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Kompendium: Business of Energy

Umweltexperten und Ökonomen befürchten Mitte des Jahrhunderts einen Kollaps. Die Gesellschaft darf nicht mehr auf fossile Energieträger aufgebaut werden – und zwar so schnell wie möglich. 

Kompendium: Business of Energy

In Zukunft wird Energie ausschließlich von Sonne und Wind stammen und beinahe kostenlos sein. Wie wird das gehen? Weltraumabenteuer oder endlose Photovoltaikanlagen in der Wüste zeichnen sich am Horizont ab. Ein Blick in die Zukunft.  

Kompendium

Der Energiemarkt befindet sich im Umbruch: Neue Player wie Tesla spielen mit, die Finanzbranche verabschiedet sich von fossilen Energieträgern und für den Verbraucher kostet Energie irgendwann gar nichts mehr und ist unbegrenzt verfügbar. Dafür müssen aber die Energiekonzerne ihre Monopolstellung aufgeben.

Kompendium: Business of Energy

Mit Holz wurde den Menschen zum ersten Mal bewusst, dass ihre wichtigste Ressource endlich ist und sie deshalb nachhaltig mit ihr umgehen müssen.

Kompendium: Business of Energy

Atomenergie galt zunächst als Heilsbringer, dann als Gefahr für die Menschheit. Der Atomausstieg hat einen politischen Machtkampf mit den Energiekonzernen entfacht und feiert dank der Klimabewegung ein Revival.

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Die Energiewirtschaft in Deutschland ist weitgehend privatisiert. Die Akteure müssen auf allen Ebenen zusammenarbeiten, sonst gelingen die ambitionierten Klimaziele nicht.

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Holz, die erste Energiequelle und die erste endliche Ressource

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Holz, die erste Energiequelle und die erste endliche Ressource

Als sich in Deutschland die Holzindustrie entwickelte, verschwanden die Wälder. Bild: Caspar David Friedrich, "Tageszeitenzyklus -Der Morgen (1821-22)", Niedersächsisches Landesmuseum

Mit Holz wurde den Menschen zum ersten Mal bewusst, dass ihre wichtigste Ressource endlich ist und sie deshalb nachhaltig mit ihr umgehen müssen.

Holz war über Jahrtausende die allerwichtigste Energiequelle auf unserem Planeten. Eigentlich dauerte das «hölzerne Zeitalter» von der Steinzeit bis zu den Anfängen der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Ohne Holz kein Feuer. Und Feuer brachte unsere Zivilisation erst richtig voran, weil es uns die Macht verlieh, die kalte Nacht zu überleben und im Dunkeln zu sehen. Der venezianische Gelehrte Francesco Griselini schrieb 1768, dass Holz das «wichtigste Gut für die Menschheit» sei.

Holztransport mit einer Waldeisenbahn des 19. Jahrhunderts. Bild: ZKB Wirtschaftsmagazin

Doch der Wald wurde nicht primär gerodet, um das Holz als Energiequelle zu nutzen, sondern zusätzlich für den Ackerbau. Aber auch um Siedlungsgebiet zu gewinnen, wurden Wälder seit dem Mittelalter systematisch gerodet und dann bewohnt. Viele Ortsnamen weisen noch auf diese Entwicklung hin (-schlag, -reith, -schwend). Deshalb gab es bereits im 16. Jahrhundert vor allem in Europa Klagen über Waldzerstörungen sowie die Sorge, dass sich die Holzbestände irgendwann dem Ende neigen könnten. Deutschland war früher praktisch flächendeckend von Wald überzogen, bis die Menschen begannen, das Holz als Ressource zu nutzen. Im heutigen deutschsprachigen Raum gehörte ab dem Jahr 800 der Wald grundsätzlich dem König. Er gab den Siedlern das Recht, diesen Wald zu nutzen und vergab nach römischem Recht Nutzungsrechte.

In der vorindustriellen Epoche wurde der Wald von Großgrundbesitzern für Bau- und Energieholz, meist in Form von Holzkohle genutzt. Technische Innovationen ab dem Frühmittelalter führten zu einem frühen Boom der Eisenindustrie und einem steigenden Bedarf an Holzkohle. Seit dem Beginn des Einsatzes von Dampf und Strom im 19. Jahrhundert entstand in Deutschland eine echte Holzindustrie, die sich auch heute noch vorwiegend aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) zusammensetzt. Die Betriebe befinden sich noch heute in der Nähe von Wäldern und sind oft in Familienbesitz.

Deutschland war früher praktisch flächendeckend von Wald überzogen, bis die Menschen begannen, das Holz als Ressource zu nutzen. Der Hainich in Thüringen ist die größte nutzungsfreie Waldfläche Deutschlands und wurde 2011 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Bild: Michael Fiegle

Erste Regulationen setzten ein

Der deutsche Ökonom und Soziologe Werner Sombart befasste sich Mitte des 19. Jahrhunderts sehr intensiv mit dem Wald. Er beschrieb den Übergang vom Holzzeitalter zur Kohleära auch als eine Art «Abwendung des Menschen von der Natur». Mit der Angst um die Holzverknappung wurde der Menschheit zum ersten Mal bewusst, dass ihre wichtigste Ressource endlich ist und nicht für immer ausgebeutet werden kann. Wie später die Angst um die schwindenden Ölreserven, war das schwindende Holz eine Zeitbombe für das angestrebte Wachstum der Menschheit. Der Wald wurde also in den letzten 500 Jahren sehr stark von einer Natur- in eine Kulturlandschaft umgewandelt.

