Von der Antike bis in die Neuzeit traf man sich auf dem Marktplatz, um Informationen auszutauschen, neueste Nachrichten zu erfahren und Produkte des täglichen Bedarfs zu kaufen. Klingt ein bisschen wie Facebook? Stimmt. Heute kommt der Marktplatz zu uns nach Hause und folgt uns auf dem Smartphone, wohin wir auch gehen.
Laut New York Times wurde der erste sichere Online-Kauf am 11. August 1994 abgewickelt und es war: (Trommelwirbel!) eine CD von Sting. Auch wenn mir persönlich die Idee besser gefällt, dass es eine Pizza gewesen sein könnte. Das Unternehmen Pizza Hut verkaufte ebenfalls bereits im August 1994 seine Pizzen online – dies könnte auch der Grund dafür sein, weshalb Hacker in Filmen aus der Zeit immer Pizza essen. Wie dem auch sei – der Onlineshop, über den die Sting-CD gekauft wurde, hieß NetMarket und war die Kopfgeburt eines Programmierers namens Dan Kohn. Kohn sagte damals der New York Times, es handle sich bei seinem Shop um das „Equivalent einer Shoppingmall im Cyberspace.”
Wie der Onlinehandel alles veränderte
Seither hat sich vieles verändert. Das erste auf Amazon verkaufte Buch ging im Jahr 1995 über die virtuelle Ladentheke und auch eBay war ein Vorreiter des Onlinehandels. Das Unternehmen ging im selben Jahr an den Start. Fast Forward ins Heute – 24 Jahre später und Jeff Bezos ist der reichste Mann der Welt: Amazon hat einen Börsenwert von 797 Milliarden US-Dollar. Über Amazon lässt sich heute von der Reiszwecke über Zimmerpflanzen bis hin zu Lippenstiften und Sofas alles kaufen. Und auch eBay hatte im Jahr 2018 einen Umsatz von mehr als 10 Milliarden Dollar. Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren explodierte die Entwicklung des Onlinehandels – jeder Händler musste nun dabei sein. Multi-Label-Stores und Kaufhäuser gingen Online und verschiedenste Ansätze sollten zum Kauf animieren: Multichannel, Omnichannel, Mobile first, Out of Home und Influencer-Marketing waren die Schlagworte, denen Händler nachrannten, wie eine Fußballmannschaft ohne Trainer dem Ball.
Werbung die einst gedruckt wurde, ist heute zu digitalem Content mutiert. Shopping geht online. Foto: Rawpixel
Es wurden Online-Merchandiser eingestellt, die die digitalen Schaufenster verschönern sollten, damit der Kunde zum Kauf inspiriert wird – ein moderner Schauwerbegestalter quasi. Das klassische Werbeplakat, das einst vor dem Kaufhaus hing oder in der Zeitung gedruckt wurde, ist heute zu digitalem Content, Facebook-Posts und Werbebannern mutiert, die eine ganze Branche von Textern, Grafikern und Konzeptern beschäftigt. Und die hübschen jungen Damen hinter dem Parfümtresen finden sich heute auf YouTube und Instagram – man erkennt sie an dem Zusatz #ad.
Marktplätze – damals und heute
Stellen wir uns einen antiken römischen Markt vor. Man steht auf dem Forum Romanum und alle Fischhändler rufen gleichzeitig: „Frischer Fisch! Ich habe den frischesten Fisch! Kaufen Sie hier!“ Wie entscheiden wir uns? Vermutlich funktionierte schon damals bei den alten Römern am besten die Mund-zu-Mund-Empfehlung. Dein Freund sagt: Antonius hat den frischesten Fisch auf dem ganzen Forum! Klar kaufst du bei Antonius. Was du nicht weißt: Am Ende des Tages holt er sich einen Anteil der Einnahmen bei Antonius ab und kauft dann seinen eigenen Fisch bei Flavius.
Den Wert der persönlichen Empfehlung kennen auch im Internet alle Marktschreier. Kein Wunder also, dass der Social Commerce, ein Aspekt der Platform Economy die Zukunftsfantasien des Handels angeregt. Influencer empfehlen Produkte und Dienstleistungen, die wir mit nur einem Klick kaufen können – und am Ende des Tages, oder bei jedem Kauf, der über sie generiert wurde, erhalten sie einen Obulus.
Neue Feiertage für den Onlinehandel
Der Offline-Konsumtag “Black Friday” lässt nun auch digitale Verkaufszahlen in den USA in die Höhe schnellen. Foto: Ashkan Forouzani
Genauso quasi-religiös wie einst die Kaufhäuser („Konsumtempel“) besucht wurden, bekommt das Internet seine Feiertage. Zum Offline-Konsumtag „Black Friday“, der umsatzstärkste Tag des Jahres in den USA, gesellt sich der digitale Festtag des „Cyber Monday“. Dem lukrativsten Feiertag des Blumenhandels, dem Valentinstag, hält das Internet den „Singles Day“ entgegen. Im Jahr 2018 wurden laut Handelsverband Deutschland am Black Friday und am Cyber Monday Rekordumsätze von 2,4 Milliarden Euro realisiert. Diese Rabattschlachten laufen zwar oft auf ein Verlustgeschäft für den Händler hinaus, doch auch hier kannte schon Zolás Octave Mouret den Kniff: „Wir werden an diesem Artikel einige Centimes verlieren. Was weiter? Ist das ein Unglück, wenn es uns damit gleichzeitig gelingt, alle Frauen anzulocken, ihnen mit unserer Warenmenge die Köpfe so zu verdrehen, daß wir mit ihnen anfangen können, was wir wollen, und sie den Inhalt ihrer Börsen ungezählt bei uns lassen? […]“, erklärt er sein rücksichtsloses Fressen-oder-gefressen-werden-Modell.
