfeinerte das Werk seines Meisters und verfasste eine praktische Anleitung, die Zeichen des Wetters zu erkennen: In seinem „Buch der Zeichen“ wird anhand von 200 Regeln erklärt, wie etwa die Farbe des Himmels („gerötet bei Morgengrauen“) baldigen Regen in den nächsten drei Tagen verspricht.
Aus Theophrasts Wetterabhandlung entwickelten sich ab dem 16. Jahrhundert allgemein gebräuchliche Bauernregeln, die sich aus Naturbeobachtungen der Schwarmintelligenz im Verbund mit volkstümlichen Wetterprognosen zusammensetzten.
Darüber hinaus hatte Aristoteles behauptet, dass Blitz und Donner gar nicht vom Göttervater Zeus stammen, sondern durch aufeinanderstoßende Wolken. Theophrast fügte hinzu, dass beides gleichzeitig entsteht, aber von den Menschen zeitlich versetzt wahrgenommen beziehungsweise gehört wird. Daraus entstand die bis heute gebräuchliche Methode, die Zeit zwischen Blitz und Donnerknall zu zählen: Die abgelaufenen Sekunden durch drei geteilt ergeben die ungefähre Entfernung eines Gewitters in Kilometern.
2000 Jahre lang war Theophrasts Wetterabhandlung unangefochten. Aus dem Handbuch zum Wetter entwickelten sich ab dem 16. Jahrhundert die allgemein gebräuchlichen Bauernregeln. Diese setzten sich aus Naturbeobachtungen der Schwarmintelligenz im Verbund mit volkstümlichen Wetterprognosen zusammen. Durch die Erfindung des Buchdrucks konnten sich die Regeln unter anderem im deutschsprachigen Raum verbreiten und gaben jeder Bäuerin und jedem Bauer – und damit der Kollektive – die Chance, das Wetter vorauszusagen. Das sicherte den entscheidenden Vorteil für gute Ernten und damit das Überleben.
Ständig durch die Schwarmintelligenz optimiert, haben sich diese Regeln über die Jahrhunderte hinweg bewährt. Sie sind bis heute im Einsatz, auch wenn sie sich, wie es Wetterexperte Jörg Kachelmann zu bedenken gab, seit Einführung des Gregorianischen Kalenders verschoben haben. Eine Schwarmvorhersage lässt sich aber nicht nur optimal für das Wetter nutzen, ebenso dynamisch und unberechenbar gestalten sich Politik und freie Marktwirtschaft.