Im Zuge der Waldwirtschaft kam im 18. Jahrhundert erstmals der Begriff der Nachhaltigkeit auf: In einer Schrift aus dem Jahr 1713 schrieb Carl von Carlowitz, Schöpfer des forstlichen Nachhaltigkeitsbegriffs, dass der Umgang mit der Ressource Holz verantwortungsbewusst sein soll und nicht mehr Holz gefällt werden darf, als nachwachsen kann. Der damaligen Agrargesellschaft wurde bewusst, dass ihr Wachstum mit dem Schwinden des Holzes an seine Grenzen stößt. Mit der wachsenden Bevölkerung begannen die deutschen Städte die Nutzung und Rodung des Waldes zu regulieren. Vor allem die Handelszentren in Deutschland beuteten den Wald als Energielieferant aus, wobei die Metallindustrie unglaubliche Mengen an Holzkohle verbrauchte. Doch Holz wurde eben auch zum Bau von Häusern, Holzwagen und Schiffen eingesetzt, sowie im Metallgewerbe, der Glasherstellung oder für Farben. Ohne Holz ging praktisch nichts. Je schneller die Städte wuchsen, desto massiver wurde der Wald belastet.

Hans Carl von Carlowitz prägte den Begriff der Nachhaltigkeit. Er forderte einen verantwortungsbewussten Umgang mit Holz als einer endlichen Ressource. Bild: „Allgemeine Forstzeitschrift“, München.

So begannen die Menschen, sich nach Alternativen umzuschauen – und sie wurden fündig. Die Stallfütterung löste in der Landwirtschaft die Weidehaltung ab, im Bau wurden statt Holz nun Eisen und Steine verwendet. Aber der wahre Erhalter des Waldes war die Entdeckung der Steinkohle als Energiequelle. Mit der Verbreitung der Eisenbahn Anfang des 19. Jahrhunderts führte die Steinkohle zu einer großen Entlastung des Waldes und zur Ära der Industriellen Revolution. Die Menschen hatten dem Wald im 18. Jahrhundert beinahe den Garaus gemacht. Die große Holznot – in weiten Teilen Europas gab es kaum mehr geschlossene Wälder – führte auch dazu, dass zahlreiche Menschen die Auswandererschiffe nach Amerika bestiegen. Der Mangel an Energiequellen führte schließlich auch zu geopolitischen Umwälzungen.

Weiterlesen Atomenergie, gefährlicher Müll oder dennoch am saubersten?
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Bild: Edouard Duvernay
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Atomenergie, gefährlicher Müll oder dennoch am saubersten?

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Atomenergie, gefährlicher Müll oder dennoch am saubersten?

Bild: Paulussen

Der Atomausstieg hat in Deutschland einen politischen Machtkampf mit den Energiekonzernen entfacht und feiert dank der Klimabewegung ein Revival. Bild: Frederic Paulussen

Atomenergie galt zunächst als Heilsbringer, dann als Gefahr für die Menschheit. Der Atomausstieg hat einen politischen Machtkampf mit den Energiekonzernen entfacht und feiert dank der Klimabewegung ein Revival.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Hunger nach Energie in Europa enorm. Eine Technologie, die im Zweiten Weltkrieg erstmals als Waffe zum Einsatz kam, ist dabei besonders interessant: die Atomkraft. Im Bewusstsein der Menschen damals noch eine Waffe, wurde ihr Potenzial zur Energiegewinnung immer eindeutiger. Die Amerikaner forschten Anfang der 1950er-Jahre vor allem an einem Atomantrieb für U-Boote. 1954 ging in der damaligen Sowjetunion in Obninsk der erste Atomreaktor zur Stromerzeugung ans Netz. Zwei Jahre später folgte ein Atomkraftwerk in Großbritannien mit einer Leistung von damals noch bescheidenen 50 Megawatt. 1958 wurde dann in den USA ein erstes Atomkraftwerk gebaut. Das erste deutsche Atomkraftwerk Kahl in der Nähe von Großwelzheim in Unterfranken wurde 1961 ans Netz angeschlossen.

Doch nicht so günstig wie gedacht

Doch richtig Schub erhielt die Atomkraft erst nach den Ölkrisen von 1973 und 1979. Damals befürchtete die Menschheit wieder, dass diese endliche Energiequelle das Wachstum bremsen könnte. Es musste also eine Alternative zu dem drohenden Ende der fossilen Energie her. Die Atomenergie schien der Heilsbringer zu sein, da sie schier unbegrenzt herzustellen ist.

Diese Annahme stellte sich aber als trügerisch heraus: Auch Uran ist endlich und muss aufwendig abgebaut werden. Zudem wusste man nicht, wohin mit den verbrauchten Brennstäben. Die Kosten für die Atomkraft lagen außerdem weitaus höher als zunächst angenommen. Damit sich ein Atomkraftwerk wirtschaftlich trotzdem lohnte, wurden noch gewaltigere Anlagen mit einer höheren Leistung gebaut. 1974 standen in der Bundesrepublik Deutschland elf Kernkraftwerke.

1974 standen in der Bundesrepublik Deutschland noch elf Kernkraftwerke. Heute sind es noch sechs, von denen drei noch dieses Jahr und drei nächstes Jahr abgeschaltet werden. Bild: BMU

Doch die zerstörerische Kraft von Atomkraftwerken bereitete den Menschen Angst. Es kam erstmals der Begriff «Super-GAU» auf. Der «Größte anzunehmende Unfall» hing wie ein Damoklesschwert über der Atomenergie. Anfang der 1970er kam es auch in Deutschland zu Demonstrationen und Besetzungen von möglichen Bauplätzen für AKWs. Kritische Wissenschaftler befeuerten diese Bewegung.