Auslaufmodell stationärer Handel?
Sind die stationären Läden also dem Untergang geweiht?
Natürlich nicht. Es ist wie immer mit der Evolution: Der am besten Angepasste überlebt: Es gibt Kurzwarenhändler und Kaufhäuser, die überlebt haben, und ebenso sind nicht alle Malls dicht gemacht worden. In den 90er Jahren jammerte der Einzelhandel über die Einkaufszentren, heute klagt er über rückläufige Verkaufszahlen aufgrund von Onlineshops.
So hat sich beim Kunden heute die Erwartungshaltung eingestellt, ein Kauf müsse, wie online, auch im stationären Handel reibungslos abgewickelt werden. Langes Warten an der Kasse oder an Umkleidekabinen, ein höherer Preis als online, eine nicht verfügbare Größe – der Kunde hat dafür keine Toleranz mehr und kauft dann eben online, vielleicht beim Konkurrenten, und das sogar manchmal während er noch im Laden steht.
Einst waren Modehändler die Gatekeeper dessen, was hip und cool war – ganz einfach aus dem Grund, da das von ihnen offerierte das einzige Angebot war. Heute können Konsumenten Trends im Internet und auf den Sozialen Medien viel schneller entdecken und diese meist auch gleich kaufen. Natürlich ärgert das den Händler: Er verliert an Relevanz und fährt schlechtere Umsätze ein. Aber ein wenig ironisch ist es schon, dass gerade der Einzelhandel, der vielleicht am direktesten vom Kapitalismus profitiert, auch immer am meisten über die „unfaire“ Konkurrenz, die ja nun den Kapitalismus einmal ausmacht, ächzt und jammert.
Langes Warten an der Kasse und eine begrenzte Auswahl an Ware – der Kunde hat dafür keine Toleranz mehr und kauft lieber online. Foto: Bench Accounting
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Online goes Street
Es gibt durchaus noch Hoffnung für den stationären Handel: „Mehrere Studien bestätigen, dass Städte ab etwa 100.000 Einwohnern, weiterhin Einkaufsstraßen haben werden. Dort wird der Handel überleben, da Shoppen immer noch als soziales Event gesehen wird. Zukünftig muss der Handel aber nicht nur mit Amazon konkurrieren, sondern auch mit der Kletterhalle oder dem Kino. „Es geht um den Freizeitwert“, weiß Stefan Wolpert, der beim Fraunhofer Institut seit acht Jahren für die Mitkonzeption des Testladens Josephs in Nürnberg verantwortlich ist. Bei Josephs wird an der Zukunft des Handels geforscht und im Austausch mit dem Kunden neue Konzepte erprobt.
Online Shopping geht auf die Straße. Amazon Go kommt außerdem bereits ohne Registrierkassen oder SB-Kassen aus. : Brianc333a – Own work, CC BY-SA 4.0
„Einige Onliner gehen auch den entgegengesetzten Weg und bringen ihre Läden in die Fußgängerzonen“, sagt Wolpert. Amazon experimentiert beispielsweise mit stationärem Handel und bringt sein Online-Wissen mit. In New York eröffnete der Online-Gigant einen stationären Buchhandel, der nur Bücher verkauft, die mindestens eine Vier-Sterne-Bewertung auf Amazon haben. Oder es gibt Vorschläge wie: „Bewohner im Umkreis lesen gerade dieses Buch“.
„Das Plattformmodell, das wir aus der Online-Welt kennen, wird sich im stationären Handel fortsetzen. Zalando arbeitet bereits mit lokalen Händlern zusammen, um ein Produkt dann nicht aus Berlin zu versenden, sondern bei einem Händler in Nürnberg, wenn ich in Nürnberg bestelle“, erklärt Stefan Wolpert. So sind die Schuhe schneller beim Käufer und der lokale Handel profitiert. Die Einzelhandelslandschaft verändert sich. Wer mitgeht, kann es schaffen.
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Frank Schröder
Material: urheberrechtsfreie Werbemotive aus den Jahren 1890-1950, außer:
"Amazon España por dentro" by Álvaro Ibáñez / CC BY 2.0
"A man holding a tube of Bubisan brilliantine for the hair." 1940 by Leonhard F. W. Fries, Credit: Wellcome Library, London. Wellcome Images / CC BY 4.0
"Serverraum im CERN (Schweiz)" by Florian Hirzinger / CC BY-SA 3.0