Im alten Ägypten herrschte der Drang nach dem vielleicht größten immateriellen Luxus: dem ewigen Leben im Reich der Götter. Monumentale Bauten, Pyramidentexte und Opfergaben sollten für Pharaonen den Weg ins Paradies sicherstellen. Und auch das Volk hatte etwas davon, die eigenen Kräfte in den Bau der Pyramiden zu investieren – zumindest glaubte es das.
Es ist die höchste Pyramide der Welt. Die monumentale Begräbnisstätte von Gizeh, die nach dem ägyptischen König Cheops benannt ist und in der 4. Dynastie (2620 bis 2500 v. Chr.) errichtet wurde. Auf den ersten Blick hat sie natürlich gar nichts mit virtuellem Luxus zu tun, schließlich ist sie sehr haptisch und unübersehbar. Doch sie steht für so viel mehr – für immaterielle Wünsche und den Drang, die Erfüllung dieser zu kontrollieren. Denn mit dem Tod des Pharaos begann eine neue Daseinsform, in die er bereits auf Erden dringend investieren musste. Besser: investieren ließ. Denn welcher Pharao machte sich selbst die Hände schmutzig?
Warum tausende Körper materielle Monumentalität erschufen
Forscher*innen gehen davon aus, dass am Bau der Cheops-Pyramide um die 360.000 Menschen über 20 Jahre hinweg gearbeitet haben. Doch wofür? Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 30 bis 35 Jahren haben die meisten die Vollendung des Bauwerks überhaupt nicht miterleben können. Der große Antrieb dahinter war die Angst. Das altägyptische Volk glaubte, dass der Herrscher nach dem Tod weiterhin für seine Untertan*innen sorgen und mögliche (Natur-)Katastrophen verhindern würde – allerdings nur, wenn die Himmelfahrt glückte und ein Leben unter den Göttern gesichert werden konnte.
Um das zu gewährleisten, wurde die Pyramide mit einer beinahe perfekten Ausrichtung gen Norden gebaut. Um genauer zu sein, Richtung Zirkumpolarsterne. Diese Bauweise weist darauf hin, wie präzise bereits die alten Ägypter die Himmelskörper beobachteten, denn diese Sternbilder sind ganzjährig sichtbar. Zu eben diesen ewigen Sternen stieg der Pharao dem altägyptischen Glauben nach in den Himmel auf. Die Ausrichtung der Pyramide sollte dies begünstigen.
Auch die monumentale Größe von damals schätzungsweise 146,6 Metern verfolgte ein bestimmtes Ziel. Sie sollte die irdische Beachtung und Anerkennung des Lebens und Wirkens des jeweiligen Herrschers sicherstellen. Publikumswirksam, riesig, weltbekannt, voller Rätsel, und das auch noch Jahrtausende später – das muss man erst einmal schaffen. Und dieses Ego muss man erst einmal haben. Denn eben dieses Streben nach immateriellem Luxus ganz weniger bedeutete ein hartes Leben für ganz viele.
One way ticket to paradise: Grabbeigaben und Pyramidentexte
Nicht nur die geglückte Himmelfahrt sollte das ewige Leben garantieren. Den Toten wurden auch verschiedene Grabbeigaben mitgegeben: Amulette, die im Jenseits vor Bösem schützen sollten sowie Nahrung und Darstellungen von Diener*innen, die sich auch auf der anderen Seite als helfende Hände erweisen sollten. Nicht zu vergessen ist das wahrscheinlich bekannteste Totenritual: die Mumifizierung des Leichnams, sodass auch die Hülle des Menschen so unversehrt wie möglich im Jenseits ankommen konnte. Man könnte behaupten, dass da wahre Kontrollfreaks am Werk waren, die um keinen Preis zulassen wollten, dass irgendetwas schiefgehen würde. Ein hohes Investment, um das Unbekannte greifbar zu machen.
Im Gegensatz zum ewigen Leben können wir heute zumindest bestätigen: Das Ziel irdischer Bewunderung einer gesamten Kultur hat geklappt. Die Wünsche und Bedürfnisse ägyptischer Herrscher zeigen jedoch vor allem eins: dass das Bestreben nach immateriellem Luxus sehr viel mit Macht, Kontrolle und Unterdrückung zu tun hatte.
Ab der 5. Dynastie lag der Fokus der Pharaonen weniger auf monumentale Bauten, sondern vielmehr auf die Wirkung von Inschriften. König Unas, der letzte Herrscher der 5. Dynastie, setzte vor allem auf sogenannte Pyramidentexte. Dabei handelt es sich um die ältesten Totentexte der Welt: religiöse Schriften an den Innenwänden der Pyramiden in Form von Gebeten, in denen zum Beispiel Nahrungsmittel aufgezählt wurden, damit der Pharao keinen Hunger leiden würde. Aber auch verschriftlichte Jenseitsvorstellungen, wie eben das ewige Leben des Pharaos unter seinesgleichen, den Göttern am Himmel. Tief verwurzelter Glaube oder der Versuch einer Kontrolle des Unkontrollierbaren? Das kann man auslegen, wie man möchte.