Der Höhepunkt der Atomenergiekritik entstand mit dem Reaktorunglück in Tschernobyl im Jahr 1986. Italien beschloss als erstes Industrieland in Europa, aus dem Atomstrom auszusteigen. Die Gefahr, die von den bedrohlich wirkenden Atomanlagen mit ihren gigantischen Kühltürmen ausgeht, wurde durch Bücher wie «Die Wolke» von Gudrun Pausewang selbst in der Schullektüre zum Thema, was viele Menschen in Deutschland bewegte. Schließlich beschloss Nordrhein-Westfalen im Jahr 1990 den Ausstieg aus der Kernenergie.

Den endgültigen Todesstoß  für die Atomenergie in Deutschland waren die Unglücke in Fukushima und Tschernobyl. Bild: Bündnis 90 die Grünen

Ausstieg beschlossen, Konsequenzen kostspielig

Den wohl endgültigen Todesstoß versetzte das Unglück in Fukushima der Atomenergie rund 20 Jahre später am 11. März 2011. Danach beschloss Deutschland, sich endgültig von der Atomenergie zu verabschieden. Der Ausstieg soll nun bis Ende 2022 geschafft sein. Dann wird das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet.

Für die Energiewirtschaft, also in diesem Falle die Energiekonzerne, ist der Rückbau der Anlagen sowie die Entsorgung der Brennstäbe eine kostspielige Angelegenheit. Dafür aufkommen müssen die Kraftwerksbetreiber. Bei den noch verbleibenden Werken in Deutschland sind das E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Oder wie von den Kritikern genannt: die Monopolisten. Für die Endlagerung des Atommülls ist der Bund verantwortlich, die Kosten deckt aber ein Fonds ab, der von den Kernkraftwerksbetreibern gezahlt wird. Dieser Fonds umfasst seit 2017 17,4 Milliarden Euro. Die Stilllegung, der Rückbau der Anlagen und die fachgerechte Verpackung radioaktiver Abfälle liegen in der Verantwortung der Betreiber, so sieht es  das Gesetz vor.

Keine Einigung mit den Energiekonzernen

Zurzeit häufen sich die Klagen der Energieunternehmen, die Schadenersatz von der Bundesregierung einfordern und teilweise auch Recht erhalten. Ihnen wurde sozusagen per Gesetz ein Teil ihrer Einkünfte durch die Atomenergie entzogen. Diese Entschädigungen gehen auf Kosten der Steuerzahler. Experten gehen davon aus, dass der Atomausstieg die Steuerzahler bis ins Jahr 2100 noch rund 169 Milliarden Dollar kosten wird, wie «Die Zeit» schreibt. Für die Bundesregierung ist der Atomausstieg ein finanzielles Debakel, weil noch mehr Klagen von den Energiekonzernen folgen werden.

Beim Kohleausstieg möchte sie deshalb einen anderen Weg gehen und hat vertraglich festgelegt, dass keine Klagen kommen dürfen. Diese Verträge sind jedoch noch nicht unterzeichnet. Durch den Klimawandel werden die Energiekonzerne gezwungen, ihr Eigentum aufzugeben – und zwar schneller als gedacht. Weil sie nun auf stillgelegten Atom- und Kohlekraftwerken sitzen, machen sie Entschädigungen geltend. Damit stellen sich die Vertreter der Energiewirtschaft gegen die Pläne der Regierung und erschweren den Ausstieg.

Nach der Nuklearkatastrophe in Fukshima beschloss auch Deutschland, aus der Kernenergie auszusteigen. Bild: Greg Webb/IAEA

Trotz dieses Hickhacks ist eine Trendwende zu erkennen. Könnte sich die Atomenergie im Zuge der Klimabewegung letztlich wieder als Heilsbringer erweisen? Die bekannteste Klimaaktivistin der Welt, Greta Thunberg, hatte bereits 2019 darauf hingewiesen, dass Kernenergie helfen könnte, «saubere» Energie anzustreben.

Dabei verwies sie vor allem auf Länder, die nur schweren Zugang zu erneuerbaren Energie hätten. Obwohl Thunberg ihre Aussage relativierte, weil sie Atomenergie «für gefährlich, zu teuer sowie zeitaufwendig» halte, sorgte sie für einen Aufschrei. Doch die Fakten sprechen für die Umwelt: Bei der Stromproduktion in einem Atomkraftwerk fällt kein CO2 an, die Laufzeit ist lange und trotz Ängsten ist die Energiequelle relativ sicher. Auch wenn die Meinung über Atomkraftwerke in Europa ziemlich eindeutig gegen diese ist, werden 2050 noch rund zehn Prozent des weltweiten Stroms durch Kernenergie erzeugt. Das entspricht dem heutigen Niveau. Diese Kernenergie wird dann wohl nicht mehr in Europa erzeugt, aber eben in anderen Ländern der Welt, wie Indien oder Pakistan.

Dies aber vielleicht anders als bisher – und zwar vermehrt in sogenannten Mini-AKWs. Sie werden zurzeit von Rolls Royce entwickelt. Diese Small Modular Reactors (SMR) sollen Energieengpässe verhindern, wenn die Sonne zu wenig scheint. Die zehn gebauten Prototypen weisen je eine Leistung von 25 Megawatt auf. Bei einem herkömmlichen AKW sind es 1000 Megawatt. Dabei können diese Mini-AKWs günstiger und sicherer als die heutigen betrieben werden, wenngleich dadurch ebenfalls radioaktiver Müll erzeugt wird.

Solange die Atomenergie nicht zu 100 % sicher ist und auch für unsere Nachfahren kein Müll entsteht, wird ihre Rolle bei der Energiewirtschaft immer wieder kritisiert werden. Aber ganz wegzudenken aus der Gleichung wird sie in den kommenden 20 bis 50 Jahren noch nicht sein. Zumindest in der globalen Perspektive.

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Wie ist die Lage der Energiewirtschaft in Deutschland?

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Wie ist die Lage der Energiewirtschaft in Deutschland?

Damit das Klimaziel erreicht wird, müssen alle Akteure in Deutschland enger miteinander zusammenarbeiten. Bild: Karsten Wurth

Die Energiewirtschaft in Deutschland ist weitgehend privatisiert. Die Akteure müssen auf allen Ebenen zusammenarbeiten, sonst gelingen die ambitionierten Klimaziele nicht.

In der Energiewirtschaft in Deutschland werden Strom und Gas heute frei gehandelt, die Preise werden vom Markt bestimmt. Dabei bildet die Nachfrage den bedeutendsten Faktor, wobei erneuerbare Energien vom Staat subventioniert werden. Energieversorger kalkulieren die benötigte Strom- und Gasmenge aber lange im Voraus, um Preisrisiken zu vermeiden.

In Deutschland beschäftigen sich rund 1000 Unternehmen mit der Energieversorgung. Neben Stromversorgern zählen hier auch Netzbetreiber dazu. Im Jahre 2018 erwirtschaftete die gesamte Branche laut Statistischem Bundesamt einen Umsatz von rund 615 Milliarden Euro, davon haben sie rund 20 Milliarden wieder investiert. Fast eine halbe Million Menschen arbeiteten deutschlandweit in der Branche.

2050 soll die Wende bringen 

Dabei werden rund 80 Prozent des Stromhandels von den vier Konzernen E. ON, RWE, EnBW und Vattenfall kontrolliert. Der Rest verteilt sich auf eine Vielzahl von kleineren Strom- und Gasanbietern. Kritiker bemängeln, dass trotz der Liberalisierung die vier dominanten Energiekonzerne ihre Macht ausbauen konnten. Der Wettbewerb sei nicht so offen, wie es suggeriert werde: Es gebe in Deutschland zwar viele Anbieter, aber eben wenig Netzbetreiber.

Ein Ziel, das sich Deutschland auf die Fahne geschrieben hat, ist die Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen bis 2050. Dann soll der Strom zum größten Anteil aus Wind- und Sonnenenergie stammen. Dazu möchte Deutschland die CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent senken. Das ist möglich, wenn noch mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Der Stromverbrauch in Deutschland wird allerdings nicht sinken, sondern in den nächsten Jahren sogar steigen. Diese Entwicklung wird vor allem durch zwei Faktoren begünstigt: Zum einen die Umstellung des Verkehrs auf E-Mobilität, wofür immer mehr Gebäude mit Wärmepumpen beheizt werden. Elektroautos und Wärmepumpen verringern den Schadstoffausstoß, benötigen aber ständig Strom. Zum anderen will sich die Industrie in Deutschland ebenfalls von fossilen Energieträgern abwenden und sucht nach Alternativen, wie sie ihre Maschinen stattdessen antreiben kann.

Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2050 die Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu erreichen. Dann soll der Strom zum größten Anteil aus Wind- und Sonnenenergie stammen. Bild: Nazrin B. Va

Die Think-Tank Agora Energiewende schreibt dazu: «Ein klimaneutrales Deutschland 2050 ist technisch und wirtschaftlich in drei Schritten realisierbar. In einem ersten Schritt sinken die Emissionen bis 2030 um 65 Prozent unter das Niveau von 1990. Der zweite Schritt nach 2030 ist der vollständige Umstieg auf klimaneutrale Technologien, sodass die Emissionen um 95 Prozent sinken. In einem dritten Schritt werden die nicht vermeidbaren Restemissionen durch CO2-Abscheidung und -ablagerung ausgeglichen».

Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie lag der Anteil von erneuerbaren Energien am Stromverbrauch im Jahr 2000 bei rund sechs Prozent, im vergangenen Jahr waren es 46 Prozent. Es gibt in Deutschland aber unzählige Ideen, wie der Anteil der erneuerbaren Energie noch weiter gesteigert werden kann. Entscheidend dabei ist nicht nur der reduzierte Konsum, sondern auch eine stärkere Vernetzung aller Akteure.

Innovative Ideen rasch umsetzen

Dafür haben verschiedene Teams im Projekt «The Mission 6: Energy – be empowered» ihre Ideen für die Energiewirtschaft vorgestellt. Diese Initiative stammt von Deutsche Bank und dem Frankfurter Innovationshub Futury und wird zusammen mit Bank, Bain & Company, Handelsblatt Media Group und PreZero, die sich auf nachhaltige Innovationen fokussieren, umgesetzt. Teil des Futury-Ökosystems ist auch Futury Capital, ein Early- und Growth-Stage- Investor mit Fokus auf Tech-Start-ups und finanziert vom Land Hessen, Family-Offices, deutschen Mittelständlern und Großkonzernen. Eine Erfolgsgeschichte der Initiative ist beispielsweise das Recycling-Start-up Recyda, das bei der ersten Mission «Waste – Be Circular!» entstanden ist und nun von Futury Capital eine Seed-Finanzierung erhalten hat, nachdem  sich die Gründer mit Unternehmen wie der Schwarz Group validiert und ihre Software bereits gelaunched haben.

Bei der neuesten Challenge haben sich fünf Teams während drei Monaten mit dem Thema Energie auseinandergesetzt. Dabei standen ihnen Experten zur Seite, in Workshops und Deep Dives feilten sie an Ideen. »Unser Ziel ist es, dass die Ideen schließlich zu konkreten Start-up-Gründungen führen«, sagt Lara Siebert von Futury. Die Teams würden dabei im Austausch mit den Unternehmen in der Industrie stehen. Davon verspricht sich die Initiative Synergien. Mit von der Partie sind Uniper, Techem, Schaeffler, Siemens, Kraftwerk, Osborne Clarke, Vonovia, Wisag oder Ecolog. »Es gab alle zwei Wochen einen Austausch mit den Partnern sowie drei Pitches, bei denen die Teams präsentierten.«

Ein Fokus der Teams war die effizientere Nutzung von Energieträgern mittels Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Eines der fünf Teams nennt sich »Batterize«. Es soll Betreibern von Mobility-Flotten, seien es E-Fahrräder oder E-Trottinetts, eine Plattform zur Verfügung stellen, bei dem sie dank eines genaueren Datenaustauschs wissen, in welchem Zustand die Batterien sind. Dabei soll der Ladezyklus jedes einzelnen Fahrzeugs ersichtlich sein und der Stromverbrauch effizienter genutzt werden. «Wir wollen, dass Akkus möglichst effizient eingesetzt werden und der reduzierte Strombedarf die Umwelt schont», sagt Raphael Meier von Batterize. Akkus sollten in eine Kreislaufwirtschaft gebracht werden, um sie nachhaltiger zu machen, so Meier.

Die Umstellung des Verkehrs auf E-Mobilität treibt den Strombedarf in Deutschland in die Höhe. Elektroautos und Wärmepumpen verringern den Schadstoffausstoß, benötigen aber ständig Strom. Bild: Charlotte Stowe

Tesla als Stromanbieter

Eine spannende Entwicklung ist auch der kürzlich erfolgte Einstieg von Tesla in den deutschen Strommarkt. Der Elektroautopionier berücksichtigt dabei auch den Umstand, dass die Elektrifizierung der Autos weiter voranschreitet und Strom in Privathaushalten nicht mehr nur für Haushaltsgeräte und Wärmepumpen gebraucht wird, sondern auch zum Auftanken der Elektroautos. Dabei soll laut Tesla alles aus einer Hand kommen. Seit einigen Jahren schon verkauft Tesla auch Stromspeicher und Solardächer.

Mit dem ersten Ökostromtarif möchte Elon Musk erstmals den Energiemarkt im Süden Deutschlands aufmischen. Anfang 2022, und das hat Tesla bereits angekündigt, ist mit einem bundesweiten Angebot von Tesla zu rechnen. Der Joker der Kalifornier: «Autobidder», eine KI-Plattform, die alle Stromspeicher intelligent miteinander verbinden soll. Wenn die Autos mit der Ladestation verbunden sind, können sie als virtuelles Kraftwerk dienen, Strom kann somit kurzfristig gehandelt werden, wie das «Handelsblatt» schreibt. Nach dem Auto- und Batteriemarkt möchte Tesla auch den Energiemarkt aufmischen. Buchbar ist der Tesla-Strom aber vorerst nur für Kunden mit Solaranlage auf dem Dach, einer Powerwall oder einem Tesla- Batteriespeicher.

Experten vermuten, dass Tesla die Kauf- und Leasingverträge der Elektroautos mit der Speicherung und Solaranlagen verbindet und darauf die Stromverträge ergänzend aufbaut. Damit hat Tesla einen entscheidenden Vorteil gegenüber den bisherigen Playern und ist der Konkurrenz wieder eine Nasenlänge voraus. Die Disruption des Strommarktes ist vorprogrammiert.

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Saubere Energiewende durch die Finanzwelt?

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Saubere Energiewende durch die Finanzwelt?

Der amerikanische Ökonom und Bestsellerautor Jeremy Rifkin fordert eine komplett neue Gesellschaft, die nicht mehr auf fossilen Energieträgern fußt, sondern grün und digital ist. Bild: Free press image © Picture Alliance for DLD

Umweltexperten und Ökonomen befürchten Mitte des Jahrhunderts einen Kollaps. Die Gesellschaft darf nicht mehr auf fossile Energieträger aufgebaut werden – und zwar so schnell wie möglich. 

Stromerzeugung durch erneuerbare Energien reicht nicht aus, um die Welt vor einem Kollaps zu retten. Es braucht eine 180-Grad-Wendung, um es noch rechtzeitig zu schaffen. Eine Chance bietet sich mit dem «New Green Deal». Dieser Begriff entstand in den USA und bezeichnet den Übergang von einer fossilen zu einer nachhaltigen Gesellschaft auf allen Ebenen.

Der Name orientiert sich an dem «New Deal», den US-Präsident Franklin D. Roosevelt in der Wirtschaftskrise 1929 ins Leben rief. Ein prominenter Vertreter des «New Green Deal» ist der amerikanische Ökonom und Bestsellerautor Jeremy Rifkin. Er hat dazu ein gleichnamiges Buch geschrieben und erklärt das Konzept folgendermaßen: «Der New Green Deal ist eine komplett neue Gesellschaft, die nicht mehr auf fossilen Energieträgern fußt, sondern grün und digital ist. Dabei geht es um neue Kommunikationstechnologien, Energiequellen und Mobilität.» Das benötige den kompletten Austausch der uns bisher bekannten Infrastruktur, sagt der Ökonom. Das geht nur, wenn Bund, Privatwirtschaft und Konsumenten zusammenhalten und diese Vision gemeinsam leben.

Fossile Kraftwerke sind eine schlechte Anlage

Rifkin warnt vor dem Kollaps der fossil befeuerten Gesellschaft. Kohle, Öl und Gas seien einfach nicht mehr tragbar, Solar- und Windenergie inzwischen günstiger geworden. «Die Sonne schickt keine Rechnung», schreibt Rifkin. Fossile Energiequellen würden sich nicht mehr lohnen, dieser Wandel hätte nun endlich stattgefunden, sagt der Ökonom. Er warnt vor «gestrandeten Vermögenswerten», Kohlekraftwerken, die nicht mehr benötigt werden, Bohrinseln, die brach liegen, Atomkraftwerke, die abgebaut werden müssen. Die amerikanische Großbank Citigroup prognostiziert, dass in den nächsten Jahren rund 100 Billionen Dollar an «Stranded Assets» entstehen werden. «Stranded assests» werden alle Anlagen, Kraftwerke, Fabriken oder Energieerzeuger genannt, die von fossilen Energieträgern angetrieben werden und keine Rendite mehr abwerfen.

Genauso besorgt wie Jeremy Rifkin ist Volker Quaschning. Er ist Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Quaschning gilt als rigoroser Umweltaktivist und engagiert sich auch aktiv auf Social Media für sein Anliegen. «Die Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung ist die bedeutendste Aufgabe der Menschheit in diesem Jahrhundert», bringt er es auf den Punkt.

«Die Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung ist die bedeutendste Aufgabe der Menschheit in diesem Jahrhundert», sagt Volker Quaschning, Ingenieurwissenschaftler und Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Bild: ZVG Volker Quaschning

Wenn jetzt nicht gehandelt wird, dann werde es Mitte des Jahrhunderts einen totalen Kollaps geben, warnt der Wissenschaftler. Geht es nach ihm, müsste Deutschland in 15 Jahren komplett nachhaltig Energie produzieren. Es sei klar, wo investiert werden soll und wo nicht: «Keine Kohle, kein Gas, keine neuen Verbrennungsmotoren.» Der gesamte Strombedarf müsse mit erneuerbaren Energien sichergestellt werden. In Deutschland sind das Wind und Photovoltaik. Sonnenenergie sei dabei die preiswerteste Technologie.« In den nächsten Jahrzehnten wird keine neue Technologie entstehen», sagt Quaschning. Schließlich bestehe die Idee des Elektroautos auch bereits seit 120 Jahren, habe sich aber erst jetzt durchgesetzt, so der Wissenschaftler.

Immerhin habe man sich in Deutschland im Vergleich zu Großbritannien gegen die Kernenergie entschieden. Aber Deutschland sei noch immer von Kohlekraft abhängig. Ein Umweltzertifikat für eine Tonne CO2 kostet mittlerweile 50 Euro. Wenn dieser Preis noch weiter ansteigt, dann trennen sich die Energiekonzerne «ganz von alleine» von der Kohlekraft, da «sie sich einfach nicht mehr rechnet», sagt Quaschning. Damit würden die Betreiber ihre Kraftwerke ohne Enteignung schließen.

Ein weiteres Instrument sei die Verknappung von CO2-Zertifikaten in Europa. Der Wissenschaftler zieht dabei nicht mal so sehr die Energiekonzerne, sondern vor allem die Politiker in die Verantwortung. «Wenn die Politik die Weichenstellung richtig legt, dann ist die Energiewende in den nächsten 15 Jahren zu schaffen», sagt Quaschning. Die Energiekonzerne hätten auch selbst ein Interesse daran, klimaneutral zu werden und seien darauf ausgerichtet, ihre Profite nicht mehr aus der Kohlekraft zu schöpfen. «Aber beim jetzigen Tempo braucht Deutschland noch 50 Jahre bis es klimaneutral ist.» Er ist besorgt, dass es zu lange dauert, um den Kollaps zu verhindern. Hoffnung wecken aber neue Player, die nun die Seiten gewechselt haben.

Solarenergie ist in Deutschland die preiswerteste Technologie, erklärt Volker Quaschning. Bild: Science in HD

Wenn es sich nicht mehr rentiert, ändert es sich

Banken und Finanzinvestoren nehmen zunehmend Abstand von Investitionen in fossile Energieträger. Damit fließt zumindest in Europa kaum mehr neues Kapital in Kohlekraft. Diese neue Denkweise betrifft aber vor allem westliche Gesellschaften und ist in Europa und den USA weit verbreitet. In Asien wird noch immer oft in fossile Energieträger investiert. Das Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg war gerade mal sechs Jahre ans Stromnetz angeschlossen. Dann wurde es stillgelegt, weil es sich für den Betreiber nicht rentierte. «Der Wertverlust von Kohlekraft ist eine natürliche Entwicklung, hatte aber einen stark negativen Einfluss auf Vattenfalls Finanzergebnisse 2020», berichtete die ARD Tagesschau. Den größten Wertverlust verzeichnete das Kohlekraftwerk im Hamburger Stadtteil Moorburg.

Die Deutsche Bank hat sich beispielsweise verpflichtet, ihre Investitionen in die Kohlekraft bis spätestens 2025 zu beenden. Das umfasse sowohl die Finanzierung, aber auch die Kapitalmarkttransaktionen, heißt es vom Geldinstitut. Dieser Schritt zeigt, dass Finanzinstitute zunehmend selbst aktiv werden, um nachhaltige Impulse in die Energiewirtschaft zu stecken.

Einige Banken haben in jüngster Zeit aber auch wieder Befürchtungen geäußert, dass die Sonnenenergie nicht zuverlässig genug sei. Doch nachhaltig produzierter Strom ist billig und werde sich in den nächsten Jahren noch kostengünstiger entwickeln. «In Süddeutschland sind im letzten Jahr gerade mal acht Windräder gebaut worden», sagt Quaschning. Der Wissenschaftler ist bekannt dafür, dass er mit der Politik hart ins Gericht geht. So kritisiert er auch die Rahmenbedingungen zur Erstellung von Photovoltaikanlagen auf Flachdächern. «Die Politik und Bürokratie verhindern den Kampf gegen den Klimawandel.»

12000 Menschen unterschrieben eine Petition gegen den Bau des Kraftwerks Moorburg in Hamburg 2007. Das Kohlekraftwerk wurde nach nur sechs Jahre stillgelegt, weil es sich für den Betreiber nicht rentierte und erlitt einen enormen Wertverlust. Bild: Rainer Zimmermann

Milliarden fließen in erneuerbare Energie

Es ist eine Veränderung spürbar, weil sich nicht mehr nur der Staat, sondern auch der Privatsektor für eine nachhaltigere Energiewirtschaft einsetzt. «Energie wird bald für nahezu null Grenzkosten verfügbar sein», sagt Jeremy Rifkin. Das erklärt er auch in seinem Buch «The Zero Marginal Cost Society». Das bedeutet, dass die Produktion einer weiteren Einheit nicht mehr Kosten verursacht. Die Finanzwelt habe inzwischen verstanden, dass die fossil befeuerte Gesellschaft vorbei ist, weil die Verluste zu groß werden, sagt Rifkin. «Es muss ein neues Narrativ entstehen, welches sich in den Unternehmen, in den Kommunen, in den Menschen einprägt.» Unternehmen sehen sich vermehrt in der Verantwortung und das geht auch einher mit der Energiewirtschaft. Dabei werden sie von den Finanzinstituten unterstützt, die ihnen nachhaltige Fonds oder grüne Aktien anbieten.

Bereits heute wird mehr in erneuerbare Energie als in fossile und atomare Kraftwerke zusammen investiert. Laut dem World Economic Forum sind im vergangenen Jahr rund 5,7 Billionen Dollar in grüne Infrastruktur geflossen. Auch die Deutsche Bank gehört zu den größten Geldgebern im Bereich erneuerbare Energien. Dabei wolle die Bank in den nächsten sechs Jahren rund 200 Milliarden Euro an nachhaltigen Investments und Finanzierungen tätigen, sagt Vorstandschef Christian Sewing.

Tatsächlich hat sich der Wind gedreht. Investitionen in Kohle, Gas und Öl werden zum Anlagerisiko. Banken und Anlagefonds nehmen zunehmend Abstand von fossilen Energieträgern und investieren ihr Geld immer häufiger in erneuerbare Energien. Das gilt zumindest für Europa. Die weltweiten Investitionen in fossile Energieträger sind nach wie vor zu hoch. Hoffentlich wird da die Trendwende nicht erst einsetzen, wenn es zu spät ist.

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2050: Kostenlose Energie für alle?

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2050: Kostenlose Energie für alle?

Endlose Wind- und Photovoltaikanlagen versprechen kostenlose Energie für die Zukunft. Bild: Appolinary Kalashnikova

In Zukunft wird Energie ausschließlich von Sonne und Wind stammen und beinahe kostenlos sein. Wie wird das gehen? Weltraumabenteuer oder endlose Photovoltaikanlagen in der Wüste zeichnen sich am Horizont ab. Ein Blick in die Zukunft.  

Wenn Michael im Jahre 2050 seine Stromrechnung in seinem Postfach öffnet, dann wird er kaum etwas zahlen müssen. Bereits als er ein Kind war, kostete der Strom um die Mittagszeit schon nichts mehr. Hocheffektive Solar- und Windanlagen sorgten bereits 2025 für eine solche Leistung. Doch jetzt, ein Vierteljahrhundert später, hat es Deutschland nach einem gemeinsamen Ruck durch Wirtschaft, Politik und Bevölkerung endlich geschafft, zu 100 Prozent nachhaltige Energie herzustellen. Weil das Netz aus Solar- und Windenergie so hocheffektiv geworden ist, kann Michael seinen Strom beinahe kostenlos beziehen.

Jahrzehnte zuvor, als die Klimabewegung «Fridays for Future» von einem 15-jährigen Mädchen aus Schweden ins Leben gerufen wurde, sprachen Politiker und Ökonomen in den USA vom «The New Green Deal». Auch das Schlagwort «The Zero Marginal Cost» kam damals auf. Es war die Vision, dass Strom nahezu kostenlos sein wird.

Diese Vision ist inzwischen Realität geworden. Michael zahlt inzwischen nur noch ein paar wenige Euros für seine Stromrechnung dezentral über eine Blockchain. Diese werden für den Bau und den Betrieb von neuen Solar- und Windanlagen eingesetzt. Diese stehen nun flächendeckend in ganz Deutschland, Windanlagen auf nicht bewohnten Flächen, Photovoltaikanlagen auf praktisch jedem Flachdach in der Republik. Betrieben werden diese Anlagen von privaten Parteien und kleinen Unternehmen. Die herrschenden Energiekonzerne aus den 2020er-Jahren sind inzwischen verschwunden. Dafür mischen Autohersteller wie Volkswagen oder Tesla im Strommarkt mit, aber auch sie agieren ausschließlich über die Blockchain.

Weniger Stromkosten, mehr Wohlstand

Auch der Wohnungseigentümer von Michael hat im Wohnhaus in Berlin auf dem Dach eine solche Anlage angebracht. Diese kann von jedem Hausbewohner bedient beziehungsweise abgerechnet werden. Wird damit Strom ins Netz gespeist, erhalten die Hausbewohner eine Rückvergütung, selbst für einige Cents. Dank der Blockchain-Technologie funktioniert das reibungslos.

Die massiven Einsparungen, die Privathaushalte und Unternehmen dank der faktisch kostenlosen Energie tätigen können, haben Deutschland mit seiner «unbegrenzten Energie» aus Wind und Sonne einen weltweiten Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Ländern, die sich noch immer mit fossilen Energieträgern abmühen, verschafft. Dieser ist so bedeutend, dass die Energiewirtschaft die restliche Wirtschaft vollkommen umgekrempelt hat. Die saubere und ständig vorhandene Energie hatte im vergangenen Jahrzehnt einen solch immensen Einfluss auf die deutsche Wirtschaft, dass die meisten Leute inzwischen nur noch vier bis fünf Stunden pro Tag arbeiten müssen, der Wohlstand sich aber weiter gesteigert hat.

Nicht nur die deutsche Industrie hat vom kostenlosen Strom profitiert. Der wahre Trigger ist, dass zwei Technologien, die sehr viel Strom benötigen, durch die ausgebaute Solar- und Windkraft befeuert werden konnten: Blockchain und AI. Darauf basiert inzwischen das gesamte Wirtschaftssystem. Durch den beinahe kostenlosen Strom haben diese Technologien in der Mitte des 21. Jahrhundert nochmals einen Schub erfahren.

Mittlerweile befinden sich Solaranlagen praktisch überall in Deutschland. Bild: Moritz Kindler

Windanlagen komplett neu gedacht

Vor allem bei Windanlagen hat sich seit den 2030er Jahren viel getan. Michael kennt mittlerweile nicht nur Türme mit drei Flügeln, sondern inzwischen gibt es Windparks mit ganz neuen Formen von Windräderelementen. Solche, die lose in der Luft «tanzen» oder solche, die so hoch wie der Eiffelturm als Gerüst in den Himmel ragen. Diese Innovationen haben dazu geführt, dass Michael dank des kostenlosen Stroms auf eine Art passives Einkommen zurückgreifen kann. Dank des endlosen Stroms hat er einen eigenen Strom-Miner zu Hause installiert und speist selbst Energie ins Netz, ähnlich, wie dreißig Jahre zuvor das Mining von Bitcoin. Die Kryptowährung ist inzwischen verschwunden, andere sind dafür auf den Markt gekommen.

Michael zeigt seinem Sohn Anton abends gerne Bilder aus einer Zeit, in der die USA und China eine Vielzahl von seltsam geformten Objekten ins Weltall schossen. Sie versuchten damals, riesige Solarsatelliten zu installieren, die das Licht einfangen und mittels Laser auf die Erde schießen. China versuchte sogar, auf dem Mond Energie zu gewinnen. Dafür installierten sie riesige Spiegel auf dem Erdtrabanten. Doch wie schon das Raumfahrtprogramm im 20. Jahrhundert wegen zu hoher Kosten aufgegeben wurde, stoppten die beiden Weltmächte Ende der 2040-Jahre ihre Bestrebungen, Energie aus dem All zu beziehen. Auch Space XL, die Firma des 2032 verstorbenen Elon Musk, startete ein Projekt mit Heliumfesselballons, die Sonnenenergie in Strom umwandeln konnten. Damit war das Unternehmen vor allem in afrikanischen Ländern erfolgreich.

Apropos afrikanische Länder: Marokko startete 2032 das Projekt «Desertec» und überzog die Wüste mit unzähligen Solarpanels. Die europäischen Staaten kündigten die Erdgaslieferungen aus Russland und setzen  nun vermehrt auf Photovoltaik. Das verhalf Marokko zu neuem Reichtum, der jedoch nicht lange hielt. In einer groß angelegten Aktion zerstörten Milizen aus der Westsahara die Anlagen, da sie nach wie vor um einen eigenen Staat kämpften. So sehr sich die Menschheit um neue Energiequellen bemühte, überstiegen diese bei den Kosten die vorhandene Wind- und Solarkraft. Die Weltraumlösung wurde so teuer, dass die USA schließlich gegen den Willen der Bevölkerung beschlossen, weite Teile von Texas und New Mexiko mit Windparks zu übersähen.

Marokko startete 2032 das Projekt «Desertec» und überzog die Wüste mit unzähligen Solarpanels. Bild: Antonio Garcia

Strom sparen leicht gemacht

Dafür gab es neue Vorgehen bei der Digitalisierung der Energie: Smart Energy. Dank der Blockchain wurde die Verteilung des Stroms dermaßen effizient, dass rund 30 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs nicht mehr verloren ging. Dabei hatten auch die Konsumenten wieder die Kontrolle über ihren Stromverbrauch.

Michael hat längst vergessen, dass Strom früher ein Kostenfaktor war, aber er ist froh darüber, dass dieser nun beinahe grenzenlos verfügbar ist. Mittlerweile hat auch die letzte Altbauwohnung in Neukölln eine Wärmepumpe für die Heizung. Sein Sohn Anton hat erst einmal bei einer Ausstellung ein Auto mit Benzinantrieb gesehen. Ein fast 200 Jahre alten Porsche. Ein Relikt wie die vielen alten Kohlekraftwerke, die jetzt als Kulturzentren und Ausstellungsorte fungieren.

Eine Welt mit kostenloser Energie für alle wäre eine bessere Welt. Dafür müssten aber einige Weichen von der Politik und der Wirtschaft massiv umgestellt werden. Vor allem aber der menschliche Egoismus müsste ein Stück nachlassen, um es zuzulassen, dass alle Menschen aus der Kraft von Sonne und Wind den gleichen Mehrwert ziehen dürfen.

Zum Anfang Holz, die erste Energiequelle und die erste endliche Ressource
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Bild: Edouard Duvernay